Susanne Vaskovic ist Agrarwissenschaftlerin, Falknerin – und angehende Fluglotsin. Wenn man so will, hat eine Taube ihr den Weg in den Beruf gewiesen. Wie? Das verrät die 28-Jährige im Job-Protokoll. Kleine Vierecke auf dem Radar im Auge behalten und sie so steuern, dass sie nicht zusammenstoßen: Klingt erstmal einfach, ist in der Praxis aber ein […]

Susanne Vaskovic ist Agrarwissenschaftlerin, Falknerin – und angehende Fluglotsin.

Wenn man so will, hat eine Taube ihr den Weg in den Beruf gewiesen. Wie? Das verrät die 28-Jährige im Job-Protokoll.

Kleine Vierecke auf dem Radar im Auge behalten und sie so steuern, dass sie nicht zusammenstoßen: Klingt erstmal einfach, ist in der Praxis aber ein hochkomplexer Job. Ohne Fluglotsen würde kein Flugzeug sicher abheben oder landen können. Was macht den Reiz des Berufs aus?

Suanne Vaskovic, Fluglotsin in Ausbildung, erzählt im Job-Protokoll von ihrem ungewöhnlichen Weg in den Job, was es bedeutet, in Sekundenschnelle Entscheidungen zu treffen und wie sie bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) eine neue Familie gefunden hat.

Der Weg in den Beruf:

Das ist eine etwas kuriose Geschichte. Eigentlich habe ich in Stuttgart Hohenheim Agrarwissenschaften studiert. Außerdem bin ich Falknerin und Jägerin. Mehr oder weniger zufällig bin ich so zur Vogelvergrämung am Flughafen Stuttgart gekommen, die suchten Verstärkung. Im Prinzip geht es in dem Job darum, Vögel, die im Luftraum Gefahren verursachen könnten, zu vertreiben. Ein Vogelschlag, wenn Flugzeug und Vogel kollidieren, ist nämlich sehr gefährlich.

Eines Tages haben mich die Lotsen im Tower, also im Flugverkehrskontrollturm auf dem Flughafen, angerufen, weil eine Taube am Tower saß, die einfach nicht wegfliegen wollte. Die Taube ist doch recht schnell weggeflogen. Ich aber fand sehr spannend, was ich da im Tower gesehen habe und bin mit den Fluglotsen ins Gespräch gekommen.

Letztendlich hat dieses Erlebnis dazu geführt, dass ich mich bei der DFS Deutsche Flugsicherung (DFS) beworben habe, und nach dem Eignungstest in das rund dreijährige Ausbildungsprogramm aufgenommen wurde.

Die Motivation:

Ich war vor dem Beginn meiner Ausbildung kein großer Flugzeugfan oder so, ich bin maximal in den Urlaub geflogen und auch das nicht oft. Mit ausschlaggebend war für mich, dass es in diesem Beruf keinen Tag gibt, an dem man das Gleiche erlebt. Außerdem werde ich als Lotsin nach meiner Schicht abgelöst. Ich muss nicht 24/7 an die Arbeit denken. Ich weiß, der Luftraum wird auch nach meinem Dienstschluss immer sicher überwacht.

Wie ich meinen Beruf einfach erkläre:

Am allereinfachsten wäre es zu sagen: Ich schaue, dass Flugzeuge in der Luft nicht zusammenstoßen. Allerdings ist der Beruf mittlerweile sehr viel komplexer. Es gibt eine ganz bestimmte Phraseologie, die wir verwenden müssen: Fluglotsinnen und -lotsen sind dafür zuständig, dass Flugzeuge in ihrem Luftraum die Verkehrsregeln einhalten und vor allem, immer mit ausreichend Sicherheitsabstand unterwegs sind.

Die etwas ausführlichere Erklärung:

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Fluglotsen: Da sind die Tower-Lotsen, die am Flughafen Start- und Landefreigaben erteilen und direkte Sicht auf die Piste haben. Und die Centerlotsen, die in der Kontrollzentrale ihren Luftraum im Blick behalten und die Flugzeuge dahin steuern, wo sie hinmüssen.

Der Luftraum in Deutschland ist in Sektoren aufgeteilt. Jeder Fluglotse und jede Fluglotsin hat einen Sektor, für den er oder sie zuständig ist und kontrolliert die Flugzeuge, die sich darin bewegen, bis sie den nächsten Sektor erreichen.

Was ich in meiner Ausbildung lerne:

Wir werden schon vor der Ausbildung eingeteilt, ob wir später im Tower oder im Center arbeiten werden. Bei mir wird es die Kontrollzentrale sein, in der ich mich um den unteren Luftraum kümmere.

An der Akademie der DFS lernen wir zunächst viel Theorie: Welche Flugzeugtypen gibt es? Welche Einflüsse hat das Wetter auf die Flugzeuge? Wie funktioniert unser Equipment, zum Beispiel Radar? Und wie sieht die Arbeit der Piloten im Cockpit aus? Im Notfall müssen wir wissen, welche Probleme im Flugzeug auftauchen können und welche Fehlerbehebung wie viel Zeit beansprucht.

Nach und nach wird die Ausbildung immer praktischer. Wir sitzen zunächst an Simulatoren. Im Prinzip sieht es in unseren Unterrichtsräumen aus wie später im Center: Pro Raum haben wir vier Inseln, die Tische, an denen Koordinationslotse und Radarlotse im Team im simulierten Flugverkehr zusammenarbeiten.

Wir lernen, das theoretische Wissen praktisch anzuwenden: Wie schicke ich ein Flugzeug nach links oder rechts, nach oben oder nach unten? Wie bereite ich ein Flugzeug auf den Übergang in den nächsten Sektor vor, hat es seine optimale Höhe und Route erreicht?

Nach und nach werden die simulierten Lufträume und der Flugverkehr immer komplexer, wir nähern uns immer mehr der Realität an. Außerdem erhöht sich die Simulationszeit. Anfangs schafft man vielleicht 20 Minuten volle Konzentration, irgendwann ist man dann bei einer Stunde, später bei zwei Stunden.

Im letzten Teil der Ausbildung gehen wir in das sogenannte Training on the Job, wo wir unter Aufsicht unser erlerntes Wissen an unserem künftigen Arbeitsplatz im Live-Verkehr umsetzen.

Die schönsten Seiten des Berufs:

Mit am schönsten ist es für mich, dass ich mit der DFS fast so etwas wie eine neue Familie gefunden habe. Die meisten haben eine Leidenschaft für die Fliegerei, da trifft man sich dann privat, um zu fliegen oder am Flughafen, um die neuen Anstriche der Flugzeuge anzusehen. Ich glaube, an der Akademie kommt einfach ein bestimmter Schlag Mensch zusammen, das verbindet.

Die größte Herausforderung:

Das ist tatsächlich, in kürzester Zeit die Menge an neuem Wissen aufzunehmen. Die Anforderungen an der Akademie und im Beruf sind sehr hoch, auch im Vergleich mit einem Hochschulstudium.

Ohne was es in dem Job nicht geht:

Man sollte als Fluglotsin oder Fluglotse nicht schnell aufgeben. Wer sofort denkt «Ach, jetzt ist es eh schon vorbei, jetzt hab ich es vermasselt», ist hier falsch. Man muss auch in stressigen oder herausfordernden Situationen drin- und dranbleiben und bis zum Schluss sein Bestes geben.

Dazu gehört, dass man in Stresssituationen Entscheidungen treffen können muss. Ich kann mich zwar im Restaurant auch nicht so gut entscheiden, was ich essen möchte, aber am Radar weiß ich, jetzt zählt es. Eine Minute hat so viele Sekunden, die man nicht verstreichen lassen darf. Deswegen sollte man auch direkte Kommunikation gut beherrschen. Nicht um den heißen Brei rumreden, sondern die Zeit, die man hat, sinnvoll nutzen.

Neben der Teamfähigkeit kommt es darauf an, auf sich und seine Fähigkeiten zu vertrauen. Es braucht zwar einen gesunden Respekt vor den Tätigkeiten, schließlich sind das, was ich da den ganzen Tag auf dem Monitor sehe, keine Quadrate, sondern Flugzeuge mit Hunderten Menschen an Bord.

Wenn ich aber mit der Ausbildung fertig bin und die DFS mir sagt: Du bist jetzt bereit, du kannst das, dann weiß ich: Mir wurde alles mitgegeben, um diesen Job zu meistern und mit herausfordernden Situationen umzugehen.

Info-Kasten: Zugang und Ausbildungsvergütung

Aufgrund der Einschränkungen während der Corona-Pandemie ist Susanne Vaskovic in ihrem zweiten Lehrjahr an der Akademie der Deutschen Flugsicherung bereits 28 Jahre alt. Üblicherweise darf man zum Zeitpunkt der Bewerbung maximal 24 Jahre alt sein. Darüber hinaus müssen Interessierte mindestens die Allgemeine Hochschulreife und Englischkenntnisse auf C1-Level mitbringen. Auch die medizinische Eignung, etwa das Seh- und Hörvermögen, wird geprüft.

Angehende Lotsinnen und Lotsen bekommen nach Angaben der DFS in den ersten 12 bis 15 Monaten der Theorieausbildung eine Vergütung in Höhe von 1200 Euro pro Monat, optional werden sie mit 400 Euro Wohngeld bezuschusst. Sobald die Nachwuchskräfte in das sogenannte «Training on the Job» starten, erhalten sie etwa 4000 Euro pro Monat.

dpa