«Fliegen mit dem Hintern»: In der Luft mit einem Wasserflugzeug
27.06.2015 Wasserflugzeuge sind in Deutschland höchst selten. An der Mosel bringt Norbert Klippel Piloten bei, wie sie auf dem Wasser starten können. Und sicher wieder landen. Bernkastel-Andel (dpa) – Das knallgelbe Flugzeug wird schneller und schneller, dann hebt es vom Wasser ab: Von der Mosel geht es hoch über das Weinbergstal in Richtung Trier. An […]
27.06.2015
Wasserflugzeuge sind in Deutschland höchst selten. An der Mosel bringt Norbert Klippel Piloten bei, wie sie auf dem Wasser starten können. Und sicher wieder landen.
Bernkastel-Andel (dpa) – Das knallgelbe Flugzeug wird schneller und schneller, dann hebt es vom Wasser ab: Von der Mosel geht es hoch über das Weinbergstal in Richtung Trier. An Bord sind Fluglehrer Norbert Klippel und sein Schüler Claus Brückner auf einem «Checkflug»: Der erfahrene Berufspilot Brückner, der normalerweise Business-Jets rund um den Globus fliegt, will bei der Prüfung seine Wasserflug-Lizenz verlängern. Der 55-Jährige ist einer von Dutzenden, die jedes Jahr an der Mosel in die Piper Super Cub steigen. Denn Klippel ist europaweit einer der wenigen Lehrer, der im Wasserflieger ausbildet und prüft.
Vor dem Start in Bernkastel-Andel wird noch Wasser aus den Schwimmern gepumpt, Benzin nachgefüllt, der Ölstand überprüft. Ab und zu tuckert ein Schiff vorbei, am Ufer schwimmen Schwäne. Dann gleitet die 150 PS starke Maschine vom Mini-Anleger in die Mosel, die Piloten klettern ins Cockpit. «Beim Wasserfliegen ist die Verbindung zur Natur das Besondere: Man spürt das Wasser, die Luft und den Wind», sagt Klippel (64). Er hat den Flieger aus den 50er Jahren vor zehn Jahren in Finnland gekauft. Die Maschine war einst in Kanada als Agrarflugzeug – mit Rädern – gebaut und später wassertauglich umgebaut worden.
Neben seinem Wasserflugzeug gebe es in Deutschland noch zwei weitere: Eines in Berlin und eines in Flensburg – plus ein Flugboot in Welzow bei Cottbus. Letzteres gehört dem Deutschen Wasserflieger-Verband, dessen erster Vorsitzender Klippel ist. Bundesweit hätten rund 100 Piloten eine europaweit gültige Wasserflug-Lizenz. Diese muss alle zwei Jahre in einem Checkflug bestätigt werden.
Rund 95 Prozent der Wasserflug-Piloten fliegen Klippel zufolge im Ausland. Im Urlaub etwa in Kanada, Finnland oder Schweden in gecharterten Maschinen. Denn es gebe nur wenige Regionen in Deutschland, wo Wasserfliegen möglich sei: Dazu zählten bestimmten Gebiete an der Mosel, bei Flensburg (Schleswig-Holstein) und Welzow (Brandenburg).
Auch Brückner hebt selten auf Gewässern in Deutschland ab. «Eigentlich nur zum Checkflug», sagt der gebürtige Berliner, der im Raum Köln wohnt. Viel sei er über dem Comer See in Italien unterwegs, aber auch in Nordamerika und Kanada. «Da ist man nicht so limitiert und hat die Freiheit zum Fliegen, so wie es Spaß macht.»
Wasserfliegen sei schon seit gut 20 Jahren seine große Leidenschaft, sagt der 55-Jährige, der im Alltag Geschäftsleute, Politiker und Promis in Privatjets fliegt. «Das Besondere ist, dass man, wie wir Piloten es sagen, mit dem Hintern fliegt. Also mit den Sinnesorganen, man fühlt das Flugzeug und ist ganz dicht dran an der Natur.» Und es sei eben auch eine ganz andere Herausforderung.
«Der Flieger hat ja keine Bremse», fügt Klippel hinzu. Sobald das Triebwerk gestartet wird, bewegt sich die Maschine. «Man muss schneller denken als der Flieger fliegen kann.» Gebremst werde durch das richtige Aufsetzen der Schwimmer auf dem Wasser. «Die Nase (vom Flieger) muss ein bisschen nach oben gehen.»
Beim Landen müssen die Piloten auch den Boots- und Schiffsverkehr auf dem Fluss im Auge behalten. «Ich funke die immer von oben an und sage, dass wir gleich neben ihnen landen», sagt Klippel, der auch eine Fahr- und Flugschule am Flugplatz Föhren bei Trier hat. Auch der Wind fordere den Piloten eines Wasserfliegers. «Er kann alle tausend Meter von einer anderen Seite kommen.» Die Mosel ist der einzige Fluss in Deutschland, wo Wasserflugzeuge abheben.
Brückner hat bei dem Checkflug mit mehreren Zwischenlandungen alles richtig gemacht. «Er ist ein Profi, hat viel Erfahrung. Das merkt man sofort», sagt der Lehrer zufrieden nach dem einstündigen Test. «Es war wunderschön», sagt der Schüler – und gibt zu, vorher aufgeregt gewesen zu sein. «Bin ich bei jedem Checkflug.» Aber er habe wieder was gelernt: «Wie man den Wind besser lesen kann.»
Birgit Reichert, dpa