Er ist der Berliner Sehnsuchtsort schlechthin: der alte Flughafen Tempelhof. Stillgelegt seit fünf Jahren steht der Luftbrücken-Airport nun vor dem Start in eine neue Zukunft. Die Richtung aber ist noch nicht ganz klar. Berlin (dpa) – Als er sich über das nächtliche Lichtermeer Berlins erhebt, wird der Pilot wehmütig: Er lässt die «Tante Ju» schwanken, […]

Er ist der Berliner Sehnsuchtsort schlechthin: der alte Flughafen Tempelhof. Stillgelegt seit fünf Jahren steht der Luftbrücken-Airport nun vor dem Start in eine neue Zukunft. Die Richtung aber ist noch nicht ganz klar.

Berlin (dpa) – Als er sich über das nächtliche Lichtermeer Berlins erhebt, wird der Pilot wehmütig: Er lässt die «Tante Ju» schwanken, die Tragflächen wiegen auf und ab – ein letztes Winken als Abschied vom legendären Flughafen Tempelhof, dem Airport, der für viele der wahre Hauptstadtflughafen bleibt. Am 30. Oktober ist dieser letzte Take-off fünf Jahre her. Und erst jetzt wird allmählich klar, was Berlin mit der riesigen Brache im Stadtbereich vorhat. So viel sei schon verraten: Es regt sich Widerstand – wie sollte es auch anders sein in dieser Stadt?

Das steht zur Disposition: eine riesige Freifläche, um die jede andere Großstadt Berlin beneiden würde. Fast so groß wie der Central Park in New York, zentral gelegen im hauptstädtischen Häusermeer, mit U-Bahn- und Autobahnanschluss. Dazu ein gewaltiges denkmalgeschütztes Flughafengebäude mit viel, viel Geschichte, heute Kulisse für Modemessen, Popkonzerte und trendige Firmenfeiern. Auf 1,1 Kilometern Länge schmiegt sich das Gebäude an den Nordwestrand des weiten Flugfeldes.

Dort warteten auf Trümmerhaufen einst Kinder auf Süßigkeiten, die alliierte Piloten abwarfen, als sie die eingeschlossene Halbstadt mit der Luftbrücke fast ein Jahr per Flugzeug versorgten. Dort checkten die Beatles ein, John F. Kennedy und Marylin Monroe. Tempelhof, das war West-Berlins Tor zur Welt.

2008 schließt der damals älteste Verkehrsflughafen der Welt nach 85 Jahren – da bauen Berlin und Brandenburg in Schönefeld schon am künftigen Hauptstadtflughafen, einem modernen Luftdrehkreuz, das auch Tegel und den alten Schönfelder Flughafen ablösen soll. Sie bauen daran auch 2013 noch, wahrscheinlich auch 2014, vermutlich noch 2015.

In Tempelhof dagegen ist der Kerosingeruch lange verflogen. Auf dem Flugfeld ist der größte Park der Stadt entstanden, ein Paradies für Läufer, Griller und Kite-Roller. Viel mehr, als Signalleuchten und Flugzeug-Wegweiser wegzuräumen, hat der Senat dafür nicht tun müssen. Es gibt keine Bänke und nur wenige Bäume. Dafür spielten im Sommer die Ärzte und die Toten Hosen dort.

Doch nun will das Land am Rand der 300 Hektar großen Fläche Wohnhäuser und Firmengebäude hochziehen. Bis zu 5000 Wohnungen könnten entstehen, die Berlin – wenn man Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) glaubt – dringend braucht. Losgehen soll es direkt südlich vom alten Terminal, es gibt schon schicke 3-D-Zeichnungen und Bebauungspläne. Nicht wenige träumen vom Wohnzimmerblick auf das weite Feld.

Doch gebaut wird erstmal nicht – zumindest so lange, wie engagierte Parkfans Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln, das hat der Senat versprochen. Denn Tausende Berliner wollen den Park am liebsten genauso lassen, wie er gerade ist: eine riesige Fläche, mit kilometerweitem Blick, die die Hektik der Hauptstadt so weit, weit weg erscheinen lässt – ohne störende Häuser am Rand.

Der Senat verspricht, zumindest 230 Hektar in der Mitte des Feldes unbebaut zu lassen. Aus dem Tempelhofer Feld soll ein richtiger Park werden – worunter sich jedoch jeder etwas anderes vorstellt. Die einen wünschen sich einen See, Bänke, Schatten unter Bäumen. Die anderen haben Angst um wertvolle Biotope oder generell vor jeder Veränderung. Der Senat plant ein großes Wasserbecken und pflanzt erstmal Bäume.

Auch fünf Jahre nach dem letzten Flug wird also gerungen um die beste Lösung für das große Feld mit seiner besonderen Geschichte. In das riesige Gebäude mit Hangars und Offiziershotel sollen bald Kreative einziehen, auf dem kilometerlangen Dach vielleicht ein Café. Der Blick jedenfalls wäre einzigartig: herab auf das quirlige Kreuzberg und weit bis an die Stadtgrenzen. Als lege sich Berlin seinem alt-ehrwürdigen Flughafen zu Füßen.