20.02.2017 Zum Schluss drücken die Beamten einen Stempel in den Pass: «ABGESCHOBEN / DEPORTED». Wer ins Berliner Abschiebezentrum kommt, wundert sich über das prunkvolle Interieur. Das Gebäude hat nämlich eine wechselvolle Geschichte. Schönefeld (dpa) – Schärfer kann der Kontrast kaum sein: Marmor auf dem Boden und an den Wänden, im zweigeschossigen Foyer hängt ein Kronleuchter […]

20.02.2017

Zum Schluss drücken die Beamten einen Stempel in den Pass: «ABGESCHOBEN / DEPORTED». Wer ins Berliner Abschiebezentrum kommt, wundert sich über das prunkvolle Interieur. Das Gebäude hat nämlich eine wechselvolle Geschichte.

Schönefeld (dpa) – Schärfer kann der Kontrast kaum sein: Marmor auf dem Boden und an den Wänden, im zweigeschossigen Foyer hängt ein Kronleuchter im Stil der 1950er Jahre. Der kleine Palast unweit der Landebahnen auf dem Berliner Flughafen Schönefeld wurde für Staatsgäste der DDR gebaut. Das SED-Politbüro empfing in der «Einganghalle der DDR» Gäste aus aller Welt. Heute wird das einstige Regierungsterminal als profanes Abschiebezentrum der Bundespolizei genutzt. Am Montag schaute sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Abläufe am Montag einmal an.

Vom Prunk aus DDR-Zeiten ist bei den Abschiebungen ausreisepflichtiger Migranten nichts mehr zu spüren. Gepäckscanner durchleuchten wie in einem normalen Terminal die Koffer. «Gibt es eine Begrenzung?», will de Maiziere von den Beamten zu den Gepäckmengen wissen. Nein, da werde auch schonmal ein ganzer Haushalt mitgenommen, lautet die Antwort. «Auch Tiere?» – «Nein.» Der Minister fragt weiter: «Was wissen Sie über die jeweilige Person?» oder «In welcher Sprache machen Sie das?» Bundespolizisten erklären geduldig, wie die Abfertigung in den einzelnen Stationen abläuft. Zum Schluss gibt es dann einen Stempel in den Reisepass: «ABGESCHOBEN / DEPORTED», steht dann in Deutsch und Englisch mit Dienstsiegel, Datum und Unterschrift in den Papieren.

Als de Maizière mit einem großem Tross an Journalisten eintrifft, sind alle abzuschiebenden Ausländer des Tages allerdings schon weg. Die eigens gecharterte Sondermaschine mit 124 Ausländern und rund 40 Bundespolizisten als Begleitung war kurz zuvor gestartet. Das Ziel ist noch auf DIN-A4-Zetteln vermerkt, die auf den Marmor geklebt waren. «Albanien» heißt es dort. Etwa zweimal im Monat gebe es solche Sammelabschiebungen, erläutert ein Bundespolizist. Ein Großteil der Betroffenen füge sich dem Schicksal, sagt eine Beamtin. Was mit der Minderheit geschieht, bleibt offen. Auf jeden Fall seien auch immer Ärzte dabei, heißt es. Die kämen aber kaum zum Einsatz.

Nach seinem Rundgang betont de Maizière (CDU) die Notwendigkeit, ausreisepflichtige Ausländer abzuschieben, die kein Bleiberecht haben. Das sei ein sehr harter Prozess. Zwar habe die freiwillige Rückkehr Vorrang. Aber ohne Zwangsmaßnahmen würde auch die Zahl der freiwilligen Rückkehrer sinken, sagte er. Im vergangenen Jahr habe es rund 25 000 Abschiebungen und 55 000 freiwillige Rückkehrer gegeben, sagte de Maizière. Dies sei bereits ein großer Erfolg der Behörden von Bund und Ländern.

Drei Viertel der Ausländer, die 2016 abgeschoben wurden, kamen aus den Westbalkanstaaten. Dass Italien auch auf der Liste der wichtigsten Zielländer steht, liegt an den sogenannten Dublin-Fällen. Dabei geht es darum, dass Asylbewerber ihren Antrag eigentlich in dem ersten EU-Land stellen müssen, in dem sie ankommen.

Abgelehnte Asylbewerber werden zur Ausreise innerhalb von 7 bis 30 Tagen aufgefordert. Wer das nicht tut, wird abgeschoben.

Auch wenn der Innenminister die Zahl der Abschiebungen erhöhen will: Das Abschiebezentrum aus den roten Steinen in Schönefeld soll künftig nicht mehr dazu genutzt werden. Es steht in den kommenden Jahren vor dem Abriss – denn genau an diesem Ort will der Bund sein neues, eigenes Regierungsterminal am künftigen Großflughafen bauen, damit der bisherige Standort Berlin-Tegel aufgegeben werden kann. Doch der Termin dafür ist noch unklar.

Rochus Görgen, dpa