Um die verschuldete Air Berlin in der Luft zu halten, braucht man Kunstflieger-Qualitäten. Bald muss Airline-Chef Pichler wohl Strecken streichen. Wie lange kann das noch weitergehen? Berlin (dpa) – Eine Firma wie Air Berlin sei keine Gewinn- und Verlustrechnung. So hat das Airline-Chef Stefan Pichler kurz nach seinem Amtsantritt im Frühjahr formuliert. Doch ignorieren kann […]

Um die verschuldete Air Berlin in der Luft zu halten, braucht man Kunstflieger-Qualitäten. Bald muss Airline-Chef Pichler wohl Strecken streichen. Wie lange kann das noch weitergehen?

Berlin (dpa) – Eine Firma wie Air Berlin sei keine Gewinn- und Verlustrechnung. So hat das Airline-Chef Stefan Pichler kurz nach seinem Amtsantritt im Frühjahr formuliert. Doch ignorieren kann der 57-Jährige die Zahlen nicht. Es sind tiefrote, die der Kopf von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft zum Halbjahr präsentieren muss. Schon wieder. Und wieder muss sich ein Air-Berlin-Chef der Frage stellen, was das Unternehmen noch vor der Pleite retten kann.

Pichler versucht es – wie seine Vorgänger Wolfgang Prock-Schauer und Hartmut Mehrdorn auch – mit einem Konzernumbau: neues Management, weniger Kosten, mehr Einnahmen. Das ist nicht neu und hat in den vergangenen Jahren nicht den erhofften Erfolg gebracht. Immer wieder wurde vertröstet: Bald, bald werde alles besser. «Nach dem Sommer» gehe es los, sagt Pichler jetzt. Doch Experten glauben nicht an nachhaltige Besserung. «Saniert wird ja seit vielen Jahren», sagte Vermögensverwalter Georg Rankers bei n-tv. Die Problemzonen:

DAS GELD: Mit einer Ausnahme fliegt Air Berlin seit sieben Jahren Verluste ein. Auch im ersten Halbjahr 2015 blieben unter dem Strich Verluste von 247,6 Millionen. Zuletzt hatte Pichler für 2016 einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) in Aussicht gestellt. Jetzt verliert er darüber kein Wort mehr.

Ein finanzielles Polster hat Air Berlin schon lange nicht mehr: Das Eigenkapital lag Ende Juni bei minus 575 Millionen Euro. Das Wort Insolvenz will der neue Finanzchef Arnd Schwierholz trotzdem nicht hören. «Das hat damit nichts zu tun», betont er. Das Eigenkapital sei nur nach internationalen Bilanzierungsregeln negativ. Nach deutscher Rechnungslegung sei es bei den Gesellschaften positiv – «und das ist die wichtige Kennzahl».

DIE KOSTEN pro Sitzplatz und Flugkilometer sind im ersten Halbjahr 2015 nach oben gegangen. Zwar war Kerosin vergleichsweise günstig. Doch Air Berlin flog teure Flughäfen mit hohen Gebühren an. Auch die Personalkosten stiegen. Dazu kamen Kosten für die Umrüstung auf eine Flotte nur aus Airbus-Fliegern.

PASSAGIERE, TICKETS, STRECKEN: Große Hoffnung liegt auf höheren Ticketpreisen. Gepäck ist bereits teurer geworden. Das Flugangebot hat Air Berlin im ersten Halbjahr um acht Prozent geschrumpft. Bald fallen unrentable Ziele womöglich ganz weg. Weil die Zahl der Passagiere nicht so stark zurückgeht, wie die der angebotenen Plätze, steigt die Auslastung. Doch Gesundschrumpfen ist endlich.

Im GESCHÄFTSMODELL liegt laut Pichler «das Grunddilemma». Es stand schon mehrmals auf dem Prüfstand, doch blieb es bisher immer bei jenem entschiedenen «Jein» zwischen Europaflügen, Touristikgeschäft und Langstrecke. Air Berlin will gleichzeitig Billigflieger angreifen, Geschäftsreisende von der Lufthansa abwerben und ihre Position bei Urlaubsflügen verteidigen, mit denen sie groß wurde.

GEMEINSAME FLÜGE: Diesen wichtigen Einnahmeposten hat Air Berlin nicht selbst in der Hand. Die gemeinsam vermarkteten Flüge mit dem Großaktionär Etihad sind überlebenswichtig – stehen aber auf der Kippe. Das Abkommen über Landerechte mit den Vereinigten Arabischen Emiraten soll neu verhandelt werden. Gesprochen werde darüber im August, sagt Pichler. Ausgang ungewiss.

Auf die ARABER, also kräftige Finanzspritzen von Etihad, konnte sich Air Berlin bisher immer verlassen. Der Staatsairline vom Golf geht es nicht nur um Rendite, sondern auch um eine Tür zum europäischen Markt. Sollten die gemeinsamen Flüge nun eingeschränkt werden, könnten die Araber das Interesse verlieren. «Im Grundsatz unterstützt uns Etihad», betont Pichler. Doch von neuen Finanzspritzen sei erstmal nicht die Rede.