Lufthansa-Tochter Eurowings leistet sich einen eigenen Wartungsbetrieb für ihre 100 Flugzeuge umfassende Flotte. Doch das Engagement zahlt sich aus, wie Matthias Gruber, Geschäftsführer der Eurowings Technik GmbH, im Interview erklärt.

Eurowings betreibt eine Flotte von 100 Airbussen an 13 Standorten. Ein komplexes System, in dem die Wartung angesichts der im Vergleich zu Konkurrenten wie Ryanair oder Wizz Air älteren Flotte eine noch wichtigere Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit spielt. Zusätzlich gilt es, sich auf die Einflottung der Boeing 737 MAX vorzubereiten. Matthias Gruber, Vice President Technical Fleet Management und Geschäftsführer der Eurowings Technik GmbH, stellte sich dazu den Fragen von AERO-INTERNATIONAL-Mitarbeiter Kurt Hofmann.

Matthias Gruber, Geschäftsführer der Eurowings Technik GmbH.
Matthias Gruber leitet die Eurowings Technik GmbH und sorgt verantwortlich dafür, dass die Flotte der Lufthansa-Tochter bestens in Schuss ist. Bild: Eurowings Technik

AERO INTERNATIONAL: Eurowings hat 13 Standorte. Was bedeutet das logistisch für Eurowings Technik?

Matthias Gruber: Aus technischer Perspektive ist das natürlich eine komplexe Herausforderung. Wir bewältigen diese jedoch erfolgreich dank unseres professionellen und effizienten Technikbetriebs in Düsseldorf sowie der engen Zusammenarbeit mit unseren Partnern an den weiteren Stationen. Der umfassende Line Maintenance Check findet ausschließlich in Düsseldorf statt. So stellen wir sicher, dass jedes Flugzeug unserer Flotte durchschnittlich alle 52 Tage nach Düsseldorf kommt und dort einem sogenannten Module Check unterzogen wird. Dieser dauert etwa 80 bis 100 Mannstunden und wird über Nacht durchgeführt.

Die Checks umfassen unter anderem die Kontrolle von Flight Controls, Hydraulik, Fahrwerk, Kabine und Cockpit – es ist also eine sehr gründliche und individuell auf das jeweilige Flugzeug abgestimmte Prüfung. In Düsseldorf sind bei uns in der Eurowings Technik rund 120 Mitarbeitende tätig, in Köln etwa 185 inklusive der Planungsabteilung. In Düsseldorf sind aktuell 35 Eurowings-Flugzeuge stationiert und werden dort regelmäßig gewartet.

Warum 52 Tage?

Der Zeitpunkt des Modulchecks ergibt sich aus den Laufzeiten der im Check enthaltenen Wartungsaufgaben. Für uns bedeutet das: Jedes Flugzeug kommt ungefähr alle 52 Tage von einer Netzwerkstation nach Düsseldorf. Der große Vorteil dieses zentralisierten Ansatzes liegt darin, dass wir in Düsseldorf unsere Ressourcen effizient bündeln können – sei es bei Werkzeugen, Mechaniker-Qualifikationen oder Materialien. Sobald das Flugzeug nach dem Check wieder an eine Station unseres Netzwerkes überführt wurde, kann es bis zum nächsten Modulcheck ohne größere planbare Arbeiten operieren. Alle kleineren Wartungsarbeiten können auf den Netzwerkstationen problemlos abgearbeitet werden.

In diesem Winter werden 61 Flugzeuge einer Base Maintenance unterzogen?

Ja das stimmt. Die Anzahl der geplanten Checks ergibt sich vor allem aus dem Alter unserer Flotte. Nach dem Sommerflugplan stehen in dieser Wintersaison vier D-Checks, zwölf IL- Checks sowie 35 C1- und C2-Checks an. Die C1-Checks dauern in der Regel etwa zweieinhalb Wochen, die C2-Checks knapp drei Wochen. Der erste Base-Check startet am 27. Oktober, und die letzte Maßnahme wird voraussichtlich bis zur Kalenderwoche 14 im März des kommenden Jahres abgeschlossen sein.

Wir haben dafür zehn MRO-Linien parallel belegt – unter anderem bei Lufthansa Technik in Sofia und Budapest sowie bei Sabena in Perpignan und Heavytech in Madrid. Im Durchschnitt steht jedes Flugzeug für einen Check etwa zwei bis sechs Wochen am jeweiligen Standort. Die Neulackierungen erfolgen in Münster/Osnabrück. In dieser Saison sind zehn Flugzeuge für ein Repainting vorgesehen.

Eurowings Technik nutzt auch das Tool von Lufthansa Technik, Aviatar.

Das ist richtig. Aviatar ist eines unserer zentralen Werkzeuge, um den technischen Zustand der Flotte effizient und vorausschauend zu managen. Ein wesentliches Element ist das Electronic Technical Logbook, das die papierlose Dokumentation ermöglicht und damit Prozesse deutlich vereinfacht. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das Condition Monitoring: Hier werden Systeme in Echtzeit überwacht, um Probleme oder wiederkehrende Fehler frühzeitig zu erkennen. Auch Bauteile lassen sich gezielt analysieren, etwa hinsichtlich Abnutzung oder möglicher Ausfälle, sodass wir rechtzeitig reagieren können, bevor es zu einem AOG (Aircraft On Ground, Anmerk.- d. Red.) kommt.

Darüber hinaus nutzen wir KI-gestützte Analysen dokumentierter Beanstandungen. Mithilfe umfangreicher Vergangenheitsdaten lassen sich Muster erkennen und schneller Lösungen entwickeln. Das Herzstück von Aviatar ist das Control Center – die zentrale Oberfläche für unsere Kolleginnen und Kollegen im Maintenance Control Center sowie für die Techniker. Hier laufen alle Meldungen zusammen, etwa von den Crews, und dienen als Grundlage für die weitere Planung. Unsere Vision ist es, alle heutigen unplanbaren Ad-hoc-Beanstandungen Schritt für Schritt planbar zu machen und somit immer stärker zu einem pünktlichen Flugbetrieb beizusteuern.

Findet Eurowings Technik stets ausreichend Mitarbeiter?

Auch wenn der Markt für Flugzeugmechaniker insbesondere in Europa zunehmend angespannt ist, können wir bei Eurowings Technik sagen: Wir bekommen weiterhin ausreichend qualifizierte Bewerber für die Wartung. Jedes Jahr bilden wir fünf Nachwuchskräfte aus. Nach der theoretischen Ausbildung und den Grundschulungen kommen sie direkt zu uns in den praktischen Einsatz und werden dort Schritt für Schritt in die Abläufe eingeführt. Natürlich gibt es bei uns Fluktuation – das ist in der Branche normal. Aber: Die Fluktuation ist bei uns sehr gesund und gut steuerbar.

Wann ist ein Flugzeug zu alt, um es wirtschaftlich zu betreiben?

Unsere Flotte umfasst 100 Airbusse mit einem Altersbereich von etwa 1,3 bis knapp 24 Jahren. Wir beobachten, dass sich die Balance zwischen Zuverlässigkeit und Wartungskosten etwa ab dem zweiten IL-Check bzw. D-Check – also im Alter von rund 18 bis 20 Jahren – deutlich verschiebt. Ab diesem Punkt steigen die Instandhaltungskosten spürbar, während die technische Zuverlässigkeit sinkt. Das hat Auswirkungen, insbesondere im Vergleich zu Airlines im Low-Cost-Segment, die regelmäßig ältere Flugzeuge ausflotten und ihre Flottenstruktur entsprechend anpassen.

Wir setzen auf ein vorausschauendes Wartungskonzept und eine gezielte technische Steuerung, um auch ältere Flugzeuge effizient im Betrieb zu halten. Zudem treiben wir bei Eurowings mit der Einflottung der 7378 MAX 8 die größte Flottenverjüngung unserer Firmengeschichte voran.

Und alte Flugzeuge weiterzufliegen, kostet Geld.

Alte Flugzeuge weiter zu betreiben ist möglich – aber auch kostenintensiv. Ob sich das lohnt, hängt stark vom Flugprofil ab. Bei Eurowings fliegen wir point-to-point mit hoher Frequenz und vielen Flugstunden pro Tag. Das bedeutet eine starke Belastung für Fahrwerk, Struktur und Systeme. Unsere Flugzeuge sind nahezu rund um die Uhr im Einsatz – da muss man genau beobachten, wann der wirtschaftliche „Sweet Spot“ erreicht ist. Im Gegensatz dazu steht die Langstrecke: Dort gibt es deutlich weniger Starts und Landungen, was die Belastung auf bestimmte Komponenten reduziert. Dennoch ist klar: Je älter ein Flugzeug wird, desto höher sind die Wartungskosten – und desto kritischer wird die Frage nach der Wirtschaftlichkeit im jeweiligen Einsatzprofil.

Und wie steht es bei der Ersatzteilbeschaffung um die Lieferketten?

Mit Lufthansa Technik sind wir sehr gut aufgestellt – insbesondere beim Materialmanagement. Natürlich gibt es Herausforderungen, vor allem bei älteren Flugzeugmodellen, bei denen bestimmte Bauteile nicht mehr so einfach verfügbar sind. Aber insgesamt haben wir sehr wenige Probleme und ein starkes, vorausschauendes Materialmanagement. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist unsere analytische Stärke: Wir nutzen umfangreiche Vergangenheitsdaten, um präzise zu planen – etwa was gebraucht wird, wann und in welchen Mengen eingekauft werden muss. Und wenn es doch einmal eng wird, profitieren wir von der engen Zusammenarbeit innerhalb der Lufthansa Group. In solchen Fällen hilft man sich gegenseitig – schnell und unkompliziert.

Und was bedeutet die Einführung der 737 MAX 8 konkret für die Technik bei Eurowings?

Für uns bei Eurowings Technik beginnt mit der Einführung der 737 MAX 8 eine sehr intensive Vorbereitungsphase. Sobald die Entscheidung gefallen war, haben wir begonnen, unsere gesamte Organisation auf das neue Muster vorzubereiten. Das heißt: Schulungen für alle technischen Bereiche, neue IT-Systeme, Ersatzteilbeschaffung und die Auswahl geeigneter Partner für Wartung und Reparatur – sowohl für Line als auch Base Maintenance. Parallel dazu sind wir auch in die Bauaufsicht bei Boeing eingebunden, um sicherzustellen, dass wir genau das Flugzeug bekommen, das wir bestellt haben.

Wenn die Maschinen dann bei uns eintreffen, zahlt sich dieser Aufwand aus. Neue Flugzeuge bedeuten für die Technik vor allem eines: weniger Wartungsaufwand, höhere Zuverlässigkeit und damit auch geringere Kosten. Das wirkt sich direkt auf unsere operative Performance aus – etwa durch mehr Pünktlichkeit und letztlich auch durch wettbewerbsfähigere Preise für unsere Kunden.

Was zeichnet die 737 MAX 8 technisch aus?

Auch wenn die 737 MAX 8 auf einem älteren Design basiert, steckt in ihr jede Menge moderne Technologie. Boeing hat über die Jahre konsequent weiterentwickelt – sowohl außen als auch innen. Ein Beispiel ist das Glasfaser-Netzwerk an Bord, das ursprünglich für die 787 entwickelt wurde. Das ist sogar fortschrittlicher als bei unseren A320neo. Die LEAP-Triebwerke kennen wir bereits vom Airbus und sind mit deren Zuverlässigkeit sehr zufrieden. Und im Cockpit gibt es mittlerweile Touchscreens.

Und was bedeutet das für den Betrieb und die Passagiere?

Für unsere Gäste bringt die 737 MAX 8 ein echtes Upgrade. Das Sky Interior mit LED- Beleuchtung und größeren Gepäckfächern sorgt nicht nur für ein modernes Erscheinungsbild, sondern auch für schnelleres Boarding und weniger Diskussionen um Handgepäck. Die Sitze werden USB-C Anschlüsse haben, und wir bringen Features zurück, die unsere Kunden schätzen – zum Beispiel die Sitztaschen. Auch Internet an Bord wird es geben. Wir haben beim Kabinendesign sehr bewusst auf das Feedback unserer Passagiere gehört. Und auch unsere Crews sind eingebunden – erst kürzlich hatten wir einen Workshop mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Flugbetrieb, die uns sehr positives Feedback zu den bisherigen Plänen gegeben haben.

Mehr Platz in den Bordküchen bedeutet für sie nicht nur angenehmeres Arbeiten, sondern auch mehr Flexibilität bei der Beladung – gerade auf längeren Strecken. Insgesamt machen wir mit der 737 MAX 8 einen großen Schritt nach vorne – für unsere Technik, unsere Crews und unsere Gäste. Der Aufwand ist hoch, aber wir sind überzeugt: Er lohnt sich.