Das Fürstentum ist zu klein, um auf eigenem Territorium Platz für einen Flughafen bereitstellen zu können. Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Andorra mit seinem aviatischen Tor ins benachbarte Spanien ausgewichen ist.

Es gleicht dem Märchen von Dornröschen: Vier Jahrzehnte lang lag der Flughafen Andorra-La Seu d’Urgell (IATA-Code: LEU) abseits des kommerziellen Linienflugverkehrs verschlafen irgendwo in den Pyrenäen. Allenfalls vereinzelt fanden Charterflüge statt, doch von regelmäßigen Verbindungen zu großen europäischen Drehkreuzen konnte das Fürstentum nur träumen. Bis zum 17. Dezember 2021. Die spanische Air Nostrum startete mit regelmäßigem, subventioniertem Flugverkehr zwischen Madrid-Barajas und LEU und küsste den Zwergenstaat somit aviatisch wach.

Flughafen Andorra: Bis 2021 gab es nur vereinzelt Charterflüge

Andorra, zwischen Frankreich und der Iberischen Halbinsel in einem Hochtal gelegen, ist ein etwa 468 Quadratkilometer großer Mikrostaat. Als sogenannte Steueroase beschert es dem Land eine große Zahl von Tagestouristen, die zum einkaufen, hauptsächlich von Alkohol und Zigaretten, in das unabhängige Fürstentum kommen. Andorra ist aber auch für seine Skiresorts bekannt und beliebt. Mehr als ein Drittel des Landes liegt oberhalb der Waldgrenze. Der höchste Berg ist mit 2942 Metern der Coma Pedrosa, nicht weniger als insgesamt 65 Berggipfel sind höher als 2000 Meter.

Die mit 1300 Metern Länge recht kurze Start- und Landebahn erlaubt nur eingeschränkten kommerziellen Linienflugverkehr.

Dieser geografischen Situation ist auch das Nichtvorhandensein eines eigenen Flughafens auf eigenem Territorium geschuldet: Es gibt praktisch keinen Platz dafür. Die wenigen verfügbaren Flächen sind bereits bebaut, dienen anderen wirtschaftlichen Interessen oder sind schlichtweg für die Luftfahrt ungeeignet.

Was blieb den Andorranern also anderes übrig, als sich in den benachbarten Grenzregionen umzusehen? Im spanischen La Seu d’Urgell, zwölf Kilometer südlich der Landesgrenze gelegen, wurden sie fündig. Auf dem Bergplateau Ensiula war nicht nur ein geeignetes Areal, sondern bereits rudimentäre Infrastruktur vorhanden.

Der Flughafen Andorra war ab 1980 betriebsbereit

Die Anfänge der Luftfahrt gehen hier auf das Jahr 1931 zurück. Jaume Nadal kaufte ein Flugzeug des französischen Herstellers Henri Farman und gründete eine Fluggesellschaft für Linienflüge zwischen Barcelona und Andorra. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Flugplatz noch eine unbefestigte Start- und Landebahn. 1932 wurden ein Hangar und ein Terminal errichtet. Nach dem Tod von Nadal wurde der Betrieb jedoch eingestellt, weil die Erben die Fluggesellschaft nicht weiterfinanzieren wollten.

So lag es schließlich am Unternehmer und Luftfahrtenthusiasten Joseph Betriu, mithilfe der Bank Desarrollo del Alto Urgel einen zeitgemäßen Flughafen zu errichten. Und auch die Start- und Landebahn erhielt zunächst auf einer Länge von 1300 Metern einen festen Belag. 1980 waren die Baumaßnahmen abgeschlossen, und der Flughafen war betriebsbereit. Aufgrund des Zulassungsverfahrens verzögerte sich jedoch die Inbetriebnahme.

Im Jahr 1984 wurde der Flughafen Andorra für kommerzielle Flüge geschlossen

1982 erfolgte schließlich die Eröffnung mit einem Flug der Fluggesellschaft Aviaco nach Barcelona. Obwohl Aviaco weitere Verbindungen nach Madrid und zu französischen Zielen geplant hatte, musste aufgrund der mangelnden Wirtschaftlichkeit der Liniendienst erneut eingestellt werden. Der Flughafen wurde 1984 für kommerzielle Flüge geschlossen. Operative Probleme im Zusammenhang mit ungünstigen Wetterbedingungen und Fluggastmangel sowie der Ausbau der Straße von Barcelona nach Andorra waren einige der Gründe. Hinzu kamen gewisse Spannungen in den Beziehungen zwischen dem spanischen Katalonien und Andorra.

Das unabhängige Fürstentum Andorra gilt als Steuerparadies und ist somit Magnet für Shoppingtouristen. Foto: Lutz Schönfeld

Der Flughafen Andorra war jedoch grundsätzlich für Flugsport und Helikopterflüge einsatzbereit. 2007 kaufte die katalanische Regierung die Anlage für acht Millionen Euro und schloss sie zunächst vollständig aus Sicherheitsgründen, da die Infrastruktur nicht den aktuellen Erfordernissen entsprach. Das Unternehmen Aeroports de Catalunya, gefördert von der katalanischen Regierung, investierte in die Sanierung des Standortes, um ihn als Privatflugplatz wiederzueröffnen. Am 4. Juni 2010 wurde die Anlage schließlich für die Allgemeine Luftfahrt erneut nutzbar und diente weiterhin für Rettungsflüge.

Flughafen Andorra-La Seu d’Urgell: Im Oktober 2011 erste Testflüge mit ATR 72

Im Jahr 2012 kam endlich wieder Bewegung in die Entwicklung des Standortes. Am 27. Juni 2012 beschlossen die beteiligten Regierungsstellen, die Infrastruktur zu ertüchtigen und den Flugbetrieb auszubauen. Dem Tourismus und der wirtschaftlichen Entwicklung der Bergregion sollte zu neuem Wachstum verholfen werden.

Als Vorbereitung der Betriebsaufnahme wurden im Oktober 2011 Testflüge mit ATR 72 durchgeführt. Es dauerte jedoch noch bis zum Januar 2015, bis der Flughafen Andorra-La Seu d’Urgell seine Tätigkeit als Verkehrsflughafen aufnehmen konnte. Seit diesem Zeitpunkt können offiziell wieder private sowie, in begrenztem Umfang, kommerzielle Verkehrsflugzeuge in LEU landen. Darüber hinaus stand der Platz der Business Aviation und Lufttaxi-Unternehmen zur Verfügung.

Es gibt einen eigenen Technikbetrieb am Flugplatz Andorra

Diesen Vorzug erkannten speziell Reisende, die sehr zeitsensibel unterwegs sind sowie auch Unternehmen mit zeitkritischen Warentransporten. Im Juli 2015 erfolgten die ersten kommerziellen Charterflüge mit ATR 72-500 der Swiftair. 2018 erweiterten Charterflüge nach Madrid, Marseille sowie Palma de Mallorca in der Sommersaison den Flugplan des Pyrenäen-Airports. Doch auch technisch wurde aufgerüstet: Am 23. April 2020 konnte ein neues, GPS-basiertes IFR-Navigationssystem in Betrieb genommen werden, das erste in Spanien. Dies ermöglicht regelmäßigen Flugbetrieb auch bei schwierigen Wetterverhältnissen.

Zwischen 2019 und 2021 verzeichnete LEU einen sprunghaften Anstieg der Abfertigung kleinerer Flugzeuge der Business Aviation. Neue Unternehmen siedelten sich am Flughafen an, unter anderem die Firma Helitrans Pyrinees mit ihrem Hauptsitz und einer Basis für Rettungshubschrauber. Mit einer am Airport stationierten Flotte von AS350B3, AS355N und EC135 werden neben Rettungsflügen und Brandbekämpfung aus der Luft auch sämtliche in der Gebirgsregion anfallende Transportflüge durchgeführt – beispielsweise für die Belieferung der Schutzhütten und den Transport von Baumaterial.

Helitrans Pyrinees betreibt am Flughafen unter anderem Helikopter vom Typ Bell 429 für die Waldbrandbekämpfung und Rettungsflüge. Foto: Lutz Schönfeld

Ein eigener Technikbetrieb nach Part 145 erledigt die erforderlichen Wartungsarbeiten, eine Flugschule sorgt für das benötigte fliegende Personal. Mit der Firma Vol la Plana bietet eine Flugschule am Platz Ultraleichtlehrgänge sowie Rundflüge für Touristen an. Weitere Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor rund um die Luftfahrt folgten, so dass sich LEU schnell zu einem Wirtschafts- und Ansiedlungsfaktor für die Region entwickelte.

Die Start- und Landebahn ist mit 1300 Metern sehr kurz

Der 17. Dezember 2021 war der bisherigen Höhepunkt in der Geschichte des Flughafens: Air Nostrum begann mit regelmäßigem, subventioniertem Flugverkehr zwischen Madrid und LEU. Zum Einsatz kommen ATR 72-600 jeden Freitag und Sonntag. Aufgrund der mit 1300 Meter recht kurzen Start- und Landebahn wurde die Kapazität jedoch auf 50 Passagiere begrenzt. Beworben wird die Strecke mit den hervorragenden Anschlussverbindungen in Madrid-Barajas zu mehr als 80 Destinationen – und umgekehrt mit der Wintersportregion Andorra.

Die spanische
Regionalfluggesellschaft Air Nostrum verbindet seit Dezember Andorra mit dem Iberia-Hub Madrid-Barajas.
Zum Einsatz kommen dabei ATR 72-600. Foto: Lutz Schönfeld

Auch für dieses Jahr hat Flughafendirektor Oscar Madrid Morales schon große Pläne, wie er gegenüber AERO INTERNATIONAL erklärt. So soll eine stromsparende Flugplatz- und Vorfeldbeleuchtung installiert werden. Auch die Flughafenfahrzeuge werden, dem Trend der Zeit folgend, auf Elektromobilität umgestellt. Ladestationen für Elektroautos kommen hinzu. Ein Waldbewirtschaftungsplan soll das Gebiet rund um die Flughafeninfrastruktur aufwerten.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es tatsächlich auf dem Territorium des kleinen Bergstaates Andorra einen Heliport mit Hangar und stationiertem Helikopterunternehmen gibt: die Firma Heliand S.A. in La Massana (Heliport Terra Guindaldes), nördlich der Hauptstadt Andorra la Vella gelegen. Mit zwei eigenen Helikoptern vom Typ H125 und Bell 429 widmet sich das 1987 gegründete Unternehmen Dienstleistungen in schwer zugänglichen Bereichen (Wald, Forst, Industrie) sowie Tourismus- und
Passagierflügen (Fotoflüge, Sightseeing, Wintersport).

Autor: Lutz Schönfeld