Die Lufthansa hat die Corona-Krise genutzt, um sich effizienter und fokussierter aufzustellen. Nun kann wieder kräftig investiert werden, um den Ansprüchen der Zukunft nachhaltig zu genügen.

Mehr als anderthalb Jahre ist es her, dass Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, auf der virtuell durchgeführten 69. Hauptversammlung des Konzerns Prioritäten für die Zukunft proklamierte. Und Jens Ritter, zu jenem Zeitpunkt erst seit wenigen Wochen als CEO der Kernmarke Lufthansa im Amt, konnte bereits im Frühling dieses Jahres, parallel zum 70. Zusammentreffen der Aktionäre, erste Häkchen auf der Agenda melden.

Neues Allegris-Konzept soll überzeugen

Dank der Allegris-Kabinen wird Lufthansa Airlines auf der Langstrecke ab Ende des Jahres beziehungsweise Anfang 2024 für ein Reiseerlebnis auf Premium-Level sorgen, das den Vergleich mit den Wettbewerbern nicht mehr scheuen muss. Und die bereits laufende Flottenmodernisierung ist ein wichtiger Schritt auf dem versprochenen Weg zu einem nachhaltig umweltfreundlicheren Kranich, der seine CO2-Emissionen bis 2030 signifikant senken und ab 2050 klimaneutral unterwegs sein möchte.

Dafür nimmt Europas größte Luftfahrtgruppe – zu der außerdem noch Swiss, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings oder Discover Airlines gehören – enorme Summen in die Hand: 2,5 Milliarden Euro fließen bis 2025 in Produkt und Services. Weitere zwei Milliarden Euro pro Jahr kostet die Flottenerneuerung mit 200 fabrikneuen Kurz-, Mittel- und Langstreckenflugzeugen, wovon vorrangig das 1953 (neu-)gegründete Traditionsunternehmen profitieren dürfte.

Lufthansa spürt Erholung nach Corona-Pandemie

Lufthansa spürt nach harten, von der Corona-Pandemie geprägten Jahren also kräftigen Rückenwind. Vorbei sind die existenziellen Sorgen, die noch im Jahr 2020, im ersten Coronajahr, das Unternehmen quälten. Lockdowns prägten das Geschehen. Niemand flog mehr – wohin auch, bei geschlossenen Grenzen. Flugzeuge standen über Monate am Boden. Lufthanseaten mussten in Kurzarbeit gehen, doch das rettete wenigstens das Gros der Arbeitsplätze, aktuell sind es bei der Kernmarke 35.462.

In diesem Jahr reaktiviert Lufthansa vier, im kommenden Jahr weitere zwei A380 für den Einsatz. Doch dieser Schritt stellt lediglich eine Übergangslösung dar.

Und der deutsche Staat musste dem Konzern darüber hinaus finanziell unter die Arme greifen. Doch bereits im November 2021, nach dem erfolgreichen Abschluss einer Kapitalerhöhung, konnte die Lufthansa Group die vollständige Tilgung der rückzahlbaren Stabilisierungsmittel melden. Das Paket sah ursprünglich Unterstützungen und Kredite im Rahmen von bis zu neun Milliarden Euro vor, von denen das Unternehmen insgesamt jedoch nur rund 3,8 Milliarden Euro in Anspruch genommen hatte.

Geschäftsjahr 2022 mit erfolgreichem Abschluss

Mit festerem Boden unter den Füßen konnte das Geschäftsjahr 2022 angegangen werden, und das stand dank mittlerweile höherer Nachfrage nach Flugreisen und effizienter aufgestellter Unternehmensstrukturen tatsächlich wieder für Aufschwung. „Die Lufthansa ist zurück. In nur einem Jahr ist uns ein nie zuvor erreichter finanzieller Turnaround gelungen“, brachte es Carsten Spohr noch im März auf den Punkt und verwies auf die Zahlen: Die Lufthansa Group bilanzierte bei einem Umsatz von insgesamt 33 Milliarden Euro einen operativen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro.

Die A350-Flotte der Lufthansa ist komplett in München stationiert.

Allein die namensgebende Kernmarke transportierte gemeinsam mit den Regionalpartnern Lufthansa CityLine und Air Dolomiti sowie Eurowings Discover 51,8 Millionen Passagiere und generierte damit einen Umsatz von 13,2 Milliarden Euro. Allerdings musste unterm Strich ein operativer Verlust in Höhe von 432 Millionen Euro verbucht werden, nicht zuletzt wegen der massiv gestiegenen Treibstoffkosten.

Vorsichtiger Optimismus bei Lufthansa trotz neuer Sorgen

Dennoch ist Ritter zuversichtlich. dass der Carrier 2023 in die schwarzen Zahlen zurückkehren wird. Zu gut sei aktuell die Buchungslage, zu groß die Nachfrage. Allerdings kehrt der Airlinechef potenzielle Risiken nicht unter den Tisch: Da ,,sind die großen Unbekannten, die uns als Airline-Industrie treffen könnten. Ist es eine Energieknappheit? Sind es steigende Ölpreise? Was geschieht in China und Taiwan? Wie geht’s im Ukraine-Krieg weiter? Und hält die Nachfrage an?“ Vorsicht sei schon angebracht. Außerdem gelte es erst einmal, in diesem Sommer gut zu performen.

Die Chaostage zur Hauptreisezeit 2022 haben viele noch in schlechter Erinnerung. Insgesamt bedient die Lufthansa in diesem Sommer mehr als 200 Ziele weltweit das sind fast so viele Destinationen wie vor der Pandemie. Kapazitätsmäßig werden bereits wieder 82 Prozent des Vorkrisenniveaus angeboten, geht Ritter ins Detail.

Lufthansas A380 fliegt wieder

Unter anderem tauchen erneut das japanische Osaka und Mexiko-Stadt ab der Isar im Langstrecken-Flugplan auf. Beide Destinationen werden mit A350-900 bedient. Alle 21 Exemplare dieses modernen Airbus-Musters hat der Kranich im Erdinger Moos stationiert. Und dorthin wurde am 12. April auch die erste der mittlerweile reaktivierten A380 des Carriers überführt, die doch eigentlich keine Zukunft mehr im Unternehmen haben sollten.

Die erste Boeing 777-9 für Lufthansa ist bereits im Bau und wird 2025 erwartet.

Drei weitere A380 folgten im Laufe des Jahres und zwei weitere werden 2024 ebenfalls in München eine vorübergehende Heimat finden. Die ersten Ziele heißen Boston und New York-JFK, weitere folgen, und zwar ebenfalls in Nordamerika und Asien. „Da stehen einige Destinationen zur Auswahl. So fliegen wir ab dem Winterflugplan unter anderem Bangkok an“, verrät der Airlinechef. Der zweite Frühling des Riesenairbusses – sowie auch der der A340-600 – sei laut Ritter jedoch „eine Brückenlösung“. Sie sind Lückenbüßer, weil sich die Auslieferung fabrikneuer Flugzeuge verspätet. Drei, vielleicht vier Jahre – länger werden zumindest die Doppelstöcker aus heutiger Sicht nicht fliegen, glaubt Ritter. Deshalb sei der Einbau der Allegris-Sitze in die A380, Stand heute, eher unwahrscheinlich. Fest stehe, „dass wir unsere Flottenmodernisierung fortsetzen, und damit der Einsatz der A380 begrenzt ist“.

Warten auf Boeings 777-9

Wäre alles nach Plan verlaufen, dann stünden die ersten der erwarteten Boeing 777-9 der Lufthansa längst auf dem Vorfeld in Frankfurt. Doch der US-amerikanische Hersteller kommt mit der Zulassung seines neuesten Modells einfach nicht voran. Und so muss sich der Erstkunde Kranich in Geduld üben. Stand heute wird das erste Flugzeug 2025 an Lufthansa übergeben. Darüber hinaus sollen die A350- sowie die Dreamlinerflotten der Kernmarke weiter wachsen. 22 zusätzliche Maschinen beider Typen hat die Lufthansa Group erst Anfang März bestellt.

Insgesamt erhält der Konzern in den kommenden Jahren 108 Langstreckenflugzeuge modernster Bauart, von denen etliche bei der Kernmarke unterkommen werden. Die Flottenneuzugänge ersetzen ältere Typen, mittelfristig gar ganze Teilflotten: Boeing 747-400 oder A340-300 und -600 werden in den Ruhestand geschickt.

Lufthansa setzt auf die A320

Für die Kurz- und Mittelstrecken setzt Lufthansa weiterhin auf Flugzeuge der A320-Familie. Rund 90 Airbusse hat die Group bestellt. Die Kernmarke sieht sich allerdings auch anderweitig um: „Wir denken gerade sehr intensiv über die Weiterentwicklung der CityLine und über eine Neuaufstellung der Kurzstreckenflotte nach. Da gibt es neue Technologien am Markt, sei es Embraer E2 oder A220. In den nächsten Monaten werden wir eine Entscheidung treffen“, kündigt Ritter an.

Stehen sämtliche 28 CRJ900 zur Disposition? Nun, „wichtig ist, dass wir die richtige Kapazität für unsere kleineren Märkte haben, und da sind die A220, die ja fast schon der Größenordnung der Airbus A319 entsprechen, oder die größere Embraer teilweise schon zu groß.“ Lufthansa prüfe genau, welches moderne, zu ihr passende Gerät im Segment der 100-Sitzer auf dem Markt sei. „Der Zubringerverkehr hat sich in Pandemiezeiten verändert und ist elementar für unser Hubsystem.“

In diesem Zusammenhang wird auch eine Ausweitung der Kooperation mit der Deutschen Bahn angestrebt. „Wir führen bereits sehr konkrete Gespräche. Frankfurt mit sei- nem Fernbahnhof bietet sich dafür ja regelrecht an. Aber wir müssen sicher sein, dass es das richtige Produkt für unsere Kunden darstellt, die beispielsweise von Düsseldorf nach Singapur reisen“, so Ritter. Die Qualität müsse bei einem Premiumcarrier einfach stimmen. Doch zusammen „mit der großen Professionalität, der Kompetenz und der Erfahrung“ sieht Ritter den Kranich für die kommenden Jahre „sehr gut aufgestellt“.