Spirit Airlines musste zum zweiten Mal in weniger als einem Jahr Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragen. Hat der Low-Cost-Carrier aus den USA jetzt noch eine Zukunft?

Noch vor Monaten galt die US-amerikanische Spirit Airlines als potenzielle Übernahmekandidatin. Frontier, das ist der Carrier mit den Tieren auf dem Leitwerk, hatte sein Interesse an der quittegelb daherfliegenden No-Frills-Airline deutlich bekundet, etwas später ebenso JetBlue. Doch im ersten Fall, 2022, stimmten Spirits Aktionäre gegen eine Fusion, 2024 verhinderte das US-Kartellrecht den zweiten angedachten Deal.

Am 29. August kündigte Spirit Airlines nun an, erneut Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragen zu müssen. Das ist ein gerichtlich überwachtes Sanierungs- beziehungsweise Reorganisationsverfahren und im Insolvenzrecht der USA verankert. Dabei hatte Spirit ein erstes Verfahren erst im März dieses Jahres abgeschlossen.

Was möchte Spirit im zweiten Insolvenzverfahren erreichen?

Im Rahmen der Umstrukturierung will das Unternehmen ersten Aussagen zufolge sein Streckennetz optimieren. Spirit wird sich auf wichtige Märkte konzentrieren, um mehr Ziele, Frequenzen und verbesserte Verbindungen in seinen Schwerpunktmärkten anzubieten. Der Carrier wird außerdem seine Präsenz an bestimmten Flughäfen reduzieren.

Spirit plant darüber hinaus, die Flotte zu verkleinern, um die Kapazität in Einklang mit dem neu formierten Streckennetz zu bringen. Damit, so hofft die Airline, wird sie die Schulden und Leasingverpflichtungen erheblich senken und voraussichtlich mehrere hundert Millionen US-Dollar pro Jahr einsparen. Denn es gilt, generell weiter an der Kostenstruktur zu drehen. Spirit sucht zusätzliche Effizienzsteigerungsoptionen im gesamten Unternehmen.

Was sagen Branchenkenner zur Spirit-Insolvenz?

Die erneute Zahlungsunfähigkeit der Spirit gibt laut John Grant, Chef-Analyst des britischen Datenanbieters OAG, „Anlass zu großer Sorge“. Er stellt die Frage in den Raum, ob „Spirit das Opfer schlechten Timings, fehlerhafter strategischer Entscheidungen oder eines schwachen ersten Chapter-11-Verfahrens“ war?

OAG-Chefanalyst John Grant
John Grant ist beim britischen Datenanbieter OAG Chefanalyst und hat sich jetzt eingehend mit der insolventen US-amerikanischen Spirit Airlines beschäftigt. Bild: OAG

Er erinnert daran, dass der Himmel für Spirit über viele Jahre hinweg kaum Grenzen zu haben schien. Zwischen 2000 und 2014 betrug die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Airline laut der OAG vorliegenden Daten elf Prozent, von 2014 bis 2019 stieg sie sogar auf 18 Prozent an. Doch diese aggressive Expansion, die eigentlich in der Natur von Low-Cost-Airlines liege, habe Spirit insbesondere in der Pandemie (ab 2020) anfällig gemacht, waren die Barreserven doch aufgrund der massiven Flottenerweiterung schnell aufgebraucht.

Welche Probleme plagen Spirit Airlines?

Zudem bereiteten zuletzt die geografische Konzentration der Aktivitäten sowie der zunehmende inländische Wettbewerb Probleme. Spirit war schon immer eine Fluggesellschaft aus Florida, die sich zunächst auf die wichtigsten Märkte der Ostküste konzentriert und drei Viertel ihrer Kapazitäten zwischen New York, New Jersey und Florida eingesetzt habe, heißt es seitens der OAG.

Die starke Fokussierung auf drei Märkte erwies sich als Grundlage für das spätere Wachstum. Doch genau das stellte sich auch als Herausforderungen dar, denn die Netzwerkerweiterung und der Eintritt in neue Märkte führten dazu, dass Spirits Kapazitätsanteil in ihren drei Kernstaaten bis 2016 auf 28 Prozent sank. JetBlue und Southwest erhöhten im Gegenzug ihre Marktmacht zwischen Florida und New York um 45 Prozent.

Wie groß ist das Streckennetz der Spirit?

Außerdem konnte zuletzt von einer effizienten Netzwerkstrategie kaum noch die Rede sein, so Grant. Die OAG hat nachgerechnet: 2010 habe Spirit 61 Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bedient, 2024 seien es bereits 430 gewesen. Die Folge: Die meisten Strecken standen nur selten im Flugplan – mehr als die Hälfte mit weniger als einem Flug pro Tag. Das habe den Betrieb wenig effizient und anfällig für den Wettbewerb gemacht.

Und last but not least: Die große Abhängigkeit vom Geschäft mit den Freizeitreisenden in Verbindungen mit einem generellen Nachfrageeinbruch innerhalb der USA seien für Spirit besonders nachteilig, sagt Grant. 85 Prozent ihrer Kapazitäten setze Spirit im Inland ein – ein Markt, der seit einiger Zeit schwächelt. Dazu komme jetzt aber noch der verstärkte Wettbewerb durch Fluggesellschaften wie Frontier, die bis 2026 immerhin 32 zusätzliche Flugzeuge erhalten wird, während Spirit nur drei neue Maschinen erwartet.

Hat Spirit Airlines noch eine Zukunft?

Grant betont, dass Spirit jetzt mehrere wichtige strategische Langzeitoptionen sorgfältig abwägen muss, während sie gleichzeitig ihre Einnahmensituation und einige zunehmend selbstbewusste Wettbewerber im Auge behalten sollte. Niemand wolle eine so große Airline scheitern sehen. „Aber wenn keine überzeugende neue Strategie auf den Tisch kommt und sich die Wirtschaftsindikatoren auf dem US-Inlandsmarkt nicht ändern, könnte genau das passieren“, so der OAG-Chef-Analyst warnend.