Landebahn in Frankfurt bleibt umstritten

Frankfurt/Main Selten hat ein Stück Beton eine Region so geteilt wie die vor einem Jahr eröffnete neue Landebahn am Frankfurter Flughafen. Dessen Ausbau geht ebenso ungebremst weiter wie die Proteste lärmgeplagter Bürger. Es sind nur 2800 Meter Betonpiste im Süden von Frankfurt – doch die vor einem Jahr eröffnete Landebahn am größten deutschen Flughafen teilt […]
Frankfurt/Main
Selten hat ein Stück Beton eine Region so geteilt wie die vor einem Jahr eröffnete neue Landebahn am Frankfurter Flughafen. Dessen Ausbau geht ebenso ungebremst weiter wie die Proteste lärmgeplagter Bürger.
Es sind nur 2800 Meter Betonpiste im Süden von Frankfurt – doch die vor einem Jahr eröffnete Landebahn am größten deutschen Flughafen teilt eine ganze Region. Trotz des erstmaligen Nachtflugverbots: Der Flugbetrieb hat tausende Bürger auf die Barrikaden getrieben und könnte die Landtagswahl Ende 2013 in Hessen entscheiden. Während Flughafenbetreiber Fraport den Ausbau der Drehscheibe vorantreibt, hadert die Lufthansa mit der strikten Nachtfluggrenze, investiert aber weiter in ihren zentralen Standort.
Als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 21. Oktober 2011 mit einem Regierungs-Airbus die vierte Bahn in Frankfurt eröffnete, waren die Grundkonflikte sämtlich schon angelegt. Doch während die Lufthansa bereits hinter den Kulissen versuchte, das gerade verhängte Nachtflugverbot aufzuweichen, war vielen Bürgern in den Einflugschneisen noch nicht klar, was sich künftig jeden Tag über ihren Köpfen abspielen würde. Rund die Hälfte der jährlich mehr als 240 000 Landungen in Frankfurt geht auf die neue Bahn. Und es sollen noch deutlich mehr werden.
«Die Bahn muss weg!» lautet also der Schlachtruf der Wutbürger aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet, die sich seit einem Jahr fast jeden Montag im Hauptterminal des Flughafens treffen. Sie verlangen eine Ausweitung des höchstrichterlich bestätigten Nachtflugverbots, das derzeit die Zeit zwischen 23.00 und 05.00 Uhr umfasst, um zwei Stunden.
Die Zahl der Flugbewegungen sollte nach ihrem Willen von derzeit rund 490 000 auf künftig nur noch 380 000 pro Jahr beschränkt werden. «Dafür müssten alle Flüge zu Zielen wegfallen, die innerhalb von vier Stunden mit der Bahn zu erreichen sind. Das halten wir für vertretbar», sagte die Sprecherin der Bürgerinitiativen, Ingrid Kopp. Fraport plant hingegen mehr als 700 000 Starts und Landungen im Jahr. Die Zahl der Passagiere soll von zuletzt rund 56 Millionen auf über 90 Millionen pro Jahr steigen.
Die Protestler lassen keinen Zweifel daran, dass sie ihre Aktionen bis zur Landtagswahl Ende 2013 fortsetzen werden. «Wir werden unsere starke Macht im Wahljahr nutzen und nur echte Volksvertreter unterstützen», kündigt Kopp an. Bewegung erwarten die Initiativen insbesondere von der oppositionellen SPD, die mit einem flughafenkritischen Kurs bereits die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt gewonnen hat. Am Jahrestag versammeln sich die Fluglärmgegner zu einer Kundgebung am Zaun der verhassten Piste. «Die Bahn muss weg!» wird es auch am kommenden Sonntag wieder heißen.
Die CDU/FDP-Landesregierung um Ministerpräsident Volker Bouffier ist seit ihrer krachenden Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht um Schadensbegrenzung bemüht. So wurden die Mittel für den passiven Schallschutz auf 335 Millionen Euro aufgestockt. Die Fraport hat in ihrem ebenfalls ausgeweiteten Casa-Programm bereits 114 Immobilien im besonders lärmgeplagten Gebiet aufgekauft. Die Leipziger Richter kassierten in ihrem Urteil vom April die von Bouffier-Vorgänger Roland Koch entgegen früherer Versprechen genehmigten Ausnahmen vom Nachtflugverbot und begrenzten den Verkehr in den Nachtrandstunden.
Die 23-Uhr-Grenze wurde dabei so strikt gefasst, dass regelmäßig voll beladene Jets wieder ans Terminal zurückrollen und ausladen müssen. «Wir schicken unsere Passagiere jeden Abend ins Nirwana», hat Lufthansa-Vorstand Kay Kratky geklagt. Weit über 20 000 Passagiere aus 175 gestrandeten Maschinen haben laut Fraport seit Oktober 2011 unfreiwillig eine Nacht in Frankfurt verbracht. «Dafür haben tausende Bürger eine ruhige Nacht gehabt», entgegnet Kopp kühl und sieht die Verantwortung bei den Managern von Fraport und den Airlines, die sich lange genug auf die Situation hätten einrichten können.
Die Lufthansa ist zwar froh über die neuen Pünktlichkeitswerte, mit denen Frankfurt in die weltweite Spitzenliga zurückkehrt, knabbert aber an der im internationalen Vergleich unüblich strikten Nachtfluggrenze. «Frankfurts Ruf leidet, die Nachtflugregelung ist für die Luftfahrt geschäftsschädigend», heißt es im jüngsten Politikbrief der Airline. Bei der Fracht hat die Kranichlinie den zwischenzeitlich angedrohten Weltuntergang wieder abgesagt. Vor wenigen Wochen teilte das Unternehmen mit, das zwischenzeitlich auf Eis gelegte Frachtzentrum nun doch bauen zu wollen, ungeachtet des kaum noch zu verwirklichenden Slogans «Die Fracht braucht die Nacht.»
Der längst genehmigte Ausbau des größten deutschen Flughafens geht trotz der Proteste weiter: Noch vor dem ersten Jahrestag der Landebahn hat die Fraport den für Lufthansa reservierten Flugsteig A-Plus in Betrieb genommen, über den allein 6 Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt werden können. Das entspricht der Kapazität von Flughäfen wie Hannover oder Nürnberg. Für das dritte Terminal, das 2016 im Süden des Flughafens öffnen soll, laufen bereits die Erdarbeiten. Allein die erste Ausbaustufe des Baus soll noch einmal eine runde Milliarde Euro verschlingen.
Christian Ebner, dpa