Schönefeld/Potsdam Der neue Hoffnungsträger hat seine Arbeit am Hauptstadtflughafen aufgenommen: Eine Lösung für die Krise hat er noch nicht. Zunächst hat Mehdorn sich einen Überblick verschafft – und der Politik gezeigt, wen sie sich da ins Boot geholt hat. Hartmut Mehdorn fährt selbst zur Arbeit. An seinem ersten Arbeitstag am Hauptstadtflughafen parkt er seinen schwarzen […]

Schönefeld/Potsdam

Der neue Hoffnungsträger hat seine Arbeit am Hauptstadtflughafen aufgenommen: Eine Lösung für die Krise hat er noch nicht. Zunächst hat Mehdorn sich einen Überblick verschafft – und der Politik gezeigt, wen sie sich da ins Boot geholt hat.

Hartmut Mehdorn fährt selbst zur Arbeit. An seinem ersten Arbeitstag am Hauptstadtflughafen parkt er seinen schwarzen Kleinwagen am Potsdamer Landtag. Atemlos erscheint Mehdorn vor den Abgeordneten, die Beine zappeln unterm Tisch, er knetet seine Hände, räuspert sich – die detailversessenen Fragen der Abgeordneten dauern ihm zu lange. Der Mann hat viel zu tun. Während er dort sitzt, liegen am neuen Flughafen seine sechs großen Baustellen brach:

– 1. DIE GEBÄUDETECHNIK: Das Grundübel im Terminal ist die Brandschutzanlage. Bei einem Feuer soll der Qualm schnell so abgesaugt werden, dass die Menschen durch einen rauchfreien Korridor ins Freie laufen können. Noch aber haben Technikchef Horst Amann und sein Team die komplexe Anlage nicht im Griff. Noch nicht einmal die seit Monaten dauernde Bestandsaufnahme von Planungs- und Baufehlern ist abgeschlossen. Erst dann kann es auf der Baustelle weitergehen. «Die ganze Welt sagt: Es geht gar nicht», meint Mehdorn. «Ich sage: Es müsste gehen, aber ich weiß auch noch nicht wie.»

– 2. DIE KOSTEN: Je länger sich die Eröffnung verschiebt, desto höher steigen die Kosten. Bei Baubeginn im Jahr 2006 waren 2,0 Milliarden Euro kalkuliert worden. Letzter offizieller Stand von Anfang Dezember waren 4,3 Milliarden Euro. Da war die Betriebsaufnahme für Oktober 2013 geplant. Das ist nun Makulatur. Mitte Februar sagte der Berliner Regierungschef Klaus Wowereit (SPD): «Wir wissen nicht, wie es am Ende aussehen wird – da kann es sein, dass es noch etwas dazu gibt.» Weitere Finanzspritzen müsste aber die EU-Kommission genehmigen. Und auch im Berliner Wahlkampf wäre das nicht leicht durchzusetzen. FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle wetterte am Wochenende schon gegen mögliche neue Finanzspritzen.

– 3. DER AUFSICHTSRAT: In dem politisch besetzten Kontrollgremium gibt es tiefe Gräben – auch wenn das keiner zugibt. Die Länder Berlin, Brandenburg (je 37 Prozent) und der Bund (26 Prozent) haben sehr unterschiedliche Interessen, das räumt auch Ministerpräsident Matthias Platzeck ein. Alles andere sei «ein wenig Prosa», wie er am Montag sagt. Dabei war Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) allzu oft Gegenspieler der beiden Länderchefs Platzeck und Wowereit, doch im Streit um die Einstellung des Beraters Wilhelm Bender gerieten auch diese Fronten durcheinander. Selbst als es darum ging, die Berufung Mehdorns publik zu machen, nahm im Aufsichtsrat einer dem anderen die Butter vom Brot.

– 4. DAS NACHTFLUGVERBOT: Der Flughafen in Sichtweite Berliner Hochhäuser entsteht viel zu stadtnah – heute sagt das fast jeder. Platzeck will nun mehr Nachtruhe erstreiten – ein Volksbegehren zwingt ihn dazu. Bislang ist ein Flugverbot von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr geplant. Berlin und der Bund sind gegen eine Ausweitung – und Mehdorn auch: «Als Flughafenchef kann ich nicht dafür sein.» Die Initiatoren des Volksbegehrens fordern ein Verbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, Platzeck bleibt weich und spricht von «mehr Nachtruhe». Einen von beiden wird er enttäuschen müssen – sein Land oder Mehdorn.

– 5. DIE FLUGHAFENGESELLSCHAFT: Die Stimmung unter den rund 1000 Beschäftigten ist dem Vernehmen nach am Nullpunkt. Wer lässt sich schon gern monatelang vorhalten, an einem Milliardengrab zu schaufeln? Mehdorn will die Betreibergesellschaft «revitalisieren», wie er sagt. Keine einfache Aufgabe: Technikchef Horst Amann habe sich nicht nur Freunde gemacht, heißt es. Wichtige Mitarbeiter sind gegangen und haben ihr Wissen mitgenommen. Mehdorn versucht es am Montag mit Seelenmassage: «Die Mitarbeiter machen einen außerordentlich guten Job.»

– 6. MEHDORN SELBST: Körperlich scheint der 70-Jährige fit – trotz der Knochenjobs, die schon hinter ihm liegen. Die Frage ist eher: Hält Mehdorn sein Temperament im Zaum? Jemandem, «der gerne geradeaus geht» (Mehdorn), könnte bei einem politisch so zerfahrenem Projekt schnell der Kragen platzen. Unwahrscheinlich, dass Mehdorn dann das Handtuch werfen würde – aber er könnte in dem politisch aufgeheizten Umfeld leicht Porzellan zerschlagen. Und es sich damit selbst schwerer machen. Stirnrunzeln schon am Montag, als er im Landtag das Wort ergreift und den Abgeordneten rät, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Quelle: dpa