Wizz-Air-CEO: „Uns geht’s finanziell gut“
Wizz Air schließt ihre Basis in Wien und hat das Experiment Wizz Air Abu Dhabi auf Eis gelegt. Im exklusiven Interview erklärt CEO József Váradi die künftige Strategie der osteuropäischen Billigfluggesellschaft.
Wizz Air hat vor kurzem ihr 250. Flugzeug vorgestellt und spricht selbst von einem „bedeutenden Meilenstein“, der „einen neuen Abschnitt in der Erfolgsgeschichte des Unternehmens“ markiere. Denn über die reine Zahl hinaus stehe das Erreichen der 250-Flugzeuge-Marke für die langfristige Vision von Wizz Air.
AERO INTERNATIONAL war bei dem Event in Budapest dabei und hat vor Ort mit dem CEO József Váradi über die Wachstumsstrategie der osteuropäischen Fluggesellschaft gesprochen.
AERO INTERNATIONAL: Sie haben gerade das 250. Flugzeug, eine A321neo, übernommen. Was bedeutet das für Wizz Air?
József Váradi: Die A321neo ist von großer Bedeutung für unser Unternehmen. Sie stellt einen strategischen Baustein in unserem Geschäftsmodell dar. Die A321neo bietet die niedrigsten Kosten und gleichzeitig die beste Umweltverträglichkeit. Wir sind überzeugt, dass beide strategische Zukunftsthemen sind. Und wir sind weltweit der größte A321neo-Betreiber.
Wie sieht es mit weiteren Flugzeugbestellungen aus?
Wir erwarten die Auslieferung von rund 300 weiteren Flugzeugen. Mit Blick auf die kommenden zehn Jahre benötigen wir eine Flotte von 500 Flugzeugen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Vergessen Sie nicht: Der Faktor Größe wird in der Luftfahrtbranche immer wichtiger. Der Markt konsolidiert sich, und das im Grunde genommen in allen Bereichen der Wertschöpfungs- und Lieferkette.
Was bedeutet das für Wizz Air?
Während viele andere Unternehmen auf Fusionen und Übernahmen setzen, konzentrieren wir uns auf organisches Wachstum. Unser Problem ist, dass wir derzeit eine Reihe unerwarteter externer Schocks erleben, die wir bewältigen müssen. Sorgen bereiten uns vor allem die Lieferkettenprobleme, die einen Teil unseres Geschäfts lahmlegen.
Sie sprechen die Probleme mit den GTF-Triebwerken von Pratt & Whitney, die etwa 30, 35 Flugzeuge an den Boden zwingen, an?
Ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird, aber es kommt eine neue Technologie auf den Markt, die ab 2028 Vorteile bringen soll. Ich glaube, damit können all die Kinderkrankheiten geheilt werden, wir sind jedenfalls sehr hoffnungsvoll. Aber Triebwerksprobleme gibt es nicht nur bei Pratt & Whitney. Ich weiß, dass CFM-Betreiber Flugzeuge ebenfalls wegen Triebwerksausfällen stilllegen müssen. Jetzt sehen wir endlich Licht am Ende des Tunnels. Wenn all unsere Flugzeuge wieder fliegen, wird sich das volle Potenzial von Wizz Air zeigen.
Sie bauen Ihr Streckennetz um. Doch wenn man Strecken streicht oder Basen schließt: Schadet das nicht auch dem Vertrauen zwischen Airline und den Partnern wie Flughäfen oder vor allem zu den Passagieren?
Das mag sein, aber als der Krieg in der Ukraine ausbrach, waren 13 Prozent unserer Kapazität betroffen. Wir mussten umplanen. Der Nahostkonflikt betraf mehr als zehn Prozent unserer Kapazität, die wir ebenfalls reduzieren mussten. Aufgrund der GTF-Probleme mussten wir über Nacht 25 Prozent unserer Flugzeuge stilllegen. Niemand mag solche ständigen Änderungen, aber sie gehören nun mal zum Alltag, und wir müssen damit umgehen. Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.
Israel gehört zu Ihren wichtigsten Märkten. Was haben Sie geplant?
Wir sind zurück in Israel und eine der wichtigsten Fluggesellschaften, die den israelischen Markt bedient. Wir haben Gespräche mit der israelischen Regierung geführt, um zu sehen, wo ein noch größeres Engagement möglich ist, beispielsweise der Aufbau einer Basis. Wir prüfen dies, haben aber noch keine Entscheidung getroffen.
Was ist für Wizz Air derzeit die größte Herausforderung?
Die Erholung der Lieferketten ist entscheidend. Sobald das geschehen ist, können wir wieder voll durchstarten. Wir befördern rund 72 Millionen Passagiere pro Jahr, mehr als Lufthansa. Wizz Air zählt zu den liquidesten Unternehmen der Welt, wir verfügen über sehr hohe Bargeldreserven. Unsere Liquiditätsquote liegt bei 35 bis 40 Prozent und ist damit höher als die anderer Wettbewerber. Uns geht es finanziell gut. 20 Prozent unserer Flugzeuge sind in unserem Besitz. 80 Prozent sind im Operating-Leasing. Wir planen, den Anteil eigener Flugzeuge weiter zu erhöhen. Der Besitz eines Flugzeugs kann die Wirtschaftlichkeit und damit den Gewinn steigern.
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