Drohnen im Anflug – Wie sicher sind unsere Flughäfen wirklich?
Im Interview mit AERO INTERNATIONAL fordert der Professor für Luftrecht Prof. Dr. Elmar Giemulla klare Zuständigkeiten und eine Reform des Luftverkehrsrechts. Unkooperative Drohnen seien ein rechtliches wie sicherheitspolitisches Risiko für den Luftverkehr.
Nach mehreren Drohnensichtungen und kurzfristigen Sperrungen deutscher Flughäfen will die Bundesregierung beim Thema Drohnenabwehr nun entschlossen handeln. Noch in diesem Jahr soll die Bundespolizei eine eigene Drohnenabwehreinheit erhalten – und parallel dazu ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum von Bund und Ländern in Betrieb gehen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte in Berlin an, dass damit die „Kompetenzen von Bund, Ländern und Bundeswehr“ gebündelt werden sollen, um künftige Zwischenfälle schneller erkennen und abwehren zu können.
Bundespolizei soll mehr Befugnisse erhalten
Auch rechtlich wird nachgeschärft: Das Bundeskabinett hat den Entwurf für ein neues Bundespolizeigesetz beschlossen, das erstmals klare Befugnisse für die Drohnenabwehr vorsieht. Künftig soll die Bundespolizei nicht nur auf Drohnenangriffe reagieren dürfen, sondern auch selbst unbemannte Systeme zur Lageaufklärung einsetzen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betonte auf der Plattform X, die jüngsten Vorfälle zeigten, „dass Drohnen unsere Sicherheit bedrohen – das lassen wir nicht zu“.
Viele Fragen bleiben offen
Während die Politik die rechtlichen Grundlagen und Zuständigkeiten neu ordnet, bleiben viele Fragen offen: Wie sind Drohnenüberflüge in Flughafennähe derzeit rechtlich zu bewerten? Welche Gesetzeslücken bestehen – und wer darf im Ernstfall eingreifen?
Über diese und weitere Fragen hat AERO INTERNATIONAL mit dem Luftfahrtrechtler Prof. Elmar Giemulla gesprochen.
AERO INTERNATIONAL: Wie ist die aktuelle rechtliche Bewertung von Drohnenüberflügen in Flughafennähe – gelten sie als Eingriffe in den Luftverkehr, Ordnungswidrigkeiten oder sogar als strafbare Handlungen?
Prof. Dr. Elmar Giemulla: Der Betrieb von unkooperativen Drohnen in den An- und Abflugsektoren eines Flughafens („no-fly-zones“) ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit (§ 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG i. V. mit § 44 Abs. 1 Nr. 17d LuftVO: Bußgeld bis zu 50.000 EUR), sondern auch eine Straftat (§ 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr: Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren). Zuständig für die Verfolgung solcher Delikte sind die Polizeien (§ 163 StPO) bzw. die Staatsanwaltschaften (§ 161 StPO).
Welche Gesetzeslücken bestehen Ihrer Meinung nach in Bezug auf den Schutz von Flughäfen vor Drohnen?
Eine unkooperative Drohne ist nicht Bestandteil des Luftverkehrs, der der „Abwicklung“ durch die Flugsicherung unterläge (vgl. den Wortlaut des § 27c Abs. 1 LuftVG), sondern ein fliegendes Luftfahrthindernis, das den kooperativen Luftverkehr gefährdet – und gefährden soll. Eine unkooperative Drohne unterfällt deshalb dem Luftsicherheitsgesetz und nicht dem Luftverkehrsgesetz. Von einem Renegade-Luftfahrzeug unterscheidet sie sich allein dadurch, dass die Frage ihrer Unkooperativität von vornherein feststeht und nicht erst festgestellt werden muss. Damit handelt es sich bei einem solchen Drohnenbetrieb von vornherein um einen „erheblichen Luftzwischenfall“, für dessen Abwehr nach § 13 Abs. 1 LuftSiG die Polizeien zuständig sind. Die Streitkräfte sind als unterstützende Stelle dort zwar ausdrücklich erwähnt; allerdings ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass sich die Polizeien auch der Unterstützung anderer Stellen (hier: der Flugsicherung) bedienen können, wenn diese über mehr situationsangepasste Mittel verfügen.
Zuständig sind im Übrigen die jeweiligen Landespolizeien, nicht die Bundespolizei. Deren Zuständigkeit ist auf das Flughafengelände begrenzt. Eine wirksame Abwehr muss aber vorher einsetzen. Gesetzesänderungsbedarf: Die Zuständigkeit der Bundespolizei sollte entsprechend ausgedehnt werden. Ob sie sich im Einzelfall der Unterstützung durch die Bundeswehr bedient, hängt davon ab, wo die notwendigen Fähigkeiten künftig aufgebaut werden. Angesichts der aktuellen Bedrohungslage dürfte das eher die Bundeswehr sein.
Wie gestaltet sich die Haftung bei durch Drohnen verursachte Betriebsstörungen oder Unfälle?
Die Haftung des Betreibers richtet sich zunächst nach § 33 LuftVG für Schäden am Boden. Die Haftung ist zwar verschuldensunabhängig, allerdings der Höhe nach begrenzt (§ 37 LuftVG). Sie ist gewichtsabhängig und in dem hier relevanten Bereich etwa eine Million Euro. Die Gewicchtsabhängigkeit hat ihren Grund in dem Kerosin, das bei einem Aufschlag je größeren Schaden verursacht, desto mehr Kerosin an Bord ist. Drohnen werden aber elektronisch angetrieben, das heißt diese neue Entwicklung wird im Gesetz nicht berücksichtigt. Bedeutet: Reformbedarf in der Weise, dass die Gewichtsgrenzen angehoben werden müssen.
Darüber hinaus kommt eine Haftung nach § 823 BGB in Betracht, für die allerdings ein Verschulden nachgewiesen werden muss. Und schließlich muss der Betreiber auch faktisch haftbar gemacht werden können. Haftung soll ja nicht nur theoretisch festgestellt werden, sondern muss auch vollstreckt werden können. Das dürfte jedenfalls bei russischen Drohnen schwierig sein.
Welche rechtlichen Grenzen gibt es beim Einsatz von Abwehrsystemen (z. B. Jamming, kinetische Maßnahmen) auf oder nahe Flughafenarealen?
Privatpersonen ist das nicht erlaubt. Und auch für die Polizei schwierig, weil die Drohne dann unkontrollierbar wird und irgendwo abstürzen kann. Spoofing (Anm. d. Red.: GPS-Signale werden ausgesendet, die die Drohne von ihrem Kurs abbringen oder sie zu einem anderen Ort navigieren soll) ist geeigneter, weil die Drohne damit übernommen werden kann und kontrolliert zum Landen gebracht werden kann.
Wie wirkungsvoll sind die geltenden Geozonen und Flugverbotszonen – und wie könnten sie rechtlich besser abgesichert oder kontrolliert werden?
An Flugverbotszonen muss man sich halten, wenn sie funktionieren sollen. Wenn sich die Betreiber im Ausland befinden, kann man sie auch nicht durch Bußgelder oder Strafen zur Einhaltung zwingen.
Sehen Sie Reformbedarf im Luftverkehrsrecht angesichts der zunehmenden Drohnennutzung – z. B. im Hinblick auf Zuständigkeiten oder Strafrahmen?
Klare Zuständigkeiten müssen festgelegt werden. Die Bundespolizei für Flughäfen, die Bundeswehr, wenn es um militärische Angriffe geht. Das Problem ist vielschichtig: Militärische Aktionen, kriminelle Aktivitäten und schließlich Leichtsinn und Übermut (so ähnlich wie Laserstrahlen zur Blendung von Piloten)
Welche Rolle spielt das internationale Recht (z. B. ICAO-Vorgaben) für nationale Drohnenregelungen an Flughäfen?
Die ICAO ist für militärische Fragen nicht zuständig ujnd für zivile Fragen nur für grenzüberschreitende Aspekte.