Eurowings, die Ferienairline der Lufthansa Group, wird sich auch künftig im dezentralen Verkehr wirtschaftlich stark, effizient und wettbewerbsfähig aufstellen, sagt CEO Jens Bischof. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Boeing 737 MAX.

Eurowings-CEO Jens Bischof leitet den Ferienflieger der Lufthansa Group seit März 2020, hat das Ruder also in einer für die Luftfahrt schwersten Phase, der Corona-Pandemie, übernommen. Im Gespräch mit AERO-INTERNATIONAL-Mitarbeiter Kurt Hofmann hebt Bischof unter anderem die Entwicklung des Unternehmens, die Rolle Mallorcas im Eurowings-Streckennetz sowie die Bedeutung der Boeing 737 MAX 8 hervor.

AERO INTERNATIONAL: Welchen Stellenwert hat Mallorca im Streckennetz der Eurowings?

JENS BISCHOF: Mallorca ist unser absolutes Herzstück und Symbol unserer Neuausrichtung vom regionalen Billigflieger aus Nordrhein-Westfalen zu einer der führenden Ferienairlines in Europa. Wir betreiben in Palma unsere größte Auslandsbasis. Inzwischen sind hier acht Flugzeuge stationiert, die fast 1000 Mitarbeitenden vor Ort Beschäftigung geben – inklusive unseres firmeneigenen Boden-Abfertigers Wings Handling Palma.

Dabei profitieren wir vom anhaltenden Mallorca-Boom: Im Vorjahr kamen 13,5 Millionen Gäste auf Europas beliebteste Sonneninsel, etwa jeder Dritte davon aus Deutschland. Eurowings als Marktführerin bringt die meisten Urlauber. Wir verbinden Palma inzwischen mit 26 Flughäfen in Europa und fliegen im Sommer-Peak rund 400-mal wöchentlich von und nach Mallorca. Dabei ist uns erst kürzlich ein neuer Rekord gelungen: Erstmals gingen innerhalb eines Monats mehr als 100.000 Buchungen für eine einzelne Strecke ein: von Düsseldorf nach Palma.

Wie verteilt sich das Geschäft der Eurowings?

Es ist ein gesunder Mix aus Ferien-, Business- und VFR-Flügen (VFR steht für Visiting Friend and Relatives, Anmerk. d. Red.) – aber mit zusehends touristischer Ausrichtung. 60 Prozent unseres Programms sind heute Ferienflüge, nur noch 35 Prozent Businessverkehre. Und mit dem Rest besetzen wir eine erfolgreiche Nische: das wachsende VFR-Marktsegment.

Wenn uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt und nicht etwas ganz Gravierendes passiert, sollten wir damit auch im laufenden Jahr einen dreistelligen Millionengewinn einfliegen. Damit ist unser Turnaround-Kurs im dritten Jahr in Serie klar bestätigt – eine herausragende Teamleistung unserer mehr als 5000 Mitarbeitenden, die in der Lufthansa Group mehr und mehr Beachtung findet.

Kommen wir nach Österreich. Eurowings hat Stützpunkte in Graz und Salzburg. Innsbruck wünscht sich auch eine Eurowings-Maschine. Wird es mehr geben?

Wir sind in einem ständigen und guten Austausch – natürlich auch mit Tirol, was Innsbruck angeht. Es gibt in der Lufthansa Group eine klare Aufgabenteilung: Netzwerk-Airlines wie Austrian betreiben das Geschäft an den Hubs wie beispielsweise Wien, während Eurowings auf dezentralen Strecken abseits der großen Lufthansa-Drehkreuze fliegt.

Ob wir unser Geschäft auch in Österreich weiter ausbauen können, hängt insbesondere vom Zeitpunkt neuer Flugzeugauslieferungen ab. Kurzfristig sehen wir keine Möglichkeit unsere Flotte zu vergrößern, die fabrikneuen Boeing 737 MAX 8 kommen erst 2027. Wenn wir bis dahin irgendwo ein neues Flugzeug stationieren wollen, müssten wir es also an anderer Stelle abziehen, möglicherweise von einer profitablen Basis. Realistisch ist also, dass der nächste Wachstumsschritt für Eurowings in Österreich erst mit neuen Flugzeugen kommt.

Im oberösterreichischen Linz stellt Austrian die Verbindung nach Frankfurt ein, weil sie unwirtschaftlich ist. Das hat die lokale Regierung und Industrie aufgeschreckt, aber insbesondere sie das Angebot nicht genutzt haben. Wäre Linz ein Thema für Eurowings?

Linz ist im Prinzip ein interessanter Markt, aber er ist auch saisonal geprägt. Eine A319 mit 150 Sitzen nach Linz zu senden, wäre schon eine Herausforderung, zumal man das Flugzeug in beide Richtungen gut auslasten müsste. Und Jets mit weniger als 150 Sitzen sind für uns keine Option – auch nicht über eine Partner-Airline. Ein weiterer, kleinerer Flugzeugtyp mit 100 oder 120 Sitzen würde die Steuerung unserer Operations zu komplex machen.

Eurowings hat auch den Nahen Osten entdeckt. Das wurde vor allem durch die A320neo möglich …

Richtig, die A320neo hat uns erstmals ermöglicht, auch längere Mittelstrecken wirtschaftlich zu bedienen – und damit neue, strategisch relevante Märkte wie den Nahen Osten zu erschließen. Im kommenden Winter fliegen wir 27-Mal pro Woche an den Arabischen Golf – ein Rekordwert für Eurowings. Dazu zählen tägliche Verbindungen von Berlin nach Dubai (DXB), ein ebenfalls täglicher Flug ab Stuttgart sowie vier wöchentliche Frequenzen von Köln und drei von Hannover nach Dubai World Central (DWC).

Ergänzt wird das Angebot durch Ziele wie Abu Dhabi und Dschidda. Mit dieser Ausweitung in eine wachstumsstarke Region gelingt es uns, die typischen saisonalen Schwankungen im Ferienfluggeschäft besser auszugleichen. Das erhöht nicht nur die Auslastung unserer Flotte über das gesamte Jahr, sondern verbessert auch strukturell unsere Profitabilität.

Welche Möglichkeiten bietet Eurowings die 737 MAX?

Die neue Boeing 737 MAX 8 bringt uns in eine andere Liga – sowohl aus betrieblicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Sie bietet mehr Reichweite, mehr Sitzplätze und höhere Effizienz. Im Vergleich zur A320neo, die bei uns aktuell mit 180 Sitzen konfiguriert ist, bringt die MAX 189 Sitze. Im Austausch mit einer A319 bedeutet das sogar ein Plus von 39 Sitzen – ein erheblicher Hebel bei den Stückkosten.

Darüber hinaus fliegt die MAX etwa 1000 Kilometer weiter als die A320neo – und das ohne Einschränkungen bei der Nutzlast. Auf Strecken wie Dubai – Berlin, die mit dem A320neo grenzwertig sind, bringt uns die MAX deutlich mehr operative Flexibilität. Durch diese Performance können wir künftig auch neue, bislang nicht bediente Ziele prüfen. Mit der Bestellung von 40 Boeing 737 MAX 8 investieren wir in die größte Flottenmodernisierung in der Geschichte von Eurowings – und heben unser Streckenportfolio damit auf ein neues Effizienzniveau.

Gibt es noch weiße Flecken in Ihrem Streckennetz?

Ja, definitiv. Eine 737 MAX würde uns auch Strecken wie Maskat und Salalah im Oman oder auf die Kapverden ermöglichen. Wir analysieren unser Streckennetz kontinuierlich und sehen noch einige unerschlossene Potenziale – gerade auch im Bereich VFR. Strecken wie Erbil im Norden des Irak mögen nicht so glamourös sein wie Dubai, sind aber angesichts eingeschränkter Kapazitäten wirtschaftlich attraktiv. Die MAX wird uns hier ab 2027 weitere Märkte öffnen, die bislang entweder operativ schwierig oder wirtschaftlich nicht sinnvoll zu bedienen waren.

Eurowings verfügt über 100 Flugzeuge. Braucht man eine größere Flotte, um im europäischen Wettbewerb bestehen zu können?

Wer im europäischen Markt nachhaltig bestehen möchte, sollte eine Flotte von mindestens 200 Flugzeugen betreiben. Das ist die Größenordnung, die langfristig Skaleneffekte und Wettbewerbsfähigkeit sichert. Eurowings befindet sich aktuell auf Augenhöhe mit Airlines wie Transavia oder Vueling – gut positioniert, aber mit klarem Potenzial nach oben. Im Verbund mit der Power der Lufthansa Group bleibt es eine wesentliche Aufgabe, Eurowings im dezentralen Verkehr wirtschaftlich stark, effizient und wettbewerbsfähig aufzustellen.

Und wie steht es um die wirtschaftliche Entwicklung der Luftfahrt in Deutschland?

Deutschland hinkt im internationalen Vergleich immer stärker hinterher. Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind komplex, die Standortkosten auf einem Rekordhoch – und es fehlt bislang an der politischen Umsetzung zentraler Punkte aus dem Koalitionsvertrag. Wenn sich daran nichts ändert, wird der Luftverkehr um Deutschland einen immer größeren Bogen machen. Für ein exportorientiertes Land ist es eine gefährliche Entwicklung, wenn der Luftverkehr als Motor für Wirtschaft und Wohlstand ausfällt. Und je mehr Airlines den Standort verlassen, desto weniger verteilen sich die Fixkosten der Flughäfen – was wiederum die Preise für die verbleibenden Airlines erhöht. Das schränkt die Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich ein. Kurz gesagt: Es ist fünf nach zwölf. Wir sind längst über den Punkt hinaus, an dem man einfach nur abwarten kann. Jetzt ist politisches Handeln gefragt.