100 Jahre Flughafen Innsbruck: Für den heimischen Tourismus unentbehrlich
Der Innsbrucker Airport gilt als Verkehrsknotenpunkt in den Alpen – leicht anzufliegen ist er allerdings nicht.
Die idyllische Lage Innsbrucks im Inntal hat es aus fliegerischer Perspektive in sich. Das Tal ist eng, die umgebenden Gipfel sind hoch. So sind besondere An- und Abflugverfahren notwendig, um bei schlechter Sicht und niedrigen Wolkenuntergrenzen sicher bis an den Boden zu kommen. Weht der Wind stark, sorgt das schroffe Gelände zudem für starke Turbulenzen. Das gilt besonders bei Föhnlagen, die in den Alpen sowohl Richtung Norden als auch Richtung Süden auftreten können. Windscherungen, also abrupte Wechsel der Windgeschwindigkeit und -richtung, sind dann in Bodennähe besonders gefährlich. Generell erfordert das Fliegen in der Schlucht, wie es in Innsbruck heißt, sehr umsichtige Aktionen der Piloten. Die Anflüge sind steiler als gewohnt, und je nach Flugzeugmodell und Beladung müssen die Landekonfiguration und Geschwindigkeit schon in ungewohnt großer Entfernung von den Pisten passen.
Das sonst übliche Instrumentenlandesystem (ILS) mit bodengestützten Funksendern ist in Innsbruck problematisch: Das Gelände kann die Peilsignale stören. So wurden schon im Herbst 2013 Anflugverfahren eingeführt, die auf Satellitennavigation zum Beispiel mit GPS basieren. Der Fachbegriff für solche Anflugverfahren lautet heute „Required Navigation Performance“. GPS-Navigation macht es möglich, die Flugzeuge im Anflug auch auf gekrümmten Flugwegen präzise durch das Tal zu führen.Wie die große Bandbreite an anfliegenden Airlines beweist, ist das Anflugverfahren, in das viel investiert wurde, sehr präzise, und die Hemmschwelle, den Alpen-Airport anzusteuern, ist gesunken.
Wetter und Föhn erschwerten Landungen am Flughafen Innsbruck
In der Zeitrechnung vor RNP waren die Anflüge in marginalen Wetterlagen fordernd. „Durchstarten mussten wir in Innsbruck häufig. Die manuell mit Landeklappen und 30 Grad Querlage unter Instrumenten geflogene Linkskurve unmittelbar nach dem Durchstarten wurde regelmäßig am Simulator trainiert“, berichtet Wolfgang Henle, heute CCO des Flugzeugwartungsbetriebs SAMCO Bratislava. Er kam in mehr als 40 Jahren auf 7000 Landungen in Innsbruck. Viele davon führte er als Linienpilot auf der Dash 7, Dash 8 und der Q400 durch, die meisten jedoch als Segel- und Motorfluglehrer beziehungsweise als Schlepppilot für die Segelflieger.
Bei guter Sicht ist es oft die Föhnturbulenz, die zu schaffen macht. Sie ist zwar fliegerisch zu bewältigen, aber für die Passagiere oft sehr belastend. Heute sind die RNP-Anflüge auch dabei eine große Hilfe. Beim Anflug aus Osten sind die Minima tiefer, und wenn doch noch ein Durchstarten erforderlich wird, ist auch dieses Verfahren einfacher geworden. Der RNP-Anflug aus dem Westen hat die Zeit, in der das Flugzeug der Föhnturbulenz ausgesetzt ist, deutlich verringert. „Damit hat sich der Passagierkomfort bei Föhn deutlich gebessert“, fügt Henle schließlich hinzu.
Boom in der kalten Jahreszeit
Das ist wichtig, denn Innsbruck ist für seine Wintercharteraktivitäten an den Samstagen berühmt. Immerhin werden jedes Jahr rund 60 Prozent des gesamten Geschäfts allein im ersten Quartal erwirtschaftet. Neben Genf in der Schweiz und dem ebenfalls österreichischen Salzburg ist Innsbruck in den Wintermonaten einer der wichtigsten europäischen Flughäfen im sogenannten Incoming-Charterverkehr.
Innsbruck konnte erste regelmäßige Flüge voll mit Wintersportlern aus Skandinavien und Großbritannien in den achtziger Jahren willkommen heißen – nachdem eindrücklich nachgewiesen worden war, dass man nach Innsbruck fliegen und von dort die Gäste quer durch Tirol, Südtirol oder Vorarlberg verteilen kann. Doch bis sich der Erfolg des „Alpen-Hubs“ eingestellt hat, gab es so manche Krisenzeit zu bestehen.
Flugverkehr startete in der Reichenau
Ein Blick zurück in die Reichenau, so nannte sich jenes Flugfeld, wo für den Innsbrucker Luftverkehr 1925 alles begann. Zweimal täglich außer sonntags ging es seinerzeit mit der Süddeutschen Aero Lloyd nach München. Bald standen auch Rund- und Versorgungsflüge in das umliegende Gebirge im Angebot. Als in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre eine 900 Meter lange Piste in Innsbruck-West auf der Ulfiswiese gebaut und ab Januar 1948 einsatzbereit wurde, konnte ein ganzjähriger Betrieb gewährleistet werden. KLM aus Holland landete am 4. Juni 1950 als erste Airline am neuen Standort. Bald schon folgte Swissair mit DC-3 und fünf wöchentlichen Flügen aus Zürich, ab 1959 zeigte sich auch Austrian Airlines zunächst mit Vickers Viscount und ab 1963 mit DC-3.
Bald entstand eine 1600 Meter lange Start- und Landebahn, dennoch war der Airport nach wie vor nur bei guter Sicht anfliegbar. Wie schwierig dieses Unterfangen in den dreißiger Jahren war, bewies sich am 29. Februar 1964: Eine viermotorige Bristol 175 Britannia der British Eagle Airlines zerschellte beim Versuch, in Innsbruck trotz Schlechtwetters zu landen, an der Ostflanke des 2677 Meter hohen Glungezers. Alle 83 Passagiere und Crewmitglieder starben.
Ein Neubeginn für den Flughafen Innsbruck war das Jahr 1965, in dem die Tiroler auf der Südseite des Flughafens auf die Eröffnung des Terminals anstoßen konnten. Doch mussten nach wie vor wegen Schlechtwetters viele Flüge abgesagt werden. Folglich kam der Flugverkehr Anfang der siebziger Jahre fast vollständig zum Erliegen.
Olympia in Innsbruck beeinflusste Flugbetrieb
Am 17. Juni 1973 stimmte die Innsbrucker Bevölkerung bei einer Volksabstimmung schließlich über die Zukunft des Flughafens ab. 69,5 Prozent der Befragten waren für dessen Erhalt. Und rechtzeitig vor Beginn der Olympischen Winterspiele, die im Jahr 1976 in Innsbruck stattfanden, kamen neue Verfahren zum Einsatz. Damit konnte endlich ein sicherer Flugbetrieb gewährleistet werden.
Das Jahr 1979 markiert dank der von der schweizerischen Crossair aufgenommenen Linienverbindung Zürich – Innsbruck – Zürich einen Wendepunkt. Tyrolean Airways, die sich nicht nur zu einer der größten Regionalfluggesellschaften Europas entwickelt hatte, sondern auch als eine der innovativsten galt, begann ab 1980 mit viermotorigen Dash 7 Linienflüge zunächst nach Wien und Zürich aufzunehmen. 1981 wurden erstmals 100 000 Passagiere abgefertigt. Und sukzessive landeten auch größere Jets zwischen den Bergen: Die Montana Austria mit Boeing 707 im März 1977 beispielsweise, in den späten neunziger Jahren auch Boeing 767-300ER der längst nicht mehr existierenden Lauda Air oder auch A310-300, mit der Austrian Airlines nach Innsbruck kam.
Am 23. Dezember 2000 konnte erstmals eine Million Passagiere begrüßt werden. Innsbruck war darüber hinaus auch Heimat der Air Alps und der Welcome Air. Heute sind Tyrolean Air Ambulance und Tyrolean Jet Services vor Ort ansässig.
Auf in die nächsten 100 Jahre
Und wie geht es in die Zukunft? Nun, im Bereich Investitionen steht der Bau eines multifunktionalen Gebäudes als Sicherheitszentrum auf der Agenda. Dabei wird das Volumen mit mindestens 40 Millionen Euro angegeben. Das Terminal aus den sechziger Jahren versucht die Betreibergesellschaft mit Modernisierungen und Instandhaltungen anzupassen, um attraktiv zu bleiben, was durchaus herausfordernd ist.
Eine Menge Energie kostet es zudem, neue Destinationen zu akquirieren. Nach der Corona-Pandemie sorgte der Einbruch der damals überaus wichtigen Märkte Russland und Ukraine für Sorgen. Das konnte Innsbruck jedoch dank eifriger Bemühungen kompensieren. Seit der Pandemie gilt die niederländische Transavia im Winter mit Abstand als Marktführerin; sie allein hat 2024 exakt 189 729 Passagiere von und nach Innsbruck transportiert. Spötter behaupten, dass Innsbruck somit im Winter der größte niederländische Airport außerhalb der Niederlande sei. Bis zu 46 wöchentliche Flüge nach Amsterdam, Rotterdam und Eindhoven stehen dann im Flugplan.
An zweiter Stelle folgt der Low-Coster EasyJet, an dritter Austrian Airlines – dank der neuen Flüge an den Winterwochenenden und trotz der ausgeschlagenen Chance, nach dem Wegfall der Frankfurt-Verbindung verstärkt Umsteigeverkehr nach Wien zu leiten. In der fernen österreichischen Hauptstadt rechtfertigen sich die Verantwortlichen damit, dass die Wirtschaftlichkeit nicht mehr in dem Maße wie vor der Pandemie gegeben sei. Das liege daran, dass einerseits deutlich weniger Passagiere im Punkt-zu-Punkt-Verkehr zwischen Wien und Tirol unterwegs seien und andererseits die durchschnittlichen Ticketerlöse deutlich gesunken seien.
Innsbrucks Probleme mit größeren Maschinen
In der Zwischenzeit setzen die Airlines aufgrund der steigenden Nachfrage verstärkt größere Flugzeuge nach Innsbruck ein, beispielsweise A321neo. Das kann aber auch vermehrt zu Problemen führen, da das Flughafenterminal an den Wochenenden in der Hochsaison voll bis zum Anschlag ist. 15 000 Passagiere kommen da schnell an einem Tag zusammen. Zudem nimmt auch bei der General Aviation die Anzahl größerer Flugzeuge zu.
Mehr Verkehr bedeutet für diesen stadtnahen Airport aber auch mehr Lärm, da die Schallwellen an den nördlichen und südlichen Berghängen reflektiert werden. Dem wurde 1990 mit der Betriebseinschränkung auf Flugzeuge der leisesten internationalen Lärmschutzkategorie III Rechnung getragen.
Durch den Wegfall der Frankfurt-Verbindung und der Frequenzreduzierungen nach Wien hat der Airport gegenüber 2019 rund 150 000 Reisende pro Jahr verloren. Für das Jahr 2025 erwartet das Management zwar einen leichten Zuwachs bei den Passagierzahlen auf rund 870 000 Fluggäste, zumal sich alle übrigen Strecken sehr gut entwickeln. Aber natürlich leidet vor allem der Wirtschaftsstandort Tirol. Es helfe, dass es neben den Wien-Flügen eine Expressbusanbindung der Lufthansa zum Flughafen München gibt. Aber die Bereitschaft, in einen Bus zu steigen, ist bei den Passagieren nicht unbedingt gegeben, und die Fahrzeit zum Flughafen München ist aufgrund der Verkehrssituation oft länger als geplant.
Und was ist mit Ryanair? Grundsätzlich rede man mit jedem Anbieter, so Flughafenchef Marco Pernetta gegenüber AERO INTERNATIONAL. Jetzt jedoch ausgerechnet mit dem Low-Coster über die Aufnahme von Wien-Flügen zu sprechen, wo diese Strecke eigentlich Innsbrucks letzte ganzjährig bediente Drehkreuzanbindung sei, „dürfte strategisch wohl nicht klug sein“, so Pernetta. Für Ryanair sieht er eher Potenzial auf touristischen Routen. Das andere Thema ist Profitabilität. „Wir wissen ja aus Zeiten, in denen die Billigairline Niki geflogen ist, was auf dieser Strecke möglich wäre, da waren wir bei 300 000 Passagieren und bis zu zehn täglichen Flügen nach Wien“. Geld hätte damals allerdings keine Airline verdient. Wie auch immer. 100 Jahre Flughafen Innsbruck machen so manchen stolzen Tiroler noch stolzer. Denn mit dem Airport ist die Einbindung Tirols in das europäische Verkehrsflugwesen umgesetzt worden.








