Parchim/Schwerin, 23. Juni 2015 Noch ist Parchims Terminal eine Baustelle, doch der neue Tower steht schon. Ab 2016 sollen chinesische Touristenflieger in der Kleinstadt landen – und tausende Passagiere in Mecklenburgs Provinz absetzen. Ein roter Pfeil weist den Weg zum Klingelknopf „Terminal“ am Flughafengebäude von Parchim. Drinnen eine Baustelle, durch die Schwalben schwirren. Plastikpflanzen begrünen […]

Parchim/Schwerin, 23. Juni 2015

Noch ist Parchims Terminal eine Baustelle, doch der neue Tower steht schon. Ab 2016 sollen chinesische Touristenflieger in der Kleinstadt landen – und tausende Passagiere in Mecklenburgs Provinz absetzen.

Ein roter Pfeil weist den Weg zum Klingelknopf „Terminal“ am Flughafengebäude von Parchim. Drinnen eine Baustelle, durch die Schwalben schwirren. Plastikpflanzen begrünen den einzigen Info-Tresen („C“ wie „Cash-Desk“). Dahinter steht „Operator“ Rolf Eichhorn. Er soll Landegebühren von Privatpiloten und Geschäftsreisenden kassieren – was aber nur alle paar Tage passiert.

Seit ein chinesischer Investor 2007 den ehemaligen Militärflugplatz in der mecklenburgischen Provinz kaufte, wird der „Baltic Airport“ für den regulären Linienverkehr aufgerüstet. Im nächsten Frühjahr solle es so weit sein, kündigt Betriebsleiter Eugen Arnstadt an. Bis zum Herbst werde nun das Terminal vergrößert, mit Gepäckbändern, neuem Wartebereich und Sicherheitscheck ausgestattet. Statt bisher 100 könnten dann 300 Reisende gleichzeitig abgefertigt werden.

So viele Touristen sollen künftig mit jedem Flugzeug aus China in Parchim landen und dort ihre Deutschland- oder Europa-Tour beginnen, hofft der Betreiber. Mit den China-Jets könnte 2016 der reguläre Flugbetrieb starten und Parchim so aus der Verlustzone steuern.

Noch aber geht es auf dem Gelände recht beschaulich zu – wenn nicht gerade Piloten-Trainings auf dem riesigen Landeplatz stattfinden. Flugschüler der türkischen Corendon Airlines proben das Aufsetzen und Abheben mit einer Boeing 737-800. 35 Mal kreist der Jet über Parchim.

Lotse Thomas Karnatz sitzt in dem für vier Millionen Euro neugebauten Tower und zeigt in die Luft. Kurz vor dem Anflug der Türken segelt ein Turmfalke an seinem von Technik strotzenden Ausguck vorbei. „Die brüten da drüben im Wald“, meint der Fluglotse. Wenig später setzt die Boeing hart auf: „Seitenwind, der macht es Newcomern schwer.“

Hochfliegende Pläne für Parchim als künftiges internationales Drehkreuz für den Fracht- und Passagierverkehr hatte der Investor einst verkündet. Vor acht Jahren übernahm der Chef des chinesischen Logistik-Unternehmens LinkGlobal, Jonathan Pang, den defizitären Flugplatz inklusive einer Nachtflugerlaubnis vom Landkreis.

2010 wurden ihm gut 12 Millionen Euro des ursprünglichen Kaufpreises von 30 Millionen erlassen. Im Gegenzug verpflichtete sich Pang zu Investitionen in einen Industriepark oder ein Hotel – konkrete Pläne hierzu gibt es allerdings bis heute nicht. Die Frachthalle mit Zollstelle ist seit drei Jahren verwaist.

Ursprünglich gebaut wurde der Flughafen Parchim in den 1930er Jahren. Im April 1945 durch amerikanische Bomber zerstört, entstand hier 1952/53 die drei Kilometer lange und 55 Meter breite Start- und Landebahn für die sowjetischen Streitkräfte.

Ende 1992 zogen die letzten russischen Truppen ab. Danach gab es einige Touristenflüge nach Bulgarien und auf die Baleareninsel Mallorca. 2001 scheiterte ein Verkauf des 850 Hektar großen Airports an die britische Wiggins Group, 2007 übernahm Pang die Immobilie.

Regelmäßige Urlaubscharter- oder gar Linienflüge wie etwa auf dem nächsten regionalen Airport in Rostock-Laage blieben in Parchim aus. Ein Problem war bislang auch der provisorische Tower von 1993 – ein Container auf Stelzen, der bei schlechtem Wetter nicht genügend Sicherheit bot, wie Arnstadt einräumt. Nach drei Jahren Bauzeit arbeitet nunmehr der neue Hightech-Tower. 48 Flugplatz-Beschäftigte halten die Landebahn sauber und die Befeuerung intakt, stehen mit Tank- und Löschwagen sowie fahrbaren Gangways bereit.

Doch die meisten Starts und Landungen auf „SZW“ – so das Kürzel des Airports – sind nach wie vor Trainings- und Schulungsflüge. Im Jahr 2013 waren das von knapp 8400 Flugbewegungen rund 6600 Übungen, 2014 von insgesamt gut 8300 über 6100 Trainingsflüge. Die Zahl der Passagiere von Privatjets lag derweil nur bei rund 1000 pro Jahr.

Optimistisch zeigt sich das Land Mecklenburg-Vorpommern – wenngleich es keine Fördermittel für den chinesischen Flugplatz in Parchim gibt, wie Sprecher von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium erklären. „Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte, die Pläne des Investors als unrealistisch einzustufen“, heißt es. Der „touristische Incoming-Verkehr aus China“ werde als „innovatives Segment“ zur Erweiterung des Luftverkehrs-Spektrums im Nordosten angesehen.