13.07.2014 Die schweizerische Ferienfluggesellschaft Edelweiss Air kommt bei den Kunden gut an und fliegt deshalb in ihrem Segment mit Erfolg. Damit das so bleibt, erhält die Flotte dank einer fünften A320 nicht nur Zuwachs, sondern auch im Langstreckenverkehr ein zeitgemäßeres Kabineninterieur. Wie man eine Ferienfluggesellschaft erfolgreich führt, glauben viele zu wissen. Einer hingegen hat bewiesen, […]

13.07.2014

Die schweizerische Ferienfluggesellschaft Edelweiss Air kommt bei den Kunden gut an und fliegt deshalb in ihrem Segment mit Erfolg. Damit das so bleibt, erhält die Flotte dank einer fünften A320 nicht nur Zuwachs, sondern auch im Langstreckenverkehr ein zeitgemäßeres Kabineninterieur.

Wie man eine Ferienfluggesellschaft erfolgreich führt, glauben viele zu wissen. Einer hingegen hat bewiesen, dass er es tatsächlich kann: Karl Kistler. Seit zwölf Jahren hält der 61-Jährige das Steuerruder der schweizerischen Edelweiss Air fest in der Hand. Nicht eine Turbulenz in der volatilen Branche namens Luftverkehr konnte die Ferienfluggesellschaft bislang nachhaltig ins Trudeln bringen. Im Gegenteil: „Seit 18 Jahren schreiben wir schwarze Zahlen“, merkt der CEO an und verrät sogar das Geheimnis des Erfolges: „Wir versuchen, das Kundenbedürfnis nach Sicherheit, Wertschätzung und überdurchschnittlicher Dienstleistungsqualität zu befriedigen.“

Differenzierung laute das Schlagwort. „Wer durchschnittliche Leistungen bringt, wird austauschbar“, so der Edelweiss-Chef. Seine Airline sei daher mehr als ein Transportunternehmen für Reisen von A nach B. Edelweiss verstehe sich vielmehr als Teil der Ferien, die bekanntlich die schönste Zeit des Jahres sein sollen. Und das war bereits Kuoni wichtig, als sie die Airline Mitte der 1990er Jahre aus der Taufe hob. 

Inzwischen gehört die Ferienfluggesellschaft wie ihre große Schwester Swiss zum deutschen Lufthansa-Konzern. Aus dem Jahr 2008 datiert die Übernahme, an die der eine oder andere Eidgenosse selbst heute noch mit leichtem Unbehagen zurückdenkt, jedoch: „Lufthansa gab uns nach Jahren des Stillstandes wieder die Möglichkeit zu wachsen. Wir erhielten 2011 ein zweites Langstreckenflugzeug, eine A330-300, und ein Jahr später eine vierte A320“, zählt Kistler auf.

Weitere Meilensteine folgten, wobei die Einflottung einer fünften A320 im April dieses Jahres nicht einmal der bedeutendste war: Seit dem Sommerflugplan fliegt Edelweiss mit einem nochmals deutlich aufgewerteten Produkt. Sie hat auf der Langstrecke ein komplett neues Kabineninterieur erhalten und kann somit, erstmals überhaupt, eine Economy Plus anbieten.

 

Ein neues Interieur

Im Mai wurden die beiden A330 der Edelweiss umgerüstet, was in etwa jeweils zwei Wochen gedauert hat. Die A330-200 verfügt nun über 22 Business-Class-Plätze, 50 Sitze in der Economy Max und 203 Economy-Class-Plätze. Die A330-300 erhielt 27 Business-Class-, 56 Economy-Max- sowie 232 Economy-Sitze. Und was an Bord der Ferienfluggesellschaft Einzug gehalten hat, muss den Vergleich mit den großen Netzcarriern der Branche keinesfalls scheuen. Die Business Class trumpft mit Lie-Flat-Sitzen auf, die sich in zwei Meter lange Betten ausfahren lassen. Das ist selten im Ferienfluggeschäft.

15 Zentimeter mehr Sitzabstand, fünf Zentimeter mehr Neigung der Lehne als in der Economy Class sowie weitere Annehmlichkeiten wie kostenlose alkoholische Getränke oder ein sogenanntes „Amenity Kit“ mit Pflegeutensilien wird in der neuen Economy Max offeriert. Dieses Produkt anzubieten, sei erklärter Kundenwunsch gewesen, berichtet Kistler. Je nach Destination kostet der Flug in der Economy Plus 200 bis 300 Franken mehr (oneway) als in der Economy-Klasse, die übrigens ebenfalls neue Sitze bekommen hat.

edelweiss business class

Die neue Business Class der Edelweiss-Langstreckenflotte überzeugt künftig mit Lie-Flat-Sitzen, die sich in zwei Meter lange flache Betten ausfahren lassen. (Bild: Edelweiss)

 

Allen Klassen gemein ist das neue Bordunterhaltungssystem mit HD-Touchscreens (16 Zoll in der Business Class sowie jeweils 9 Zoll in der Economy Max respektive Economy Class). Zur Wahl stehen 65 Filme, 60 TV-Programme, 400 Musik-Alben und 15 Spiele, um die Reisezeit kurzweiliger zu gestalten. „Und wir bieten selbst in der Economy-Klasse noch eine Auswahl an Zeitungen an, das macht auch nicht jede Ferienfluggesellschaft“, betont der CEO.

Für die 347 Kabinen-Mitarbeiter ist die neue Business Class übrigens ebenfalls keine Unbekannte. Edelweiss fliegt bereits seit dem 2. April vergangenen Jahres mit einer A330-300 der Swiss deren Verbindung Zürich – New York. Und zwar mit dem Segen der Gewerkschaften, denn zum Zeitpunkt der Ausschreibung hatte Swiss nicht ausreichend Piloten, um den Bedarf an Flugzeugführer ganzjährig selbst abdecken zu können. Der Vertrag ist bis Ende 2015 befristet und für Edelweiss Gold wert, denn an Bord der A330 hat es der Ferienflieger mit einem Drei-Klassen-Produkt, inklusive First Class, zu tun. Nicht, dass Edelweiss plant, diesen Top-Service in Kürze selbst ins Programm zu nehmen, „wir sehen das vielmehr als eine einmalige Chance für einen Know-how-Transfer“, verrät Kistler. 

 

Rund 50 Ziele weltweit

Umrahmt wird die Einführung der neuen Langstreckenkabine übrigens von gleich drei neuen Sommerverbindungen: Las Vegas, Havanna und Edinburgh. Dagegen wird auf die Bedienung Varaderos in Kuba und Cancuns in Mexiko verzichtet. Insgesamt hatte der Flugplan im vergangenen Winter zwölf Langstreckendestinationen ausgewiesen; im laufenden Sommer sind‘s noch sieben Interkont-Ziele. Was dennoch ein strammes Programm für die beiden A330 darstellt, zumal sich Kistler für Frequenzaufstockungen ausspricht: „Wir sind bemüht, nicht nur einmal pro Woche ein Ziel anzufliegen, sondern zwei- oder gar dreimal“, denn dann werde man auch für die Geschäftsreisenden interessant. Dass es dafür einer zuverlässigen Operation, einer ausgezeichneten Maintenance bedarf, versteht sich von selbst. Zumal die Einflottung zusätzlicher Langstreckenflugzeuge, Stand heute, nicht geplant ist.

Momentan liegt die durchschnittliche Auslastung der Flotte bei 80 Prozent; im vergangenen Jahr wurden insgesamt eine Million Passagiere gezählt. Dass auch immer mehr Deutsche mit Edelweiss fliegen, betont das Management gern. „Etwa 15 Prozent aller Buchungen erfolgen derzeit aus Deutschland“, berichtet der Chief Commercial Officer (CCO) Alain Chisari. Das sei eine erstaunlich gute Zahl, zumal sich die Airline im Nachbarland gar nicht selbst vermarkte.

Vorrangig fliegt Edelweiss in die Sonne. Ganz so, wie es sich für eine Ferienfluggesellschaft gehört. Und damit sie nicht mit denselben winterlichen Kapazitätsproblemen wie andere Airlines ihres Genres zu kämpfen hat, wird der Einsatz der A320-Flotte inzwischen gemeinsam mit der Swiss geplant.

Noch vor einigen Jahren war Kreativität gefragt, um für Beschäftigung zu sorgen; beispielsweise setzte Edelweiss im Winter 2007/2008 eine A320 im fernen Thailand ein, wo sie in der asiatischen Hochsaison im Wetlease für Bangkok Airways zwischen November und März bis zu viermal täglich zwischen Bangkok und Siem Reap (Kambodscha) zum Einsatz kam.

Heute nutzt das Unternehmen vielmehr die enge Bande zur Schwester. „Wir fliegen zum Beispiel am Tagesrand eine Destination für die Swiss und zwischendurch eines unserer Ferienziele an. Umgekehrt übernimmt Swiss für uns in der Ferienzeit, wenn ihre Flotte nicht ausgelastet ist, Verbindungen am Wochenende“, berichtet Kistler.

Weitere wichtige Synergieeffekte führt Kistler auf die geschlossenen Codesharevereinbarungen zurück. Deshalb sei das nahezu identische Produkt ausgesprochen wichtig. Doch wer nun glaubt, Edelweiss sei gleich Swiss, täuscht sich gewaltig. Die eingangs bereits angedeutete Differenzierung ist ein Mantra der Airline. „Wenn sie in einem Dienstleistungssektor unterwegs sind, in dem Überkapazitäten vorherrschen, dann müssen sie sich differenzieren können. Sonst scheiden sie als Wettbewerber eines Tages aus.“ Edelweiss verfolgt beispielsweise die Strategie der „Little Extras“, wie Kistler sie nennt. Kleine Aufmerksamkeiten, die das Herz der Reisenden erfreuen und das Unternehmen gar nicht einmal viel kosten müssen. Flugkapitäne versuchen beispielsweise, wann immer es geht, sich persönlich von den Reisenden zu verabschieden, Bodenmitarbeiter kümmern sich gerne persönlich um Familien mit Kleinkindern. „Wenn wir erfolgreich sein möchten, müssen wir alles ein bisschen besser machen als gerade nötig. Unsere Gäste sollen in jeder Minute spüren, dass uns ihr Wohlergehen wirklich wichtig ist.“ Aufmerksamkeit in der Dienstleistung ist laut Kistler das A und O! Und seine Mitarbeiter leben diese Philosophie, selbst im Umgang miteinander, zumal auch sie jederzeit mit „Little Extras“ für ihr Engagement und den Erfolg der Edelweiss belohnt werden.

 

Astrid Röben

 

 

„Eine Frage stellen wir uns immer wieder: Was will der Kunde?“ (Karl Kistler, CEO Edelweiss Air AG)

Karl Kistler CEO Edelweiss

 

Historie

Einst als Charterfluggesellschaft eines Reisekonzerns unterwegs, gehört die schweizerische Edelweiss Air wie ihre große Schwester Swiss inzwischen dem deutschen Lufthansa-Konzern. Dennoch bleibt sie für das Gros der Eidgenossen das, was sie auch vorher über viele Jahre war: die erste Wahl für Flugreisen in die Ferien.

Als die Swissair Mitte der 1990er Jahre beschloss, ihre Ferienflugtochter Balair/CTA zu schließen, läuteten beim Schweizer Reisekonzern Kuoni die Alarmglocken, weil er sich nicht in die Abhängigkeit des einzig verbliebenen heimischen Charterfluganbieters Crossair begeben mochte. „Außerdem wollte das Unternehmen Einfluss auf Streckennetzplanung, die Festlegung von Flugzeiten oder Preisgestaltung haben. Also gründete es im Oktober 1995 eine eigene Fluggesellschaft – die Edelweiss“, berichtet Karl Kistler, heute CEO des Unternehmens.

Der Startlauf des Newcomers erfolgte im Februar 1996 mit einer MD-83, einem damals durchaus verbreiteten Flugzeugtyp für Chartereinsätze im Kurz- und Mittelstreckenbereich. Einen Monat später flottete das Unternehmen ein zweites Flugzeug dieses Typs, ein Jahr später sogar eine dritte MD-83 ein, doch wirklich zufrieden war Edelweiss mit dieser Flotte nicht. „Wir haben sehr schnell festgestellt, dass das nicht das richtige Flugzeug für unsere Zwecke war.“ Die MD-83 sei sicherlich hervorragend für Piloten, so Kistler, nicht jedoch für die Passagiere: „Im hinteren Kabinenbereich gibt es keine Fenster, zudem ist es dort wegen der Nähe zu den Triebwerken sehr laut. Insgesamt steht in dem schlanken Rumpf zu wenig Stauraum für Handgepäck zur Verfügung.“ Kurzum: 1998 kam man zu dem Entschluss, auf A320 umzuflotten.

Im Februar 1999 konnten die ersten beiden A320-200 übernommen werden. Die dritte A320 folgte im Juni 1999. Im November 2000 stieß eine A330-200 für Langstreckenflüge zur Flotte. 2002 übernahm der bis dahin als Chefpilot und stellvertretender Geschäftsführer agierende Kistler die Leitung des Unternehmens von seinem Vorgänger Niklaus Grob. „So lief es gut. Kuoni war so zufrieden mit uns, dass sie die Gäste ihrer Mitbewerber nicht mit uns fliegen ließen, wenn‘s nicht unbedingt sein musste. Bis 2008“, so Kistler. Inzwischen flogen auch die Low-Costler verstärkt Feriendestinationen an, die Auslastung der Edelweiss sank unter der Woche. Das machte Kuoni Angst und sie entschied, Edelweiss zu verkaufen. Heute gehört die Ferienfluggesellschaft zum Lufthansa-Konzern, ist eine Schwester der Swiss und innerhalb der Swiss konsolidiert.