30.06.2014 Sie tagen hinter Sicherheitszaun und erklären sich, als Deutschland schon auf Fußball-Modus umstellt: Gut eine weitere Milliarde fließt in den Hauptstadtflughafen. Ein Problem haben die Aufsichtsräte trotzdem: Der Airport dürfte zu klein geraten sein. Schönefeld – Hartmut Mehdorn zieht ein Grinsen quer übers Gesicht und zeigt auf Klaus Wowereit: «Er war richtig gut heute.» […]

30.06.2014

Sie tagen hinter Sicherheitszaun und erklären sich, als Deutschland schon auf Fußball-Modus umstellt: Gut eine weitere Milliarde fließt in den Hauptstadtflughafen. Ein Problem haben die Aufsichtsräte trotzdem: Der Airport dürfte zu klein geraten sein.

Schönefeld – Hartmut Mehdorn zieht ein Grinsen quer übers Gesicht und zeigt auf Klaus Wowereit: «Er war richtig gut heute.» Gerade hat Berlins Regierender Bürgermeister verkündet, dass Mehdorn weitere 1,1 Milliarde Euro bekommt, um den neuen Hauptstadtflughafen fertig zu bauen. Es sind dann insgesamt 5,4 Milliarden Euro für einen Bau, der beim ersten Spatenstich noch für 2 Milliarden Euro zu haben sein sollte.

Beschlossen hat das der Aufsichtsrat in einer «ziemlich aufreibenden Sitzung», wie Mehdorn sagt. Als die Finanzspritze am Abend verkündet wird, sind viele Deutsche mit den Gedanken längst beim Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft.

Wowereit habe Mehdorn wieder rausgehauen, ist zu hören. Vor allem aus Brandenburg gab es Widerstand. Mehdorn wirkt erschöpft, aber erleichtert. Denn er weiß: Er wird Wowereit wieder in Anspruch nehmen. Denn das Geld reicht nicht. Der Flughafen ist zu klein.

Es gibt diesen Aussichtsturm am neuen Hauptstadtflughafen. Gruppen erklimmen regelmäßig die 38 Meter hohe Plattform und viele sind verblüfft: über die Ruhe. Der Blick schweift über leere Straßen und Parkhäuser vor einer leeren Startbahn, über die allenfalls mal ein Bus mit Besuchern fährt.

Wenn die Ruhe irgendwann 2016 oder 2017 endet und der Flughafen in Betrieb geht, bietet er Platz für 27 Millionen Passagiere im Jahr. Das Problem ist: Die alten Flughäfen Tegel und Schönefeld hatten im vergangenen Jahr schon mehr als 26 Millionen. Wie andere Metropolen lockt Berlin immer mehr Touristen, außerdem zunehmend Kongressbesucher und Geschäftsreisende. Berlins Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gewachsen.

«Im operativen Geschäft sind wir wahrscheinlich Deutschlands erfolgreichster Flughafen», sagt der frühere Bahn- und Air-Berlin-Chef. 2020 rechnet er mit 35 Millionen Passagieren. Und Mehdorn wäre nicht Mehdorn, hätte er nicht schon eine unkonventionelle Lösung im Kopf. Doch die wird nicht billig.

Wer sich auf dem Aussichtsturm vom Neubau wegdreht und nach Norden schaut, erblickt sie direkt nebenan: den früheren DDR-Zentralflughafen in Schönefeld. Das Terminal ist äußerlich eine Mischung aus Bürokomplex und Nachkriegs-Bahnhofshalle. Eigentlich sollte Schönefeld-Alt schließen, wenn der neue Airport fertig ist.

Mehdorn will den Altbau nun weiterbetreiben, um so bis zu 12 Millionen Passagiere zusätzlich befördern zu können. Fünf Millionen Euro hat ihm der Aufsichtsrat bewilligt, damit er die Idee durchplanen kann. Im September will Mehdorn Vorschläge machen. Schon jetzt kursieren Zahlen von bis zu 200 Millionen Euro, die die Sanierung des alten Terminals verschlingen könnte. Das ist aber nicht bestätigt.

«Mehr Flughafen kostet mehr Geld und dauert länger», verteidigt sich Mehdorn gegen Kritik an den schon jetzt auf 5,4 Milliarden Euro gewachsenen Kostenrahmen. «Ich kann darin den Skandal nicht erkennen.» Dabei verschweigt er, dass in den vergangenen Jahren die Kosten stärker wuchsen als die Flughafenfläche. Das hat mit Pfusch am Bau zu tun, mit Planungsfehlern und mit Missmanagement.

«Der BER wird eher preiswerter Airport», gibt sich Mehdorn überzeugt. Mehr als die Hälfte der Bausumme habe der Betreiber über Kredite und Eigenmittel selbst beigetragen. Doch auch die 5,4 Milliarden Euro reichen nur, wenn er Ende 2015, Anfang 2016 endlich fertig gebaut hat. Und im europäischen Vergleich ist der Flughafen schon jetzt mehr oberes Mittelfeld denn «preiswert».

Auf dem Aussichtsturm des neuen Flughafens steht eine Webcam, damit auch Luftfahrtfreunde in Australien oder Brasilien sehen können, was sich am drittgrößten deutschen Airport tut. Sie sendet 360-Grad-Fotos im Stundentakt. Lässt man sie ablaufen wie ein Daumenkino, ändert sich nichts. Abgesehen vom Licht, dem Lauf der Sonne und dem Wolkenzug.

Denn die Arbeit an dem fast fertigen Flughafen spielt sich im Verborgenen ab, und das schon seit zwei Jahren. Ingenieure feilen an Plänen, nach denen die Komponenten der Brandschutzanlage endlich richtig zusammenarbeiten sollen. Arbeiter krabbeln durch Deckenhohlräume, ziehen Kabel heraus und neue hinein. Wenn nebenan, von Schönefeld-Alt gerade keine Maschine abhebt, kann man auf dem Aussichtsturm sogar die Vögel zwitschern hören.

Burkhard Fraune, dpa