Schönefeld Es war mal von Technikproblemen die Rede, von Brandmeldern und Luftströmen. Heute ist das Nebensache. Es dominiert politisches Hickhack um Nachtflüge und Personal. Das lässt nichts Gutes ahnen. Der Aufsichtsrat des Flughafens Berlin: «eine Schlangengrube» und «ein Hühnerhaufen». Die Devise: Jeder gegen jeden. «Ich war in 18 Aufsichtsräten, aber sowas habe ich sonst nicht […]

Schönefeld

Es war mal von Technikproblemen die Rede, von Brandmeldern und Luftströmen. Heute ist das Nebensache. Es dominiert politisches Hickhack um Nachtflüge und Personal. Das lässt nichts Gutes ahnen.

Der Aufsichtsrat des Flughafens Berlin: «eine Schlangengrube» und «ein Hühnerhaufen». Die Devise: Jeder gegen jeden. «Ich war in 18 Aufsichtsräten, aber sowas habe ich sonst nicht erlebt.» Der das kürzlich sagte, heißt Hans-Olaf Henkel und war nicht nur Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Henkel führte in turbulenter Zeit den Flughafen-Aufsichtsrat. Das war in den 90er Jahren. Doch heute öffnen sich in dem Gremium wieder tiefe Gräben. Berlin keilt gegen Potsdam, Potsdam keift zurück, der Bund bekommt die Querschläger – und die Baustelle? Gerät aus dem Blick. Geht es so weiter, blockiert der politische Streit den neuen Hauptstadtflughafen mehr als die Technikprobleme.

Man kann sich den neuesten Eklat so vorstellen: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) blickt im Roten Rathaus auf sein Handy und reibt sich die Augen. Seine Partner, Brandenburg und der Bund mit Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU), haben die Presse auf die Baustelle eingeladen. Stolz wollen sie den neuen «Chefberater» für das havarierte Großprojekt präsentieren, Wilhelm Bender, gerühmter Flughafen-Manager aus Frankfurt.

Die Berliner Senatskanzlei ist nicht informiert, geschweige denn eingeladen, wie es heißt. Für Wowereit muss diese Botschaft am Mittwoch stark nach Grönemeyer geklungen haben: «Wir feiern hier ’ne Party, und Du bist nicht dabei.» Ausgerechnet ohne ihn, der sich als Aufsichtsratschef lange mit dem Bau geschmückt hat, dann aber auch den Kopf hinhält für das Fiasko um geplatzte Eröffnungstermine und ausufernde Kosten. Und der dann für Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den Posten räumt.

Eineinhalb Stunden vor Beginn sagt der Flughafen die «Party» ab, ohne nähere Gründe zu nennen. Wer im Hintergrund auf der Absage bestanden hat, bleibt offen. «Die Gesellschafter müssen sich untereinander noch abstimmen», heißt es später.

Die Episode offenbart, dass unter den Verantwortlichen nicht mehr viel zusammenläuft – nicht erst seit Platzeck vergangene Woche urplötzlich ankündigte, nun für mehr Nachtruhe zu kämpfen. Seine rot-rote Koalition, bedrängt durch ein Volksbegehren, spricht von einem Flugverbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr – bisher ist es von Mitternacht bis 5.00 Uhr geplant. Auch wenn die Koalition in ihren Beschlüssen Festlegungen auf Zeiten vermeidet – die Wirtschaft ist heute noch fassungslos.

Nach nur wenigen Wochen als Aufsichtsratschef sitzt Platzeck in der Zwickmühle: Will er als Landesvater die Anwohner im dicht besiedelten Flughafen-Umfeld schützen? Oder im Aufsichtsrat wie zuvor für einen leistungsfähigen Airport kämpfen? Platzeck mache sich vom Acker, schimpft Wowereit. Brandenburg kontert, Berlin blicke nicht über den Tellerrand – geradezu provinziell. Aber die beiden SPD-Männer bleiben «politische Freunde». So versichert es am Donnerstag der Senat.

«Leider streiten die beiden seit einigen Tagen dermaßen, dass es mir als Bund fürchterlich unangenehm ist», zieht sich unterdessen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) als dritter Gesellschafter im Bundestag aus der Affäre. Die SPD hatte ihm vorgeworfen, die Verantwortung auf die Länder abzuwälzen.

Die Baustelle gerät bei alledem aus dem Fokus. Technikchef Horst Amann – im August auch aus Frankfurt geholt – lässt auf 300 000 Quadratmetern alle Decken öffnen, um überhaupt mal zu sehen, wie groß die Baumängel und Planungsfehler sind. Mit Umplanungen dauert das Monate, erst dann wird wieder richtig gebaut. Heute kann der bullige Bauingenieur nicht mal das Licht im Terminal ausschalten. Und auch Amann schießt gegen den Aufsichtsratschef – den alten wie den neuen: kritisiert den Rauswurf der Generalplaner unter Wowereit und stellt sich offen gegen Platzeck und seinen Nachtflugvorstoß.

Das alles lässt wenig hoffen für die anstehende Suche nach einem neuen Flughafenchef. Seinen Mann Rainer Schwarz konnte Wowereit nach der vierten Eröffnungsabsage gegen den Bund nicht mehr im Chefsessel halten. Platzeck wollte dann Bender für den Posten, doch schon die Verhandlungen mit dem Ex-Fraport-Chef und SPD-Mann gerieten in Gefahr, weil sie durch Indiskretionen publik wurden. «Unerträglich, dass hier hochrangige Vertreter nicht das Wasser halten können», schimpfte Wowereit. Der neue Flughafenchef wird nicht nur viel von Fliegerei verstehen müssen. Er muss auch ein Diplomat sein.

Quelle: Burkhard Fraune, dpa