Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert
Berlin Die Äußerungen der Verantwortlichen hatten es erahnen lassen. Es wird nichts mit den ersten Starts vom Hauptstadtflughafen im März 2013. Die Berliner müssen wahrscheinlich sieben Monate länger warten. Blamage, dritter Teil: Noch einmal muss die Eröffnung des neuen Flughafens Berlin Brandenburg verschoben werden. Das kostet Händler, Gastronomen, Fluggesellschaften und den Steuerzahler eine Menge Geld. […]
Berlin
Die Äußerungen der Verantwortlichen hatten es erahnen lassen. Es wird nichts mit den ersten Starts vom Hauptstadtflughafen im März 2013. Die Berliner müssen wahrscheinlich sieben Monate länger warten.
Blamage, dritter Teil: Noch einmal muss die Eröffnung des neuen Flughafens Berlin Brandenburg verschoben werden. Das kostet Händler, Gastronomen, Fluggesellschaften und den Steuerzahler eine Menge Geld. Eine Übersicht über Ursachen und Folgen.
Warum ist für das Projekt noch ein weiteres halbes Jahr nötig?
Nach der zweiten Absage eines Eröffnungstermins nur vier Wochen vor dem geplanten 3. Juni standen die Beteiligten unter Druck, schnell ein neues Datum zu nennen. Der 17. März 2013 wurde aber schon bald wieder in Zweifel gezogen, zu groß war die Ungewissheit, wie es um die Mängel im Flughafengebäude wirklich steht. Kern des Übels war und ist die Brandschutzanlage, die nach Experteneinschätzung noch bei weitem nicht betriebsbereit ist. Aus Frankfurt kam im August der neue Technikchef Horst Amann, und «er hat den Reset-Knopf gedrückt», wie ein Projektbeteiligter sagt. Also alles auf Anfang. Amann machte sich eigenes Bild von der Lage und entwickelt nun ohne Rücksicht auf alte Vorgaben eine neue Planung für die komplexen Systeme im Terminal.
Wen trifft die Verzögerung unmittelbar?
Die Liste der Betroffenen ist lang. Einzelhändler und Gastronomen wollten im Abfertigungsgebäude Geld verdienen, auf die ersten Umsätze müssen sie jetzt noch länger warten. Weil die Eröffnung sich nun um mehr als 18 Monate verzögert, können wohl einige Ladenbesitzer vertragsgemäß Regressforderungen stellen. Den Hotels am Flughafen fehlen nach wie vor Gäste, Bürogebäude bleiben erst einmal leer. Das kleine Jobwunder bleibt einstweilen aus. Am Airport werden dereinst 20 000 Menschen arbeiten, 2000 bis 3000 mehr als an den alten Flughäfen Tegel und Schönefeld. Etwa 9000 weitere Jobs sollen im Umfeld entstehen. Schließlich können die Fluggesellschaften ihre Pläne nicht oder nur eingeschränkt verwirklichen. Das trifft vor allem Air Berlin, die Nummer eins an den Berliner Flughäfen, die am neuen Standort ein Drehkreuz etablieren will.
Was bedeutet das für Tegel und Schönefeld alt?
Die beiden Berliner Flughafen und ihre Fluggäste müssen nun weiter mit Enge, alter Technik und provisorischen Lösungen zurechtkommen. Gerade Tegel platzt mit 17 Millionen Passagieren (2011) aus allen Nähten. Die Lufthansa glaubt, dass das bis Herbst 2013 «irgendwo noch machbar» sein wird. Die Sommersaison dieses Jahres habe Tegel «gut durchgestanden», sagt Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber. Schwierig könnte es im kommenden Winter werden. Für die größere Zahl von Flugzeugen auf Außenpositionen müssen größere Flächen vom Schnee geräumt werden. Die zeitgleiche Enteisung mehrerer Maschinen könnte problematisch werden.
Wird das Projekt jetzt noch teurer?
Damit ist zu rechnen. Vor allem die Fluggesellschaften, aber auch Händler dürften Schadenersatz verlangen. Dem Flughafen entgehen weitere Mieteinnahmen. Der längere Betrieb der alten Berliner Flughäfen mit zusätzlichem Personaleinsatz kostet Geld. Die Baukosten des Airports waren ursprünglich auf 2,5 Milliarden Euro taxiert worden. Im Juni ging die vom Bund, Berlin und Brandenburg getragene Flughafengesellschaft schon von knapp 3 Milliarden Euro aus. Zuletzt wurden bis zu 4,3 Milliarden Euro erwartet, darin enthalten sind bis zu 591 Millionen Euro für erweiterten Lärmschutz. Klar ist schon jetzt, dass die Gesellschafter Geld nachschießen müssen.
Wer ist für die mehrmalige Verschiebung verantwortlich?
Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Allem Anschein nach gab es eine Kette von Fehlern. Im Frühjahr 2010 ging einer der Generalplaner, ein Ingenieurbüro, in die Insolvenz. Dadurch verzögerte sich die gesamte Planung. Das war zumindest einer der Gründe für die erste Verschiebung. Für die zweite Absage wurde vor allem Technikchef Manfred Körtgen verantwortlich gemacht, der den Überblick verloren habe. Er musste seinen Posten aufgeben. Diskutiert wird, ob Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz zu spät eingegriffen hat. Politisch verantwortlich sind die Aufsichtsratsmitglieder, allen voran der Vorsitzende Klaus Wowereit (SPD), Regierungschef von Berlin, und dessen Stellvertreter Matthias Platzeck (SPD), der Ministerpräsident von Brandenburg. Bislang haben sie die Pannenserie im Amt überstanden, auch wenn ihr Ruf ramponiert ist.
Bernd Röder, dpa