Braunschweig, 17. Mai 2017 Ein Airbus fliegt über einen kleineren Jet hinweg. Luftwirbel drehen die Maschine und drücken sie in die Tiefe. Die Piloten können die Katastrophe mitten über dem Indischen Ozean knapp verhindern. Der Fall wirft aber Fragen über die Sicherheitsabstände im Luftraum auf. Der Luftwirbel eines Airbus hätte beinahe den Absturz eines deutschen […]

Braunschweig, 17. Mai 2017

Ein Airbus fliegt über einen kleineren Jet hinweg. Luftwirbel drehen die Maschine und drücken sie in die Tiefe.

Die Piloten können die Katastrophe mitten über dem Indischen Ozean knapp verhindern. Der Fall wirft aber Fragen über die Sicherheitsabstände im Luftraum auf.

Der Luftwirbel eines Airbus hätte beinahe den Absturz eines deutschen Business-Jets über dem Arabischen Meer ausgelöst. Das bestätigt der Zwischenbericht, den die Braunschweiger Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) jetzt über den Vorfall von Anfang Januar veröffentlicht hat.

Was ist über dem Arabischen Meer genau passiert?

Die beiden Flugzeuge, ein Airbus vom Typ A380 und die zweistrahlige Challenger vom Typ 604, flogen mit dem vorgegebenen Höhenabstand von etwa 300 Metern in entgegengesetzter Richtung übereinander hinweg. 48 Sekunden später und schon mehr als 27 Kilometer voneinander entfernt, geriet das kleinere Flugzeug in eine Wirbelschleppe des Airbus. Die 20-Tonnen-Maschine stürzte mehr als 2500 Meter tief, wurde aber von den Piloten abgefangen und in Muskat im Golfstaat Oman gelandet. Vier nicht angeschnallte Passagiere und eine Stewardess wurden verletzt, das Flugzeug wurde schwer beschädigt.

Was ist überhaupt eine Wirbelschleppe?

Jedes Flugzeug erzeugt unsichtbare Turbulenzen, die für nachfolgende Maschinen gefährlich werden können. Die Stärke hängt von Größe, Gewicht und Geschwindigkeit der Maschine ab. Wirbelschleppen entstehen vor allem am Flügelende. Dort treffen der Unterdruck der Tragflächenoberseite und der Überdruck der Unterseite aufeinander. Dieser Druckunterschied ist die Voraussetzung dafür, dass ein Flugzeug fliegt. Deshalb lassen sich die Turbulenzen nicht vermeiden.

Wie wird in der Luft auf das Phänomen reagiert?

Die Luftwirbel breiten sich korkenzieherförmig hinter den Flügeln aus und können minutenlang bestehen bleiben. Nachfolgende Maschinen müssen daher ausreichend Abstand nach hinten und nach unten halten. Fliegt ein kleines Flugzeug in einen solchen Wirbel hinein, kann es auf den Rücken gedrückt werden oder sich – wie im aktuellen Fall – mehrmals um die Achse drehen. Deshalb beträgt der vertikale Sicherheitsabstand, den Flugzeuge einhalten müssen, 300 Meter.

Welche Konsequenzen hat der Bericht der Flugunfall-Experten?

Erstmal keine. In dem Zwischenbericht werden zunächst nur gesicherte Fakten wiedergegeben. Erst der Abschlussbericht etwa ein Jahr nach dem Ereignis benennt die Ursache. Die BFU-Experten prüfen derzeit unter anderem, ob der Sicherheitsabstand zwischen den Flugzeugen zu gering sein könnte. Sollten sie zu diesem Schluss kommen, könnten sie eine Sicherheitsempfehlung geben, die Maschinen breiter zu staffeln.

Muss man sich als Passagier in einem kleinen Flugzeug sorgen machen?

Nein, Fliegen ist nach wie vor sicher. Mit den derzeit international geltenden Abstandsregeln werden täglich tausende Flüge durchgeführt und ein solches Ereignis wird als eine absolute Ausnahme betrachtet. Sollte es einen Vorschlag der BFU-Experten für Änderungen geben, wäre die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO (International Civil Aviation Organization) zuständig. Sie legt die Regeln fest.

Richten Wirbelschleppen auch am Boden Schäden an?

Eindeutig ja. Im Westen des größten deutschen Flughafens in Frankfurt/Main kommt es immer wieder dazu, dass Dachziegel von starken Wirbelschleppen herausgerissen werden. Der Flughafenbetreiber Fraport zahlt den Hausbesitzern in der definierten Einflugschneise auf Antrag die Dachsicherung, die im Schnitt 12 000 Euro kostet. In den vergangenen Monaten wurden jeweils bis zu drei Zwischenfälle gemeldet, bei denen die Schleppen als Schadensursache zumindest nicht ausgeschlossen werden konnten.

Christian Brahmann und Christian Ebner, dpa