Dalarna, 01. Mai 2018 Mittsommer ist in Schweden ist fast noch wichtiger als Weihnachten. Gemeinsam feiern die Menschen den Beginn des Sommers. Blumen, Hering, Schnaps und Tänze um die Midsommarstång dürfen nicht fehlen. In Dalarna können Urlauber mitfeiern. Mit Blumenkränzen im weißblonden Haar und wehenden Kleidern, die beim Tanzen um den geschmückten Baum mitschwingen, feiern […]

Dalarna, 01. Mai 2018

Mittsommer ist in Schweden ist fast noch wichtiger als Weihnachten. Gemeinsam feiern die Menschen den Beginn des Sommers. Blumen, Hering, Schnaps und Tänze um die Midsommarstång dürfen nicht fehlen. In Dalarna können Urlauber mitfeiern.

Mit Blumenkränzen im weißblonden Haar und wehenden Kleidern, die beim Tanzen um den geschmückten Baum mitschwingen, feiern die Schweden Midsommar. Dafür treffen sich Freunde und Verwandte an einem warmen Sommertag, an dem die Sonne niemals untergeht und die Trinklieder und der Schnaps nicht enden wollen. Das sind zumindest die gängigen Klischees, wie ein ausgelassenes Mittsommerfest abläuft.

Als das Fest in Dalarna am Siljansee beginnt, sind die Wolken dagegen grau – statt Sonnenstrahlen fallen dicke Regentropfen vom Himmel. Kurzerhand schnappen sich zwei Männer jeweils einen großen Sonnenschirm. Darunter versammeln sich mehrere Musiker mit ihren Geigen, Gitarren und einer Ziehharmonika. Dicht gedrängt stehen Jung und Alt nebeneinander. Jeder, der ein Instrument spielen kann, ist willkommen. Gemeinsam stimmen alle fröhliche Volkslieder an, die in Schweden gånglåtar genannt werden.

Von dem miesen Wetter lässt sich in Olsnäs keiner beirren. Der Ort liegt direkt am Siljansee, nicht weit von der Stadt Leksand entfernt, mitten in Schweden in Dalarna. Die Region ist viermal so groß wie Bayern und gilt als besonders traditionell. Von hier kommen das Dala-Holzpferd und die rote Farbe für die Schwedenhäuser. Dalarna bedeutet – passend zur hügeligen Landschaft – «die Täler».

Auf dem Gelände der Ferienanlage Olsnäsgården leben in einigen roten Häusern dauerhaft Einheimische. Außerdem gibt es Zelt- und Campingplatz sowie Ferienhäuser, die einige Schweden nur im Sommer bewohnen oder Touristen mieten können. Die Unterkünfte sind an Mittsommer schnell ausgebucht. Im Sommer können Besucher auf dem Siljansee Kanu fahren und schwimmen. Auch Wanderungen lohnen sich, etwa durch die Nationalparks Fulufjällets und Töfsingdalens. Der Wildtierpark in Orsa gehört zu den größten Raubtierparks Europas.

Auch Kicki Bergkvist, 52, hat in Olsnäsgården mit ihrem Mann Johan ein Sommerhaus. Gemeinsam mit ihren Töchtern sowie Freunden und Verwandten feiern sie hier Mittsommer. Für die meisten Schweden ist es ein großes Familienfest, wie Weihnachten.

Da kommen Kinder, Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel und Freunde zusammen, um nach langen, dunklen Wintertagen die Rückkehr des Lichts und des Sommers zu begrüßen. Oft läutet Mittsommer auch den Beginn der fünfwöchigen Sommerferien ein. Viele Schweden fahren dann in ihre Häuschen aufs Land. In dieser Zeit sind Städte wie Stockholm oder Göteborg fast menschenleer.

Kicki trägt die typische Tracht von Leksand: eine weiße Bluse, ein geblümtes Tuch, ein besticktes Mieder, einen schwarzen, wadenlangen Rock mit bunter, gestreifter Schürze, weiße Strümpfe und schwarze Lederschuhe mit roten Bommeln daran. Einen deutschen Besucher erinnert das Outfit ein bisschen an die Dirndl aus Bayern.

Kennern verrät die Tracht, aus welcher Region jemand kommt. Männer aus der Stadt Mora etwa erkennt man an ihren blauen Strümpfen, Frauen tragen dort rote Strümpfe. Manche Frauen bedecken ihren Hinterkopf mit einer Haube, als Zeichen, dass sie verheiratet sind. Kicki ist zwar verheiratet, trägt aber auf dem Kopf einen Blumenkranz.

Den Schmuck hat sie gemeinsam mit anderen Frauen geflochten. Das Kranzbinden ist gar nicht so einfach. Auf einem Tisch stehen mehrere Vasen, gefüllt mit Blaubeerzweigen und frisch gepflückten Wildblumen: Klee, Margeriten, Butterblumen und blaue Glockenblumen. Daneben liegen Scheren, dünner Draht und junge Birkenzweige.

Zunächst formt Kicki aus den biegsamen Zweigen einen Kreis, der bequem auf ihren Kopf passt. Zum Fixieren wickelt sie den dünnen Blumendraht einmal komplett um den Kranz. Dann nimmt sie einige Wildblumen und bindet diese zu einem kleinen Sträußchen zusammen, steckt noch ein paar Blaubeerzweige dazu und schneidet alles auf eine Länge. Das Sträußchen bindet Kicki dann an den Kranz, und das Ganze wiederholt sie so lange, bis unter ihren flinken Fingern nach und nach ein üppiger Blumenschmuck entsteht.

Je mehr Blumen die Frauen verwenden, umso prächtiger wirkt der Kranz. Damit er gleichmäßig geformt ist, braucht es Geschick und Erfahrung. Anfänger erkennt man daran, dass sie eher ein unförmiges Vogelnest aus Grünzeug auf dem Kopf tragen.

Auf dem Festplatz spielt das später keine so große Rolle mehr: Da liegt der Midsommarbaum – die sogenannte Midsommarstång. Drum herum stehen viele Festgäste, die den Holzstamm schmücken. Schließlich lässt auch der Regen nach. Und während die Musiker unter einem Pavillon spielen, schneiden die anderen Margeriten und Butterblumen zurecht und binden sie an die gekreuzten Querstangen, bis der Baum üppig verziert ist. Jeder Ort schmückt seinen Stamm mit eigenen Symbolen und nach eigenen Traditionen. In Olsnäs dominieren die Farben Gelb, Blau und Weiß sowie Herzen aus Birkenzweigen.

Früher feierten die Schweden Mittsommer immer am 24. Juni. Mittlerweile wurde das Fest arbeitgeberfreundlich verlegt. Laut einem Gesetz aus dem Jahr 1953 wird Mittsommer immer an dem Samstag gefeiert, der zwischen dem 20. und dem 26. Juni liegt. In diesem Jahr fällt Mittsommer also auf den 23. Juni.

Wer mitfeiern will, findet in der Region Dalarna viele Gelegenheiten dazu. Denn rund um den Siljansee gibt es jeden Sommer mehr als 100 Midsommarfeste, auch noch Wochen nach dem offiziellen Datum. Warum? Kicki erklärt es so: «Früher halfen sich die Bewohner gegenseitig bei der Ernte. Damit trotzdem keiner das Fest in seinem Heimatort verpassen musste, feierten die Leute einfach mehrfach.»

Und dann ist es soweit: Mehrere Männer stehen rechts und links neben dem prächtigen Midsommarbaum. Der Stamm ist wegen seiner Größe schwer zu handhaben. Die Männer benutzen lange, gekreuzte Stangen, mit denen sie den Baum Stück für Stück aufrichten. Dabei müssen sie darauf achten, dass er nicht zur Seite wegkippt. Nach etwa einer Viertelstunde steht der Baum endlich senkrecht. Ein Kraftakt! Am Ende befestigt ihn noch einer der Männer, indem er ihn mit einem Stahlseil und Schrauben an einem großen, aufrechtstehenden Stein fixiert. Die Zuschauer klatschen und versammeln sich mit den Musikern in einem Kreis um den Baum.

Gemeinsam stimmen sie eines der gånglåtar an: das Kinderlied Små grodorna (Die kleinen Frösche). Und schon beginnen alle zu tanzen. Munter hüpfen sie um den Baum, dann fassen sie sich an den Händen, laufen in einer langen Kette hintereinander her. Plötzlich bleiben alle stehen und greifen sich an die eigenen Ohren, dann springen sie in die Luft. Ein buntes Treiben, viel Gelächter. Auch wenn sie von außen kaum erkennbar ist, gibt es eine klare Choreographie. Wer sie nicht kennt, lässt sich einfach mitreißen. Es folgen weitere traditionelle Volkslieder, Spiele, Tanz und Gesang.

An Mittsommer essen die Schweden unterschiedlich eingelegten Hering, auch sill genannt. Dazu gibt es junge Kartoffeln, Dill, Sauerrahm, rote Zwiebeln und Bier sowie Schnaps. Manche Familien haben ihre eigenen Traditionen. Sie grillen beispielsweise Elchwurst, Steak oder Rippchen oder servieren gebackenen Lachs. Zum Nachtisch kommen häufig Erdbeeren auf den Tisch – mit Eis, Sahne oder einer Biskuitrolle serviert, rulltårta genannt. Zwischendurch ertönen immer wieder Trinklieder. Der Himmel bleibt zu dieser Jahreszeit noch lange hell, und so feiern viele bis tief in die Nacht hinein.

Früher war Mittsommer eine gute Gelegenheit, andere Heiratswillige zu treffen. Laut einer Legende herrscht in dieser Nacht eine magische Stimmung für Liebende. Die Mädchen müssen auf ihrem Nachhauseweg sieben verschiedene Blumen von sieben verschiedenen Wiesen pflücken und diese unter ihr Kopfkissen legen. Wenn sie dabei ganz still waren, über einen Zaun geklettert sind und am nächsten Tag keinem ihren Traum verraten, dann – aber auch nur dann – erscheint ihnen im Schlaf ihr zukünftiger Ehemann.

Info-Kasten: Midsommar in Schweden

Anreise: Airlines wie SAS, Lufthansa, Easyjet und Eurowings fliegen von Deutschland aus mehrmals täglich nach Stockholm. Mit dem Zug vom Bahnhof im Airport weiter bis Falun, dort auf einen Mietwagen umsteigen. Wer mit dem eigenen Auto fahren will, kann in Puttgarden, Saßnitz, Rostock oder Travemünde die Fähre nach Schweden nehmen.

Übernachtung: Die Hütten bei Olsnäsgården kosten etwa 120 Euro pro Nacht. In der Ferienanlage können Gäste auch campen.

Mittsommer feiern: Rund um den Siljansee gibt es viele Möglichkeiten, Mittsommer zu feiern, etwa in den Ortschaften Rättvik, Leksand, Mora und Orsa. Wer das Fest gemeinsam mit einer schwedischen Familie erleben will, findet auf Portalen wie «A Slice of Swedish Hospitality» in Skåne oder «Meet the Locals» in Westschweden Einheimische, die Gäste bei ihrer Feier willkommen heißen.

Außerdem veranstaltet das Freilichtmuseum Skansen in Stockholm ein Fest mit traditioneller Musik, Volkstänzen und einem Essensmarkt. Auch auf der Schäreninsel Sandhamm können Besucher Mittsommer erleben und dort anschließend übernachten. Bei Korstäppans Herrgård können Urlauber fertige Midsommar-Pakete buchen.

Sehenswürdigkeiten: In Dalnara gibt es die Bergwerke von Falun zu sehen, die seit 2001 Unesco-Weltkulturerbe sind. Außerdem kann man die Künstlerhäuser der Maler Carl Larsson und Anders Zorn besichtigen sowie Knäckebrot-Fabriken und Manufakturen, wo die bekannten Dala-Holzpferde gefertigt werden.

Information: Visit Sweden, E-Mail: germany@visitsweden.com, www.visitsweden.de.

Isabelle Modler, dpa