Bis zu minus 26,7 Grad: So eisig war es in der bisher kältesten Nacht des Jahres. Dank Hoch «Gisela» bleibt es zwar frostig, das Wetter zeigt sich aber auch freundlicher. Viele Menschen zieht es da nach draußen in die Winterlandschaft – was zu manchen neuen Risiken führt. Berlin (dpa) – Nach unzähligen Verkehrsunfällen auf verschneiten […]

Bis zu minus 26,7 Grad: So eisig war es in der bisher kältesten Nacht des Jahres. Dank Hoch «Gisela» bleibt es zwar frostig, das Wetter zeigt sich aber auch freundlicher. Viele Menschen zieht es da nach draußen in die Winterlandschaft – was zu manchen neuen Risiken führt.

Nach unzähligen Verkehrsunfällen auf verschneiten und glatten Straßen in den vergangenen Tagen häufen sich nun auch wetterbedingte Freizeitnotfälle. In einem Teich in einem Park in Berlin suchten Retter am Mittwoch stundenlang nach einem Mann, der anscheinend bewusst ins Wasser gestiegen war – mutmaßlich zum Baden oder Tauchen. Der Feuerwehr zufolge wurde er «unter Reanimationsbedingungen» in eine Spezialklinik gebracht.

In Thüringen verletzten sich beim Rodeln mit einem aufblasbaren Kanu ein zehnjähriges Mädchen schwer sowie der Vater und ein weiteres Kind leicht. In Nordrhein-Westfalen retteten Ersthelfer einen zehnjährigen Jungen mithilfe einer Leiter aus einem zugefrorenen Ententeich, in den das Kind bis zur Brust eingebrochen war. Beide Unfälle passierten schon am Dienstag und wurden am Mittwoch von der Polizei gemeldet. Vielerorts warnten Behörden eindringlich davor, zugefrorene Gewässer zu betreten, da die Sicherheit der Eisflächen trüge.

Es bleibt frostig in Deutschland. Dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge war die Nacht auf Mittwoch die kälteste Nacht des bisherigen Jahres. «Über der tief verschneiten Mitte und dem Osten kühlte es gebietsweise auf unter minus 20 Grad ab», erläuterte Meteorologe Adrian Leyser. «“Coldspot“ war dabei Thüringen mit einem Tiefstwert von minus 26,7 Grad Celsius, gemessen in Mühlhausen.»

Im Schienen- und Straßenverkehr kam es am Mittwoch weiterhin zu Behinderungen. «Schritt für Schritt arbeiten die Einsatzkräfte daran, immer mehr Verbindungen für die Fahrgäste frei zu machen», hieß es von der Deutschen Bahn (DB). «Bei bis zu minus 20 Grad Celsius arbeiten Tausende Mitarbeitende rund um die Uhr daran, den Bahnverkehr wieder zum Laufen zu bekommen. Widrige Wetterumstände erschweren den Räum- und Reparaturtrupps die Arbeit, auch Züge und Maschinen leiden unter den extremen Bedingungen.»

Nach Angaben der Bahn liefen die wichtigsten Nord-Süd- und Ost-West-Fernverkehrsverbindungen am Mittwoch «überwiegend stabil, wenn auch mit deutlichen Verspätungen». Auf einigen Strecken ging aber nichts – wie schon an den vorangegangenen Tagen: So fuhren beispielsweise von Dresden auch am Mittwoch keine Fernzüge in Richtung Leipzig, Frankfurt, Hannover und Köln, wie es im Internetauftritt der Bahn hieß. Immerhin: Von diesem Donnerstag an soll der Fernverkehr zwischen Dresden und Frankfurt wieder aufgenommen werden.

Auf der Autobahn 2 bei Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) beruhigte sich die Lage nach dem Schneechaos vom Dienstag. Der Polizei zufolge rollte der Verkehr am Mittwochmorgen. Es bestehe aber noch eine «latente Gefahrenlage» durch Lastwagen, die auf dem Standstreifen parkten, weil die Fahrer ihre Ruhezeiten einhalten müssten – und schliefen. Ähnlich war die Lage weiter östlich auf der A2 in Niedersachsen: «Wir haben den größten Parkplatz der Republik», sagte ein Sprecher der Autobahnpolizei Braunschweig am frühen Mittwochmorgen. Auf der A2 bei Bielefeld hatten in der Nacht auf Dienstag Hunderte Auto- und Lkw-Fahrer im Schnee festgesteckt und bei klirrender Kälte viele Stunden lang in ihren Fahrzeugen ausharren müssen.

In Baden-Württemberg verletzten sich bei Unfällen auf glatten Straßen mehrere Menschen. So kam bei Rottenburg nahe Tübingen eine Autofahrerin auf schneebedeckter Fahrbahn von der Straße ab. Ihr Auto überschlug sich mehrfach. Die Frau wurde in eine Klinik gebracht. Insgesamt 40 witterungsbedingte Unfälle registrierte die Polizei am Mittwochmorgen allein in den Regionen Esslingen, Neckar-Alb und Zollernalb. An den Albaufstiegen kam es wegen Unfällen und querstehender Lastwagen zu Staus und Sperrungen.

Nicht nur Verkehrsunfälle bringen derzeit viel Arbeit für Helfer mit sich. Viele Patienten kämen mit Verstauchungen und Knochenbrüchen in die chirurgische Notaufnahme, weil sie vor der Haustür, auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen ausgerutscht seien, hieß es von der Uniklinik Rostock. «Wir haben deutlich mehr Patienten als gewöhnlich bei uns», sagte der Chef der Unfallchirurgie, Thomas Mittlmeier.

Große Schneemengen auf dem Dach des Logistiklagers von Amazon in Leipzig bescherten den Mitarbeitern auch am Mittwoch einen freien Tag. «Die Mitarbeiter haben noch schneefrei», sagte Amazon-Sprecher Stephan Eichenseher. Am Montagabend waren sie wegen der Schneemassen nach Hause geschickt worden. «Es besteht keine Einsturzgefahr, es ist eine reine Sicherheitsmaßnahme (…)», sagte Eichenseher.

Am berühmt-berüchtigten Berliner Flughafen BER checken Passagiere wegen der niedrigen Temperaturen vorerst hauptsächlich in Seitengebäuden des neuen Hauptterminals ein. Dort sei es mit Temperaturen über 20 Grad etwas wärmer als in der Haupthalle, erklärte ein Sprecher. Im Terminalgeschoss über dem Flughafenbahnhof waren nach Flughafenangaben am Mittwoch knapp zwölf Grad plus gemessen worden.

Probleme gab es mancherorts mit der Fernwärmeversorgung – so weiterhin in Nürnberg, wo ein Großkraftwerk gebrannt hatte. Dort sollten mobile Heizkraftwerke ans Wärmenetz angeschlossen werden und für Abhilfe sorgen. Eine Havarie führte auch in Jena dazu, dass Hunderte Haushalte nicht mehr mit Fernwärme versorgt werden konnten. In Braunschweig kam es nach technischen Störungen in der Fernwärmeerzeugung sogar fast im gesamten Stadtgebiet zu Einschränkungen, wie der Energie-Versorger BS Energy mitteilte.

DWD-Meteorologe Leyser kündigte auch für die kommenden Tage Gefrierschrank-Temperaturen an. Hoch «Gisela» über Skandinavien nehme immer mehr Einfluss auf das Wetter in Deutschland, das sich deshalb aber auch zunehmend freundlich gestalte. Arktische Kaltluft erreiche nun auch «den in den vergangenen Tagen noch vergleichsweise mollig warmen Süden».

Von deutschen Kälterekorden sind die Temperaturen dieser Tage nach DWD-Angaben übrigens noch deutlich entfernt: Auf der Zugspitze wurden schon einmal minus 35,6 Grad gemessen, während der historische Rekord jenseits der Berggipfel in den 70er Jahren im sächsischen Marienberg mit minus 35,5 Grad verzeichnet wurde.

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