Yellowstone, Yosemite, Grand Canyon: Wer diese allzu berühmten Nationalparks in den USA schon gesehen hat, der sollte nach Texas fahren. Dort wartet eine Überraschung: Big Bend. Terlingua (dpa/tmn) – Mama Schildkröte und ihr Kind liegen gemütlich in der Sonne. Die Reptilien im Rio Grande an der Grenze zwischen Texas und Mexiko sind so groß wie Handteller. Hinzukommt […]

Yellowstone, Yosemite, Grand Canyon: Wer diese allzu berühmten Nationalparks in den USA schon gesehen hat, der sollte nach Texas fahren. Dort wartet eine Überraschung: Big Bend.

Mama Schildkröte und ihr Kind liegen gemütlich in der Sonne. Die Reptilien im Rio Grande an der Grenze zwischen Texas und Mexiko sind so groß wie Handteller. Hinzukommt der dünne, lange Kopf, den Bootsfahrer manchmal aus dem Fluss ragen sehen.

«Das kann auch eine Schlange sein, das sieht man nicht auf den ersten Blick», sagt Jason Lee, der Guide auf dieser Paddeltour auf dem Grenzfluss zwischen den USA und Mexiko im Big-Bend-Nationalpark.

Big Bend Sliders heißen die Schildkröten. Wenn die Sonne scheint, so wie fast jeden Tag hier im Süden der USA, suchen sie sich ein gemütliches Plätzchen auf einem warmen Felsen, der aus dem Wasser ragt. An manchen Stellen sieht man sie zu Dutzenden.

So ein Plätzchen zu finden, ist die meiste Zeit des Jahres nicht allzu schwierig, weil der Fluss zwischen zwei Wüsten liegt und wenig Wasser führt. «Der Rio Grande entspringt in Colorado, doch das Wasser aus den Bergen kommt niemals in Texas an», sagt Lee. Es wird auf dem Weg dorthin schon von anderen den Bundesstaaten verbraucht.

Die einzige Chance, die Wasserstände aufzufüllen, gibt es im Hochsommer. «Das ist unsere Regenzeit», erklärt Ranger Bernie Sapp den Besuchern des Parks beim Chisos Basin.

Auf der anderen Seite der Grenze hat auch Mexiko einen Nationalpark ausgewiesen. Wer in der Mitte des Rio Grande paddelt, befindet sich im Niemandsland, die Grenze im Fluss ist nicht genau auszumachen.

Was den Big-Bend-Nationalpark besonders macht

Big Bend ist weder der größte noch der älteste Park in den USA, doch er gehört zu den beeindruckendsten. «Die Ökosysteme hier sind vielfältig und sie sind schützenswert», sagt Sapp. Durch die verschiedenen Höhen – von 600 Metern im Rio Grande Valley bis hin zur höchsten Erhebung, dem Emory Peak mit knapp 2400 Metern – gibt es viele verschiedene Pflanzen und Tiere.

Tom Vandenberg, Chef der Besucherzentren, hat die Zahlen parat: Insgesamt leben in Big Bend 75 Säugetierarten, 450 Vogelarten, 3600 Reptilienarten und elf verschiedene Amphibienarten – mehr als in jedem anderen Nationalpark in den USA. Zu sehen gibt es etwa den Road Runner, den viele aus Cartoons kennen, außerdem Stinktiere und Rotluchse – und Spinnen, Fledermäuse, Skorpione und diverse Arten von Klapperschlangen. Die verstecken sich aber in der Regel gut und kündigen sich an, wenn man ihnen als Mensch zu nahe kommt.

Wenig Schatten – aber Schwarzbären

Wenn im August und September der Regen kommt, sind normalerweise die wenigsten Besucher da. Im Hochsommer kann es im Südwesten von Texas bis zu 50 Grad heiß werden. Das ist selbst den größten Outdoor-Fanatikern zu viel – zumal man kaum Schatten findet in dem riesigen Areal, das von Bergketten gesäumt wird.

Einzig, wer bei den Chisos Mountains entweder den Windows Trail oder den Lost Mine Trail nimmt, wandert ein Stückchen durch Nadelwälder, weil das Gebiet etwas höher liegt und somit kühler ist. «Hier leben auch Pumas und mexikanische Schwarzbären», erzählt Bernie Sapp. Doch keine Angst: «Wer etwas Lärm macht, verscheucht sie gleich.»

Die meisten Autos und Wohnmobile sind zu Jahresbeginn unterwegs. Januar, Februar und März sind die beliebtesten Reisemonate. «Im März ist das Springbreak, die Frühlingsferien an den amerikanischen Schulen und Universitäten. Dann ist es sehr voll», sagt Vandenberg. Doch auch im restlichen Jahr sollten Besucher ihre Unterkünfte schon zeitig reservieren – auch die Campingplätze, wenn sie mit dem Wohnmobil unterwegs sind. Denn viele davon gibt es nicht. Und bis zu den Orten rund um den Park ist es ein weiter Weg.

Ein Nest und ein Friedhof

Terlingua ist die größte Ortschaft im Nationalpark, rund 2000 Menschen sollen in dem Ort leben, in dem einst Quecksilber abgebaut wurde. Wo diese Leute sich allerdings aufhalten, erschließt sich dem Besucher nur schwer. Kurios scheint, dass das größte Quartier des Ortes der Friedhof ist, der gleich am Ortseingang liegt. Daher kommt auch der Name «Ghost Town», wie man im lokalen Tex-Mex-Restaurant erfährt, das jeden Abend aus allen Nähten platzt.

Wer nicht in Terlingua oder der Umgebung übernachtet, sollte ausreichend Proviant dabei haben. Geschäfte gibt es wenige in der Gegend. Paddelführer Jason Lee weiß, dass man problemlos ohne Einkäufe überleben kann – wenn man sich mit den Pflanzen auskennt. Viele sind essbar oder haben nahrhafte Beeren. Außerdem wachse so manche Heilpflanze in der trockenen Erde.

Wanderung zu den balancierenden Steinen

Und wie vertreiben sich Besucher die Zeit im Park, wenn sie nicht gerade von einem Ende zum anderen fahren, Vögel beobachten oder auf dem Rio Grande unterwegs sind?

«Es gibt jede Menge ausgeschilderter Wanderwege mit verschiedenen Längen und Schwierigkeitsgraden», sagt Ranger Sapp. Von kurzen Spaziergängen bis hin zu tagelangen Wanderungen ist alles möglich. Auch Ausritte in der mitunter bizarren Landschaft sind für viele ein echtes Highlight. Um zu allen Parkplätzen zu gelangen, empfiehlt es sich, mindestens einen kleinen Geländewagen zu mieten. Die Wege zu den Parkplätzen sind teils von tiefen Schlaglöchern übersät.

Natürlich gibt es auch die berühmten Instagram-Spots: kürzere Rundwege, die in ein bis zwei Stunden erwandert sind und erstklassige Fotomotive bieten. Beispiel: der Trip zum Balance Rock, drei Felsen aus Sandstein, die aufgestapelt worden zu sein scheinen. Wie der obere Fels auf die zwei anderen gekommen ist, das weiß niemand so ganz genau. Die Formation sieht aber eindrucksvoll aus, genauso wie der Ausblick auf die felsige Landschaft im Hintergrund.

Eine andere spektakuläre Route, für die man nicht den ganzen Tag braucht, ist der Weg zum Santa Elena Canyon. Zunächst sieht man nur zwei steil aufragende Felswände, zwischen denen der Rio Grande fließt. Der Trail führt ein Stück in die Schlucht hinein und direkt zum Fluss – erst dort erkennt man, wie schroff die 500 Meter hohen Felswände eigentlich sind. Kanuten legen von hier aus zu mehrtägigen Touren in den menschenleersten Teil des Parks ab. «Da kommt einem manchmal tagelang niemand entgegen», sagt Jason Lee.

Ein Kunstmuseum für Hipster mitten im Nirgendwo

Der Big-Bend-Nationalpark grenzt an einen State Park gleichen Namens, nach rund 100 Meilen kurviger Straßen landen Reisende in einem kleinen Ort namens Marfa. Dieser Road Trip wird regelmäßig zu einer der schönsten Routen in den USA gekürt. Für schwache Nerven ist das allerdings nichts, denn es gibt viele scharfe Kurven und Kuppen, bei denen man im ersten Moment nicht sieht, wo die Straße weitergeht.

Marfa ist kaum mehr als eine Kreuzung in der Wüste – aber ein Dorf, das es in den vergangenen Jahren auf so manche Hipster-Bucket-Liste geschafft hat – ein krasser Widerspruch zu der teilweise mondartigen Landschaft im Nationalpark. Früher war hier die US-Armee stationiert, heute sitzt die Chinati Foundation in den 30 Baracken im Nirgendwo. Sie ist der Grund für die Faszination für diesen Ort.

Das Museum hier, das in der Kunstwelt einen erstklassigen Ruf genießt, ist den Werken seines Gründers gewidmet: Donald Judd (1928-1994). Der amerikanische Minimalist hatte die Stiftung 1987 mit Hilfe der New Yorker Dia Art Foundation gegründet. Judd war schon Anfang der 1970er Jahre nach Marfa gezogen, um dort seine Vorstellungen von Kunst und Architektur am Fuße der Chinati-Berge zu verwirklichen. Neben seinen raumgreifenden Werken stellt das Museum großräumige Installationen ausgewählter anderer Künstler aus.

Die Instagramer-Schar ist nicht die erste Welle sehr junger, sehr hübscher Menschen, die den Weg in diese Wüste findet. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Hollywood, James Dean und Elisabeth Taylor standen hier für die Außenaufnahmen des Klassikers «Giganten» vor der Kamera. Im «Hotel Paisano», in dem die Stars damals abstiegen, gibt es noch heute Devotionalien aus diesen Zeiten. Ein paar Meilen nördlich des Ortes, Richtung Zivilisation, erinnern riesige Pappkulissen auf dem freien Feld an den Filmdreh.

Immer wieder sieht man in Marfa neben den Selfie-Jägern aber auch ganz konventionelle Touristen mit leicht angestaubten Wanderschuhen. Sie laufen durch die paar Straßen, zwischen den Betonklötzen auf dem Außenareal der Chinati-Foundation und hinein in die angenehm klimatisierten Baracken. Es sind die Camper aus Big Bend, die sich eine Auszeit von der wilden Schönheit des Parks nehmen.

Info-Kasten: Big Bend in Texas

Klima und Reisezeit: Das Frühjahr und der Herbst sind die besten Jahreszeiten, um den Nationalpark an der Grenze zu Mexiko zu besuchen. Dann sind die Temperaturen warm, aber es wird nicht so glühend heiß wie im Sommer. Schatten gibt es im Park kaum. Die Sommer im Süden von Texas sind extrem heiß, zudem regnet es.

Anreise: Von Deutschland aus fliegen verschiedene Fluggesellschaften den Airport Dalls/Fort Worth normalerweise direkt an. Von dort in rund acht Stunden Fahrzeit zu einer der Einfahrten des Parks. Es gibt alternativ den regionalen Airport Midland/Odessa. Auch von dort aus sind es noch rund vier Stunden mit dem Auto zum Nationalpark.

Einreise und Corona-Lage: Deutsche Urlauber brauchen kein Visum für die USA, müssen unter https://esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis einholen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre. Derzeit sind touristische Einreisen in die USA aufgrund der Pandemie nicht möglich.

Übernachtung: Direkt im Nationalpark können Besucher nur im Wohnmobil schlafen. Einige Hotels und Ferienwohnungen liegen außerhalb der Parkgrenzen. Es empfiehlt sich, Unterkunft oder Stellplatz frühzeitig zu buchen – vor allem für das Frühjahr.

Informationen: Travel Texas, c/o Lieb Management & Beteiligungs GmbH, Bavariaring 38, 80336 München (Tel.: 089/68 90 63 860, E-Mail: texas@lieb-management.de, www.traveltexas.com).

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