Der Wörthersee ist im Sommer ein Besuchermagnet. Doch wie ist es im Winter, wenn die Landschaft unter Schnee liegt? Eine Adventsreise nach Klagenfurt – zwischen trubeligen Märkten und frostiger Stille. Klagenfurt (dpa/tmn) – Die einzigen Badegäste sind heute Enten und Blesshühner. Das Schloss Maria Loretto spiegelt sich im Wörthersee, Strandbäder sind verwaist. Ein Steg führt zum […]

Der Wörthersee ist im Sommer ein Besuchermagnet. Doch wie ist es im Winter, wenn die Landschaft unter Schnee liegt? Eine Adventsreise nach Klagenfurt – zwischen trubeligen Märkten und frostiger Stille.

Die einzigen Badegäste sind heute Enten und Blesshühner. Das Schloss Maria Loretto spiegelt sich im Wörthersee, Strandbäder sind verwaist. Ein Steg führt zum Adventsausflugsschiff, das bereit ist zum Start nach Velden.

Kapitän Kevin Paulie, 35, verkauft selbst Karten. Jetzt zur kühleren Jahreszeit seien keine Saisonkräfte beschäftigt. «Da macht jeder alles», sagt er. Später, beim Blick auf das fast menschenleere Klagenfurter Ufer, gibt er über Lautsprecher durch, dass sich dort im Sommer bis zu 16 000 Besucher pro Tag einfinden.

Adventskulisse vom Wasser aus

Kein Wunder: Der Wörthersee wird auch «Kärntens größte Badewanne» genannt und erwärmt sich im Sommer auf 28 Grad. Die Hochsaison sei sehr herausfordernd wegen der vielen Schwimmer überall, erzählt Paulie. Die Kälte macht die Arbeit für ihn entspannter.

Es ist still auf dem See. Eisiger Wind zieht auf. Die meisten Passagiere haben sich unter Deck verkrochen, nur wenige harren draußen aus, stehend und leicht bibbernd. Die Sitzbänke tragen eine Frostschicht. Die Farben rundherum sind intensiv.

In das Wiesen- und Waldgrün mischt sich das Weiß des Schnees. Im Hintergrund steigen gebieterisch die glitzernden Gebirgsmassen der Karawanken auf. Für noch mehr Winterzauber sorgen die kleinen Adventsmärkte hinter den Anlegestellen und oben im Schatten des Pyramidenkogels, die per Shuttlebus ab Maria Wörth erreichbar sind.

Die Weihnachtsmärkte sind angenehm kitschfrei, Tinnef aus China findet man in den Auslagen nicht. Sondern Produkte aus der Region: Zirbenschnaps, Honig, Schnitzereien aus Birke und Ahorn, Krippen aus Lärchenrinde, Kunstschmiedearbeiten, Kletzenbrot. Da schaut und kauft man gerne. In «Erika’s Mosthütte» gibt es den besten Glühmost weit und breit. Aus Eigenproduktion, versteht sich.

Kärntens größter Christkindlmarkt befindet sich auf dem Neuen Platz in Klagenfurt. Doch in Österreichs südlichster Landeshauptstadt gibt es in der Adventszeit noch weit mehr zu entdecken.

Shopping auf dem Benediktinermarkt

Ein Schaufenster der Region ist der Benediktinermarkt, vor allem donnerstags und samstags, wenn die Stände bis zur Mittagszeit weit in die Gassen um die Marienkirche ausgreifen. Auch hier kommt nichts von der Stange, wie handbeschriftete Marmeladengläser und Sauerkraut in Plastiktütchen zeigen. Dazu Speck und Sülze direkt vom Metzger, Besen und Holzlöffel, Bauernbrotkloben, an denen «keine Fertigbackmischung» steht, Apfelsaft in ausrangierten Wasserflaschen ohne Etikett und Aufdruck eines Mindesthaltbarkeitsdatums. Köstlich. Ein Händler verkauft Kräcker aus Vollkorn und Hafer. Exotische Noten setzt eine Verkäuferin mit selbst erfundenen Ingwer-Kurkuma-Drinks.

Dass mitten auf dem heiteren Markt in einer Vitrine die neuesten Todesanzeigen aushängen, könnte man als österreichisches Faible für Skurrilitäten deuten. Und ein paar Schritte weiter darf man das Werbegedicht eines Händlers auf sich wirken lassen: «Das Beste vom Feld, Hof und Haus / kommt vom Klaus.»

Unter der Woche ist der Koch Stephan Vadnjal, 59, täglich Kunde auf dem Benediktinermarkt. Er schwört auf die Alpen-Adria-Küche, in der Einflüsse aus Kärnten und den nahen Nachbarn Italien und Slowenien zusammenkommen – das Beste aus Bergen, Meer und See.

Improvisationsküche und Lebensart

Was Vadnjal in der Küche seines Restaurants «Dolce Vita» ohne Chichi für die Gäste zaubert, hängt von Saison und Tageseinkäufen ab. «Wir haben kein Kühlhaus», sagt er. Abends fehlt eine Speisekarte, dann geht der Chef persönlich von Tisch zu Tisch, stimmt die Gänge ab, gibt Empfehlungen. Die Dekors sind minimalistisch, nichts soll vom Gastro-Erlebnis ablenken. Man fühlt sich wie in einem etwas größeren Wohnzimmer. Nach Rezept kocht Vadnjal nie. «Das kommt aus dem Bauch heraus.» Er geht ihm um Freude, Spontaneität, Lockerheit.

«Das ist Teil unserer Küche, dass man nichts vorkocht oder vordenkt, sondern einfach macht», erklärt Vadnjal. Passt diese Kochkunst zur südländisch angehauchten Mentalität? «Ja», sagt der Meister.

Bräuchte das selbst erklärte «Genussland Kärnten» eine Werbeikone, Josef Eigensperger wäre ideal. Der 49-Jährige kommt aus der Fernsehbranche und hat seinen «Genussladen» an der südöstlichen Stadtgrenze Richtung Ebenthal. Das Geschäft strahlt Behaglichkeit aus. Ideal für einen Wein oder Grappa. Eigensperger schenkt selber ein (und gerne nach) und gibt Fremden Nachhilfe in Kärntner Lebensart. «Lei lossn» stellt er als oberste Eigenschaft heraus: «Es wird schon werden, nichts überstürzen, immer mit der Ruhe.»

Besuch beim Turmwächter

Kalorien verlieren ist in Klagenfurt kein Problem. Es muss ja nicht so extrem sein wie bei den ambitionierten Hobbysportlern, die für den Ironman Austria-Kärnten trainieren. Es ist das Sportereignis des Jahres in Klagenfurt und am Wörthersee, meist im Frühsommer.

Auch die 225 Stufen auf den Turm der Stadtpfarrkirche Sankt Egid kosten etwas Energie. Hier ist es in der Adventszeit ruhig. Nur einer ist garantiert da, an ihm kommt niemand vorbei: Horst Ragusch, 56. Ein hagerer, herrlich skurriler Typ. «Der einzige bezahlte Türmer in Österreich», wie er über sich sagt.

Der Turmwächter warnte einst in luftiger Höhe vor Feuern und Feinden und mahnte Nachtschwärmer mit einem Glöckchen zur Heimkehr. Heute ist der Türmer ein Guide, doch der Ausdruck für Ragusch zu platt. Er nennt sich «Kulturvermittler». Und nimmt kein Blatt vor den Mund.

Unten in der barocken Kirche sei «vieles nur Tünche», geschaffen, um das Volk zu beeindrucken. Spärlichste Blattgoldüberzüge und marmorgleiche Gipsbemalungen an den Seiten und auf Säulen sollten «den Ausbruch opulenter Formen» vorgaukeln.

Authentisch und farbenfroh ist dagegen das «Letzte Abendmahl» des bekannten Malers Ernst Fuchs über dem Altarraum. Lohnend ist auch der Blick von ganz oben über die Häuserdächer zu den Karawanken. Ragusch erzählt von den hier lebenden Turmfalken. Und von den über vier Dutzend sehenswerten Innenhöfen unten in der Stadt. Zeit für eine ebenerdige Erkundung.

Sightseeing und leise Töne

Begleiterin beim Bummel durch Klagenfurt ist die Einheimische Sandra Weratschnig, 44. Sie nennt Klagenfurt «Juwel der Renaissance» und zeigt Besuchern Klassiker wie das Theater und den Lindwurm, das steinerne Wappentier auf dem Neuen Platz. Sie rät dazu, stets nach oben zu schauen, zum Beispiel zu den Jugendstildekors, und beherzt einzutreten in arkadenumzogene Höfe wie den Bamberger Hof.

Ein Höhepunkt ist die barocke Freskenfülle im Großen Wappensaal des Landhauses, dem Sitz des Kärntner Landtags. Bei Dunkelheit geben die Landhausarkaden eine vortreffliche Kulisse für den «Stillen Advent» ab: Gratiskonzerte, bei denen die Zuhörer dick vermummt im Vorhof und auf den Treppenaufgängen ausharren und den leisen Tönen lauschen.

Für Chormitglieder und Musiker sind Mützen und Schals ebenso wichtig wie die Notenblätter. Der Atem der Sänger zeigt sich, die Kälte kriecht unter die Kleidung. Dafür wärmen besinnliche, melancholische Lieder das Herz. Dass Auswärtige die Texte in Kärntner Mundart nicht zwingend verstehen, spielt dabei keine Rolle.

Kulturell hält Klagenfurt auf Trab. Das museale Geburtshaus des Dichters Robert Musil liegt gegenüber dem Bahnhof, ein Streifzug auf den Spuren der Klagenfurter Literatin Ingeborg Bachmann führt kreuz und quer durch die Stadt. Zwischendurch könnte man ein Lied von Udo Jürgens vor sich hinsummen – auch der stammte aus Klagenfurt und machte am Wörthersee gerne Urlaub.

Von der Stadt in die Natur

Kalt und einsam ist es am winterlichen Lendkanal, kurz vor dem Zufluss in den Wörthersee. Bis in Klagenfurts City sind es von hier aus vier Kilometer. Einige wenige Jogger und Spaziergänger sind unterwegs, Baumriesen mit Moos und Reif überzogen.

Im Keutschacher Seental, ein Stück südwestlich, ist es noch idyllischer. Der Wanderpfad zwischen den Moorauen und dem Baßgeigensee ist kaum ausgetreten. Es geht mitten durch einen einsamen Winterwald voll mit Schnee beladener Tannenzweige. Heilsame Stille angesichts des Adventstrubels.

Info-Kasten: Klagenfurt

Anreise: Klagenfurt hat einen kleinen Flughafen. Flugverbindungen von Deutschland aus gehen meist über Wien. Im eigenen Auto etwa über Salzburg und die Tauernautobahn (mautpflichtig). Klagenfurt hat auch einen Bahnhof und ist ans Fernbusnetz angeschlossen.

Information: Tourismusinformation Klagenfurt am Wörthersee, Neuer Platz 5, 9020 Klagenfurt am Wörthersee (Tel.: 0043/463 287 463 0, E-Mail: info@visitklagenfurt.at, www.visitklagenfurt.at).

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