In der Flughafen-Monsterhöhle von Schönefeld
Nach all den Verzögerungen noch ein Jahr: Im März 2016 soll der neue Hauptstadtflughafen weitgehend fertig sein. Der Technikchef erklärt, warum die Arbeiter noch immer frühe Fehler bei dem Projekt ausbügeln. Schönefeld (dpa) – Schwarze Bildschirme, überall. Istanbul, Barcelona, London – diese Flugziele waren im Terminal des neuen Hauptstadtflughafens längst angeschlagen. Jetzt sind die Monitore […]
Nach all den Verzögerungen noch ein Jahr: Im März 2016 soll der neue Hauptstadtflughafen weitgehend fertig sein. Der Technikchef erklärt, warum die Arbeiter noch immer frühe Fehler bei dem Projekt ausbügeln.
Schönefeld (dpa) – Schwarze Bildschirme, überall. Istanbul, Barcelona, London – diese Flugziele waren im Terminal des neuen Hauptstadtflughafens längst angeschlagen. Jetzt sind die Monitore aus. Hier und da hängt ein Kabel heraus, Sitzbänke verbergen sich unter Folie, kein Schritt schallt über den hellen Naturstein. Eine Rolltreppe quietscht, sonst Stille. Doch irgendwo hier soll ein Monster hausen.
«Ob es jemals ein Monster war, weiß ich nicht», sagt Jörg Marks schmunzelnd. «Aber es ist sehr groß.» Der Zwei-Meter-Mann hat noch ein Jahr Zeit, das Ungeheuer zu bändigen. «Monster», so hat Marks‘ Vorgänger als Technikchef einen Abschnitt der Brandschutzanlage im neuen umstrittenen Berliner Flughafenbau getauft. Das Ungetüm war so groß geraten, dass keiner es mehr steuern konnte.
In einem Jahr soll der Flughafen bis auf Restarbeiten fertig sein und nach Abnahme und Probebetrieb im zweiten Halbjahr 2017 in Betrieb gehen – nach vier abgesagten Terminen. «Eine nationale Aufgabe», wie Hartmut Mehdorn in seinem letzten Brief als Flughafenchef schrieb. Nach Ärger mit dem Aufsichtsrat hat Mehdorn vor wenigen Tagen an den Manager Karsten Mühlenfeld abgegeben. Der Ingenieur Marks macht unter ihm weiter.
Der Brandschutz war ein Grund, warum der Start des drittgrößten deutschen Flughafens vor bald drei Jahren spektakulär platzte. Marks sagt heute: «Das Thema Entrauchung ist entschärft.» Seit Monaten wird die «Monster»-Anlage in kleinere Abschnitte zerlegt. Neue Klappen und Schornsteine kommen ins Dach, damit Rauch richtig abzieht.
Neben dem Brandschutz sind in den vergangenen Jahren immer mehr Fälle von Pfusch und Fehlplanung bekannt geworden. Zu einem davon führt Elektriker Gerhard Maier in einen 170 Meter langen Gang im Keller. Beide Wände und die Decke sind überdeckt von Blechablagen, über die zahllose Kabel verlaufen – Strom für das Terminal. 2012 herrschte hier Chaos: Kabel waren zu dicht verlegt und zu eng gebogen, was Hitze erzeugt und damit Brandgefahr.
Warum all diese Fehler? Nach Baubeginn wurde immer wieder umgeplant, auch auf Wunsch der Politik, die die staatliche Betreibergesellschaft kontrolliert. «Der Keller war schon gegossen, da wurde eine komplette zusätzliche Ebene eingezogen», sagt Marks. Der Flughafen wuchs, während bei der Haustechnik bestehende Anlagen einfach erweitert wurden, anstatt zusätzliche zu bauen.
Dabei entglitt der Flughafengesellschaft die Kontrolle über die vielen kleinen Baufirmen. Je näher die Eröffnung rückte, desto mehr machte jeder, was er wollte. Für manches Machwerk gibt es noch heute keine Unterlagen – und damit keine Genehmigung.
«Es hieß immer: Fertig werden», erklärt Marks, der früher als Siemens-Manager auf der Baustelle war und 2014 zum Flughafen wechselte. Elektriker Maier sagt, nun gebe es einen klaren Plan. «Wir wissen, was wir machen sollen. Das war nicht immer so.»
Rund 4800 Kilometer Kabel sind im gesamten Terminal neu zu verlegen. Am Stück entspräche das der Flugstrecke Berlin-Kabul. Die Kabel müssen in die Hohlräume über den Korridordecken. Immer wieder kriechen die Arbeiter mit Lampen hinein, um die richtigen Kabelbrücken zu finden, von denen sich einige winden wie Rutschen in einem Freizeitbad. 60 Prozent dieser Arbeit sind den Angaben zufolge erledigt.
Der Flughafen spricht von «Sanierung im Bestand». Was von Reglern für Ventilatoren bis zu Lüftungsklappen für den Flughafen Berlin-Brandenburg (FBB) neu reinkommt, muss oft eigens für Schönefeld genehmigt werden. 80 Einzelfallzulassungen gebe es, normal für so ein Projekt seien 5 bis 6, sagt Marks.
Wo für den Umbau das Kirschholzfurnier von den Wänden genommen wurde, verewigen sich Bauarbeiter mit Bleistiftkritzeleien. «Holger war mal hier 2012», steht da etwa, anderswo auch «Scheiß FBB». Und in einem Beton-Rauchkanal mit Ausmaßen eines U-Bahn-Tunnels hat einer geschrieben: «Belügen, betrügen, ignorieren.» Über das, was viele hier von dem ständigen politischen Zwist rund um das Projekt halten, spricht das Bände.