Seit zehn Jahren steht der Berliner Flughafen Tempelhof still. In dieser Zeit stiegen die Mieten im Umkreis überdurchschnittlich. Bald soll auch der Airport Tegel zugunsten des neuen BER schließen. Müssen Anwohner hier eine ähnliche Zunahme der Wohnkosten befürchten? Berlin (dpa) – In zwei Jahren soll der neue Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) endlich öffnen. Dann könnte […]

Seit zehn Jahren steht der Berliner Flughafen Tempelhof still. In dieser Zeit stiegen die Mieten im Umkreis überdurchschnittlich. Bald soll auch der Airport Tegel zugunsten des neuen BER schließen. Müssen Anwohner hier eine ähnliche Zunahme der Wohnkosten befürchten?

Berlin (dpa) – In zwei Jahren soll der neue Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) endlich öffnen. Dann könnte sich ein Szenario wiederholen, das es vor zehn Jahren schon einmal in Berlin gab: Ein Airport schließt, viele Anwohner sind von einem Tag auf den anderen von Fluglärm befreit. Trotzdem ist es für sie nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Denn dann steigen die Mieten.

Damals, am 31. Oktober 2008, hoben das letzte Mal Flugzeuge vom Tempelhofer Feld ab. Wenn nun alles so bleibt wie geplant, wird Tegel zwölf Jahre später – 2020 – schließen. In Tempelhof zieht das ehemalige Fluggelände längst viele Berliner zur Naherholung an – und mit ihnen auch die Investoren.

Seit 2010 ist das Feld für die Öffentlichkeit freigegeben und dient vielen Berlinern als Spielwiese. Mit einem Volksentscheid sorgten die Bürger 2014 dafür, dass eine Bebauung verboten wurde. Nachdem der Senat vorübergehende Flüchtlingsunterkünfte am Rand errichtete, entbrannte eine Debatte über die Zukunft des früheren Flughafengeländes. Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) regte eine Bebauung am Rand an.

Für die umliegenden Stadtteile bedeutete die Schließung des Flughafens höhere Wohnkosten. Nach Daten von Immobilienscout24 stiegen die Mieten in den benachbarten Stadtteilen Tempelhof und Neukölln seit der Schließung schneller als im Durchschnitt der Stadt.

Michael Fränzel, Analyst Daten & Märkte bei Immobilienscout24, sieht vor allem den Wegfall des Fluglärms sowie die Nähe zum Tempelhofer Feld als Ursachen dafür. Besonders den Schiller-Kiez in Neukölln hebt er hervor. Die Zone in der früheren Einflugschneise sei heute eine «absolute Top-Lage für Wohnimmobilien», sagt er.

Seine Zahlen beziehen sich auf eine Referenzwohnung aus den 70er Jahren mit drei Zimmern, 80 Quadratmetern Fläche, einer Einbauküche, einem Keller, einem Balkon sowie einem Aufzug. Kostete der Kauf einer solchen Wohnung in Neukölln im Herbst 2008 noch knapp 1100 Euro je Quadratmeter, sind es rund zehn Jahre später mehr als 4000 Euro. Die Daten zeigen indes nur einen Ausschnitt der Wohnsituation in den betroffenen Gebieten.

Auch bei den Mieten ist die Entwicklung in Neukölln rasant. Hier gibt es einen Zuwachs von einst gut 5,16 Euro je Quadratmeter im Herbst 2008 auf nun 11,88 Euro im dritten Quartal 2018. Das ist ein Anstieg von rund 130 Prozent, während die Mieten in ganz Berlin im Schnitt um knapp 77 Prozent in dem Zeitraum kletterten.

Ähnlich könnte es dem Umland am Flughafen Tegel ergehen, wenn dieser schließt. Für die Zeit danach gibt es schon einen Plan, aus den Terminals soll ein Technologiezentrum werden. Zudem soll der westliche Teil des Gebietes in einen Park umgewandelt werden. Auf der östlichen Seite plant die Stadt ein Neubaugebiet mit bis zu 5000 Wohnungen.

Milieu-Schutzgebiete könnten einen starken Anstieg der Mieten im Umfeld des Flughafengeländes vermeiden. Somit würden zum Beispiel Luxusmodernisierungen untersagt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen will Anwohner davor schützen, aus ihrem Viertel verdrängt zu werden. Dazu bräuchte man allerdings Hinweise auf eine solche Veränderung. Der bloße Anstieg der Mieten reicht laut Senatsverwaltung nicht.

Bisher kamen die Anwohner vergleichsweise gut weg. Im Stadtteil Tegel steigen die Mieten laut Immobilienscout24 seit rund sechs Jahren langsamer als im Berliner Durchschnitt. Der Stadtteil war vor der Schließung Tempelhofs sogar teurer als Neukölln. Das trifft auch auf Reinickendorf in der Einflugschneise des Flughafen Tegels zu.

Sebastian Bartels, stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, zeigt Verständnis für den Mietanstieg in Tempelhof. Schließlich sei Fluglärm ein negatives Merkmal im Berliner Mietspiegel. Wenn dieser wegfalle, legten die örtlichen Preise zu.

Am Flughafen Tegel zeigt sich hingegen eine skurrile Entwicklung: «Es ist zum Teil so, dass zumindest einige dieser Anwohner sich so an den Fluglärm gewöhnt haben, dass sie eher befürchten, dass ihre Wohnung aufgewertet wird. So schlimm ist es in dieser Stadt schon geworden, dass der Lärm in Kauf genommen wird, um die Wohnung nicht zu gut aussehen zu lassen.»

Einen Mietanstieg wie in Tempelhof sieht Bartels allerdings als natürliche Entwicklung. Der Wohnmarktreport 2017 der Bank Berlin Hyp und des Investors CBRE prognostiziert höhere Preise für den gesamten Bezirk um Tegel. «Auf mittlere Sicht könnte Reinickendorf zu einem Top-Standort des Wohnungsbaus werden», heißt es dort.