Hitzeschäden der Betondecke können auf Autobahnen zu Todesfallen werden. Jetzt ist ein solcher «Blow up» am Flughafen Hannover entdeckt worden. Wer trägt die Schuld daran, dass Tausende Passagiere strandeten? Hannover (dpa) – Temperaturen von über 60 Grad haben Techniker des Flughafens Hannover auf der Startbahn gemessen. Dass die tagelange Rekordhitze seinen ganzen Flughafen lahmlegen könnte, hat […]

Hitzeschäden der Betondecke können auf Autobahnen zu Todesfallen werden. Jetzt ist ein solcher «Blow up» am Flughafen Hannover entdeckt worden. Wer trägt die Schuld daran, dass Tausende Passagiere strandeten?

Hannover (dpa) – Temperaturen von über 60 Grad haben Techniker des Flughafens Hannover auf der Startbahn gemessen. Dass die tagelange Rekordhitze seinen ganzen Flughafen lahmlegen könnte, hat sich der Airport-Chef aber nicht träumen lassen. «Das war nicht vorhersehbar», betont Raoul Hille im Terminal A, wo am Mittwoch Passagiere auf ihre verspäteten Flüge warten. Bei einer Routinekontrolle der nördlichen Start- und Landebahn entdeckte der Verkehrsleiter am Dienstagabend um 19.31 Uhr den Hitzeschaden und löste Alarm aus. Drei Betonplatten aus dem Jahr 1965 hatten der glühenden Sonneneinstrahlung nicht mehr standgehalten und waren durchgebrochen. Dieses sogenannte Blow-up-Phänomen ist von alten Autobahnen bekannt, aber nicht von Rollfeldern.

Warum trotzen die Pisten von Wüsten-Flughäfen der Hitze, während ausgerechnet in Norddeutschland das Material nachgibt? Und warum melden andere deutsche Flughäfen nicht ähnliche Probleme? Nach Ansicht des Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt sind Sperrungen wie in Hannover auch anderswo in Deutschland möglich. Andere Airports wie zum Beispiel Stuttgart haben bereits die Zahl ihrer Kontrollen erhöht. «In Regionen wie Katar sind die Dehnungsfugen im Beton auf hohe Temperaturen bis zu 60 Grad ausgelegt, in Deutschland dagegen standen bisher eher Aspekte wie Frostsicherheit und heftige Niederschläge im Fokus», sagt der unabhängige Berater von Airlines und Experte in Fragen der Flugsicherheit. 

Die Sonneneinstrahlung in Hannover sei besonders intensiv gewesen, beteuert Airport-Chef Hille. Der Schaden hätte unter normalen Umständen den Flugverkehr nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt, jedoch ist in Hannover die zweite Start- und Landebahn wegen Sanierungsarbeiten gesperrt. Weil die Spezialisten schon vor Ort waren, konnte immerhin mit der Reparatur sofort begonnen werden. Am Mittwoch um 6.00 Uhr landete nach rund elfstündiger Pause wieder die erste Maschine aus Palma de Mallorca. Tausende Urlauber konnten aufatmen.

Von 41 betroffenen Abflügen und 44 Landungen wurden 28 komplett gestrichen. Viele starteten oder landeten an anderen Flughäfen wie zum Beispiel Hamburg, Köln oder Berlin-Schönefeld. Unter den rund 15 000 Passagieren, die der Hitzeschaden stoppte, waren auch Hunderte Familien, die in den Sommerurlaub aufbrechen wollten. Die meisten fuhren zunächst wieder nach Hause, wurden von den Airlines in Hotels untergebracht oder zu einem anderen Startflughafen gefahren. Einige mussten rund 30 Stunden auf einen Ersatzflug warten. Dies ist nach Flughafen-Angaben auch immer davon abhängig, wie schnell eine Airline eine Ersatz-Maschine oder Crew bereitstellen kann.

Hunderte Gestrandete übernachteten unfreiwillig im Terminal C, die Johanniter stellten rund 200 Feldbetten auf, die Feuerwehr verteilte in der Nacht Snacks und Getränke. Ungeduscht, hungrig und völlig übermüdet sitzen am Mittwochnachmittag immer noch drei Familien auf Sofas im Gang. Reisende eilen mit ihren Trolleys an ihnen vorbei, auf dem Tisch liegen ein paar Schoko-Brötchen. Drei Teenager spielen Karten. «Damit haben wir heute Nacht um 2.00 Uhr angefangen», erzählt die Älteste. Ihr Flug nach Antalya sollte eigentlich am Dienstagabend gegen 20.00 Uhr starten, er wurde auf Donnerstagfrüh gegen 2.00 Uhr verlegt.

Der Reiseveranstalter stelle sich stur, die Airline fühle sich nicht verantwortlich, berichtet David Schmidt aus Berne bei Bremen, der mit Frau und Tochter für eine Woche in die Türkei fliegen wollte. «Das ist kein Urlaub mehr, das ist nur noch Stress», stöhnt Sandra Schmidt. Gegen die Verantwortlichen für ihren alptraumhaften Ferienstart wollen sie gemeinsam mit den anderen beiden Familien aus Dortmund und Ostfriesland juristisch vorgehen. Aber wer trägt die Schuld?

Flughafenchef Hille entschuldigt sich ausdrücklich bei den betroffenen Passagieren. «Das war ein ganz großes Ärgernis, ganz großer Mist», sagt er. Schuld habe das Wetter. Die juristische Verantwortung sei nicht geklärt. «Das war nicht vorhersehbar», sagt der Geschäftsführer zu dem Blow-Up. Es gebe keine Sensoren wie bei Autoreifen, die eine Überhitzung der Start- und Landebahn anzeigten. Die Passagiere seien aber nie in Gefahr gewesen, betont er. 

Für Donnerstag und Freitag sind wieder Rekordtemperaturen in Niedersachsen angesagt. Der Wert am Thermometer soll sogar auf 37 Grad klettern. Zwischen den Starts und Landungen fahren nun zwei Löschfahrzeuge der Berufsfeuerwehr und kühlen die Start- und Landebahn mit Tausenden Litern Wasser. «Das Bewässern ist eine Notmaßnahme», sagt Hille. Möglicherweise bringe dies eine Abkühlung von zwei oder drei Grad, um eine Wiederholung des Blow-Ups zu vermeiden. Ganz ausschließen könne man aber nicht, dass das Problem erneut auftaucht.