Sommer, Sonne – und Sicherheit? Viele Urlauber haben Angst
10.03.2016 Wollen die Deutschen wegen des Terrors weniger reisen? Haben islamische Länder jetzt touristisch ein Problem? Und ist das beliebte Urlaubsland Türkei noch sicher? In diesen unsicheren Zeiten stellen sich Urlauber viele ernste Fragen. Zu Recht? Eine Analyse. Berlin (dpa/tmn) – Der Mensch sehnt sich nach dem Schönen, und er sucht es im Urlaub. Sonne […]
10.03.2016
Wollen die Deutschen wegen des Terrors weniger reisen? Haben islamische Länder jetzt touristisch ein Problem? Und ist das beliebte Urlaubsland Türkei noch sicher? In diesen unsicheren Zeiten stellen sich Urlauber viele ernste Fragen. Zu Recht? Eine Analyse.
Berlin (dpa/tmn) – Der Mensch sehnt sich nach dem Schönen, und er sucht es im Urlaub. Sonne im Gesicht, Arbeit und Alltag sind weit weg. Beim Blick aufs Meer erscheint das Leben nicht mehr ganz so sorgenvoll. Aber der Mensch hat auch Angst – nach den Anschlägen in Tunesien, Paris, Ägypten und Istanbul. Es scheint, als sei die Welt voller Fanatiker, die Bomben zünden und Unschuldige massakrieren. Da draußen im Urlaub wartet also beides, das Glück und die Gefahr. Das führt in einen inneren Konflikt, der vielen reisefreudigen Bürgern die Urlaubswahl für diesen Sommer schwer macht.
«Urlaub in Zeiten von Terror und politischen Umbrüchen – wohin können wir noch reisen?» Das fragte der Deutsche Reiseverband (DRV) auf der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin (noch bis 13. März). Man würde diese Frage nicht derart offen diskutieren, wenn die Situation nicht so ernst wäre: Die Buchungen für die Türkei liegen etwa 25 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der touristische Aufschwung in Ägypten ist verpufft. Und Tunesien gilt vielen seit dem Blutbad am Strand von Sousse als überhaupt nicht mehr sicher.
In der Summe führt das dazu, dass bisher deutlich weniger Menschen als sonst ihren Urlaub gebucht haben. Normalerweise sind im Januar die Reisebüros voll. In diesem Jahr: enttäuschende Zahlen. Kommt der Aufschwung noch und wenn ja – wann? Das ist die heiße Frage, die gerade die erfolgsverwöhnte Tourismusbranche umtreibt.
Eine These lässt sich schnell verwerfen: Die Deutschen haben wegen Terrorangst und der unsicheren Weltlage die Lust am Reisen verloren. Alle Umfragen und Studien belegen das Gegenteil, die Urlaubsfreude ist ungebrochen. Nur gebucht wird weniger. Das liegt Tourismusexperte Prof. Martin Lohmann zufolge am Anschlag von Istanbul Anfang Januar. «Er fiel in die Zeit, in der viele gerade ihre Entscheidung für den Urlaub treffen», sagt der Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa. Fernweh und die Bilder von toten deutschen Touristen passen schwer zusammen. Viele haben mit dem Buchen also erst einmal abgewartet, so erklärt sich die Flaute.
Zweite These: Angesichts von Terror und Flüchtlingskrise wird die gesamte arabische Welt eher gemieden. Kein Urlaub dort, wo der Islam dominiert? «Nein, das kann man so pauschal nicht sagen», sagt Oliver Dörschuck, Touristikchef bei Tui Deutschland. Er nennt die Malediven als Gegenbeispiel. Auch Marokko, die Emirate am Golf und der Iran als Rundreiseziel erfreuen sich wachsender Beliebtheit bei deutschen Urlaubern, zeigen die Gästezahlen der Veranstalter.
Das größte Problem ist also nach wie vor die Wahrnehmung der Sicherheit. Wo man sich unwohl fühlt, da will man keinen Urlaub machen. Das heißt aber umgekehrt auch, dass die meisten Touristen in ein Land zurückkehren, wenn es dort einige Zeit wieder ruhig war. «Wir haben in der Vergangenheit mehrfach erlebt, dass sich Länder nach solchen Vorkommnissen wieder erholen. Manchmal dauert das Wochen, manchmal Monate», sagt Stefanie Berk, Vorsitzende der Geschäftsführung beim Veranstalter Thomas Cook. Man muss sich die Krisenländer im Einzelnen anschauen:
– Das größte Sorgenkind: die Türkei. Alle Augen schauen auf dieses so wichtige Urlaubsziel. Millionen Deutsche verbringen schließlich ihren Sommerurlaub an den Stränden des Landes – und tun es auch weiter. Laut türkischem Kultur- und Tourismusministerium liegen die Buchungszahlen aus Deutschland aber momentan 25 Prozent unter dem Vorjahr. Der Anschlag in Istanbul hat viele verunsichert.
Es sei eher ein subjektives Gefühl, das Menschen davon abhält, bestimmte Länder zu bereisen, sagt Tui-Manager Dörschuck. Für die Türkei stimmt das: Die Urlaubshochburg Antalya ist von Istanbul weit entfernt und wird trotzdem schlechter gebucht. Dabei käme niemand auf die Idee, wegen der Anschläge in Paris nicht an die französische Atlantikküste zu fahren, gibt Dörschuck als Beispiel. Das hat etwas Positives: Die Lage kann sich schnell wieder drehen. Daran glauben auch die Tourismusverantwortlichen in der Türkei und die Veranstalter.
«Inzwischen sehen wir Anzeichen für eine leichte Erholung», sagt die Geschäftsführerin von Öger Tours, Songül Göktas-Rosati. «Die Türkei wird noch aufholen.» Davon ist man auch bei Tui und FTI überzeugt. Auch wenn die Flaute die Türkei hart trifft – Urlauber profitieren davon: «Hoteliers und Airlines gewähren hohe Rabatte von zum Teil bis zu 40 Prozent», berichtete Göktas-Rosati. In der Türkei könnten die Sorgen im Sommer vergessen sein.
– Der chronische Wackelkandidat: Ägypten. Für das Land waren es ab 2011 unruhige Revolutionszeiten. Im vergangenen Jahr zogen die Buchungen wieder richtig an, 2015 kamen mehr als eine Million deutsche Gäste. Doch dann holte mutmaßlich die Terrormiliz IS mit einer Bombe eine russische Passagiermaschine vom Himmel. Nun muss Ägypten vor allem etwas für die Sicherheit des Flugverkehrs tun.
In den beliebten Badeorten wie Hurghada hat sich eigentlich nicht viel verändert. Es ist wie so oft in den vergangenen Jahren: Ägypten macht negative Schlagzeilen, einige Gäste bleiben weg – und vor allem die treuen Stammkunden genießen weiter die Sonne am Roten Meer. «Die Sicherheit in den Badeorten ist unverändert», sagt Ulrike Runge vom Ägypten-Spezialisten ETI. Ein großes touristisches Comeback erhofft sich der unermüdliche ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou zum nächsten Winter hin.
– Trübe Aussichten: Tunesien. Der Terror hat das nordafrikanische Land am stärksten getroffen. Die Touristenzahlen haben sich von 2014 auf 2015 in etwa halbiert. Besserung in der kommenden Sommersaison ist erst einmal nicht in Sicht.
«Das Land wird sicher am längsten brauchen, bis hier eine spürbare Erholung einsetzt», schätzt Tui-Mann Dörschuck. Und der Geschäftsführer von FTI, Dietmar Gunz, schätzt: Während sich die Türkei und Ägypten schneller erholen könnten, dürfte Tunesien weit hinter diesen Ländern zurückbleiben. Die Auslastung sei niedrig. Das macht vielen Hotels Probleme, Häuser schließen. Tunesien sieht touristisch schweren Zeiten entgegen.
Oft sind Anschläge schnell vergessen. So auch in Paris: Die Buchungen für das Frühjahr entwickeln sich schon wieder gut. Mag sein, dass dies auch daran liegt, dass Frankreich als politisch stabiles Land erscheint. In Ägypten, Tunesien und der Türkei ist das etwas anders. Dort meint man, schwerer abschätzen zu können, was kommt. Also erstmal abwarten, so wie im Moment.
Doch viele wollen nicht warten und buchen ihre Reise woanders hin – nach Spanien, Portugal und Italien, wo die Hotels im Sommer richtig voll werden. Urlaub ist eben doch zu schön, um überhaupt nicht zu verreisen. Und die Welt ist groß.
Philipp Laage, dpa