Berlin (dpa) – Ein früherer lokaler Mitarbeiter der Bundeswehr in Afghanistan hat die chaotischen Zustände am Flughafen der Hauptstadt Kabul im August vergangenen Jahres geschildert. Obwohl es ihm nach vorigen Absprachen mit der Bundeswehr gelungen sei, auf den Flughafen zu gelangen, seien er und seine Familie am Ende unter Androhung von Waffengewalt wieder weggeschickt worden, […]

Ein früherer lokaler Mitarbeiter der Bundeswehr in Afghanistan hat die chaotischen Zustände am Flughafen der Hauptstadt Kabul im August vergangenen Jahres geschildert. Obwohl es ihm nach vorigen Absprachen mit der Bundeswehr gelungen sei, auf den Flughafen zu gelangen, seien er und seine Familie am Ende unter Androhung von Waffengewalt wieder weggeschickt worden, sagte der heute 29-Jährige bei seiner Befragung im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Donnerstag in Berlin.

Der Afghane hatte nach eigenen Angaben von Anfang 2015 bis Mai 2021 im Auftrag der Bundeswehr als Fernsehjournalist in Afghanistan gearbeitet. Dabei habe er über Gräueltaten der Taliban und Aktivitäten der ausländischen Truppen berichtet. Nach der Flucht mit zwei kleinen Kindern leben er und seine Frau in Deutschland.

Nach dem Fall Kabuls an die Taliban im Spätsommer 2021 versuchten zahlreiche Menschen, über den Flughafen und mit Unterstützung der noch verbliebenen ausländischen Militärs, Afghanistan zu verlassen. Nachdem er von der Bundeswehr per E-Mail Unterlagen zur Organisation seiner Ausreise bekommen habe, sei er zuversichtlich gewesen, sagte der Afghane. Eine erste Kontrolle von US-Streitkräften hätten er und seine Familie passieren können. Als er in der Schlange vor dem deutschen Checkpoint stand, habe er noch mit einer Stelle der Bundeswehr telefoniert und versichert, alles laufe nach Plan. Doch am deutschen Checkpoint habe es nach einer flüchtigen Kontrolle der Ausreiselisten geheißen, sein Name sei dort nicht vermerkt. Er habe die Welt nicht mehr verstanden und noch versucht, seine E-Mails vorzuzeigen und zu beweisen, dass er die nötigen Unterlagen dabei hatte, berichtete der Mann. Eine Soldatin habe ihn angebrüllt und zum Gehen aufgefordert und angedroht zu schießen. Es sei eine furchtbare Szene gewesen.

Unter größter Lebensgefahr hätten er und seine Familie am Ende aus Afghanistan fliehen können, sagte der Mann, der immer wieder innehielt, als er die Details seines vergeblichen Ausreiseversuchs schilderte. Über Pakistan konnte er schließlich ausreisen, mit Unterstützung der deutschen Botschaft in der Hauptstadt Islamabad.

Der afghanische Journalist arbeitete nach eigenen Angaben ab 2015 zunächst zwei Jahre lang direkt bei der Bundeswehr. Im August 2016 hätten er und seine Kollegen dann mit neuen Verträgen bei einem Medienzentrum in Afghanistan diese Tätigkeit fortführen müssen. Widerwillig, aber um weiter Geld für ihre Familien verdienen zu können, hätten die Afghanen unterschrieben. Im Frühjahr 2021, als zunächst die USA und später auch Deutschland den Abzug ihrer Truppen ankündigten, wurde das zum Problem: Ihm sei gesagt worden, er arbeite schon zu lange nicht mehr für die Bundeswehr und habe deshalb keinen Anspruch auf eine Ausreise nach Deutschland als Ortskraft, berichtete der Mann. Erst im August, mit Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen wie Mission Lifeline und des Patenschaftsnetzwerks Afghanistan, sollte auch er die Möglichkeit zur Ausreise erhalten.

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