Satte 1917,5 Stunden pro Jahr scheint die Sonne im Durchschnitt auf der zweitgrößten Insel Deutschlands. Diese Aussicht lockt nicht nur Touristen aus dem Inland, sondern auch vermehrt Urlaubsgäste aus dem Ausland in den äußersten Nordosten der Bundesrepublik.

Das Areal des Flughafens liegt im äußersten Osten Usedoms – in direkter Umgebung zum Stettiner Haff. Der Anflug auf Runway 28 erfolgt bereits über Polen und die knapp 42 000 Einwohner zählende Stadt Swinemünde. Diese Nähe zum Nachbarland findet man auch am Boden wieder. Viele Wegweiser und Beschilderungen sind auf Polnisch. Nicht verwunderlich, denn zwischen der Schwelle der Piste vom Airport Heringsdorf und dem Grenzübergang liegen nur drei Kilometer.

Airport Heringsdorf mit langer Historie

Der heutige Regionalairport blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Die Anfänge machten 1911 die Flugzeuge des Kaiserlichen Heeres, zuvor wurde das Gelände von der Garnison Swinemünde als Exerzierplatz genutzt. Ab 1919 erfolgte schließlich der Ausbau zum Landflugplatz Swinemünde, der auch als Trainingsplatz für die Segelflieger genutzt wurde. Zwischen 1935 und 1945 hatte die Luftwaffe der Wehrmacht das Sagen auf dem Areal und baute es weiter aus. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs besetzten die sowjetischen Truppen das Gebiet. Ab 1960 nutzte die Nationale Volksarmee der DDR den westlichen Teil des Flugplatzes Garz – so wurde das Gelände vom Militär genannt. Erst mit Beginn der zivilen Teilnutzung durch die Interflug im Jahr 1962 tauchte erstmalig der heutige Name „Flughafen Heringsdorf“ auf. Die Geburtsstunde des Airport Heringsdorf stand fest.

Ständiger Ausbau des Flughafens

Um auch größere Maschinen wie Iljuschin IL-14 abfertigen zu können, wurde eine neue Start- und Landebahn gebaut. 1973 folgte ein neues Abfertigungsgebäude, um den Saisonflugverkehr zu beleben. Ziele waren neben Berlin und Leipzig auch Dresden und Erfurt. Nach sechs Jahren beendete die Interflug ihr Engagement der innerdeutschen Verbindungen jedoch wieder. Was blieb, waren die Charterverbindungen. Nach der Wiedervereinigung und auch dem daraus resultierenden Ende der militärischen Nutzung wurde der Airport von 1993 bis 1996 grundsaniert. Es galt, Flugbetriebsflächen zu erneuern, eine Instrumentenanflugbefeuerung zu installieren und eine Wetterstation aufzubauen. Charterverbindungen nach Istanbul und Antalya wurden regelmäßig durchgeführt. 1998 erlebte dann auch der Linienflugbetrieb seine Renaissance.

In den 2000er-Jahren stagnierten die Passagierzahlen auf niedrigem Niveau, und die Verantwortlichen suchten nach Möglichkeiten, diesen Stillstand zu durchbrechen. Bekannt für ihren Einfallsreichtum und ihre Anpassungsfähigkeit haben sich 2007 die Hoteliers der Insel und ein kommunales Tourismusmarketing-Unternehmen zusammengeschlossen und sich auf eine Partnerschaft zur Entwicklung des Luftverkehrs auf Usedom geeinigt. Einen bestimmten Anteil an Flugtickets übernehmen die Hoteliers und schnüren daraus Gesamtpakete für ihre Gäste. Das hatte prompt positiven Einfluss auf die Passagierzahlen. So standen bald Verbindungen aus Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, Köln/Bonn, Frankfurt, aber auch aus Zürich, Bern, Warschau und Krakau im Heringsdorfer Flugplan.

Lange Warteschlangen wie an den großen Airports sind in Heringsdorf ein Fremdwort. Bild: Fabian Lührs / Aviation Media

Coronaeinfluss spürbar: Airport Heringsdorf erholt sich

Doch auch Corona hat hier seine Spuren hinterlassen. Nutzten 2019 noch 20.798 Passagiere den Flughafen, wurden 2020 nur noch 5481 Fluggäste gezählt. Langsam erholt sich jedoch auch der Flugverkehr auf Usedom wieder. Der Samstag ist der verkehrsreichste Tag am Flughafen. Dann haben Ramp Agent Stefan Fischer und seine Kollegen alle Hände voll zu tun. Rhein-Neckar Air aus Kassel, Luxair aus Luxemburg (via Rostock-Laage) und die Lufthansa aus Frankfurt bringen zum Bettenwechsel urlaubsreife Touristen auf die Insel. Überstunden sind dann für die 13 Mitarbeiter keine Seltenheit, vor allem, wenn es Verspätungen gibt. Flexibel muss man bleiben, insbesondere dann, wenn die Grundfläche des Vorfeldes nicht viel Spielraum zulässt. Zwei Parkpositionen für Linienflieger bis zur Größe von A320 stehen luftseitig auf dem Vorfeld vor dem Terminal zur Verfügung.

Rhein-Neckar Air, im Bild eine Dornier 328, hat zwischen Mai und Ende Oktober regel- mäßig samstags Kassel mit Heringsdorf verbunden. Bild: Fabian Lührs / Aviation Media

Besonnenheit und familiäre Atmosphäre als Verkaufsargument

Herausforderungen meistert die eingespielte Ground Crew mit Besonnenheit – eine Einstellung, die bei den Passagieren nicht unbemerkt bleibt und gut ankommt. „Wenn der Ramp Agent die Kollegen unterstützt, macht das natürlich auch Eindruck auf den Passagier. Es trägt dazu bei, den Flughafen Heringsdorf familiär und sympathisch in den Urlaubserinnerungen zu behalten“, ist sich Dirk Zabel, Geschäftsführer Flughafen Heringsdorf, sicher. Viele Urlauber wissen zudem die kurzen Wege zu schätzen. Vom Verlassen des Flugzeugs bis zum Einsteigen in den Transferbus zum Hotel sind es rund 70 Meter. Wenn die Passagiere das Flugzeug verlassen, beziehen sie – je nach Verkehrslage – zuweilen schon 35 Minuten später ihre Hotelzimmer.

Lufthansa verbindet Heringsdorf mit Frankfurt. Zum Einsatz kam eine CRJ900 Bild: Fabian Lührs / Aviation Media

Kein Sommerchaos am Airport Heringsdorf

Und es gibt noch weitere Argumente, mit denen Zabel punkten kann: „Besonders im Sommer, wo große Airports Probleme mit der Abfertigung von Passagieren und Koffern hatten, haben wir viele Anfragen von besorgten Fluggästen erhalten, ob sie in Heringsdorf ähnliche Verhältnisse erwarten müssen.“ Diese Sorge habe sein Team den Passagieren jedoch sehr schnell nehmen können, indem „wir ihnen erklärt haben, dass an unserem Flughafen nicht nur die Wege kurz sind, sondern auch das Personal umfassend geschult ist“, berichtet der Flughafenchef mit Stolz.