Eberswalde/Berlin, 18. April 2019 Die Aktivistin Greta Thunberg hat eine klare Botschaft: Wir müssen etwas gegen den Klimawandel tun – und zwar sofort. Das betrifft auch das Thema Urlaub. Wie klimaverträglich ist die eigene Reise? Weniger fliegen für das Klima? Anders reisen als früher? Seit den Schülerprotesten der Bewegung «Fridays for Future» werden diese Fragen […]

Eberswalde/Berlin, 18. April 2019

Die Aktivistin Greta Thunberg hat eine klare Botschaft: Wir müssen etwas gegen den Klimawandel tun – und zwar sofort. Das betrifft auch das Thema Urlaub. Wie klimaverträglich ist die eigene Reise?

Weniger fliegen für das Klima? Anders reisen als früher? Seit den Schülerprotesten der Bewegung «Fridays for Future» werden diese Fragen häufig gestellt. Einige, die früher einfach sorglos Urlaub gemacht haben, fragen sich nun: Wie nachhaltig ist das? Und lässt sich die Klimawirkung einer Reise berechnen?

«Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen», sagt Prof. Claudia Brözel von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. «Die Menschen diskutieren: Muss ich unbedingt fliegen, oder kann ich nicht die Bahn nehmen?», berichtet die Expertin für Tourismuswirtschaft. «Vor einigen Jahren waren solche Fragen nur etwas für Umweltaktivisten.»

Die globale Erwärmung soll in diesem Jahrhundert maximal 1,5 Grad betragen – nur dann seien die Folgen des Klimawandels noch halbwegs beherrschbar, warnt der Weltklimarat IPCC. Dafür muss der Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen drastisch sinken. In Deutschland entfallen derzeit auf jeden Einzelnen mehr als zehn Tonnen im Jahr. Klimaverträglich sind allerdings nur rund zwei Tonnen pro Kopf.

Doch wie schädlich ist nun die eigene Reise? Das lässt sich zwar nicht bis auf die letzte Nachkommastelle berechnen – aber doch ziemlich gut. Konkret geht es um die Frage: Wie viel CO2 und andere Treibhausgase stoße ich auf meiner Urlaubsreise aus?

Für die annäherungsweise Berechnung wird die Reise in ihre Komponenten unterteilt: Transport, Hotel, Aktivitäten vor Ort. Mit Abstand am relevantesten ist das gewählte Verkehrsmittel.

Auf der Fahrt in den Urlaub sei die Bahn das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, das Flugzeug das klimaschädlichste, erklärt Michael Müller-Görnert, Klimaschutz-Experte beim ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). «Wenn möglich, sollten Reisende die Bahn nutzen.»

Die Deutsche Bahn bietet auf ihrer Webseite einen Umwelt-Check für die jeweils gewählte Verbindung. Ein Beispiel: Wer von Berlin nach Prag reist, stößt als Zugreisender 8,3 Kilogramm CO2 aus. Mit dem Auto sind es 54,8 Kilo – und mit dem Flieger 107,9 Kilo.

Für die Beispielzahlen wurden mehrere Grundannahmen getroffen, bei der Bahn etwa eine durchschnittliche Auslastung, bei Anreise auf der Straße ein Mittelklasse-Pkw mit Euro-5-Diesel. Im Einzelfall können die Werte also anders ausfallen. Sie bieten aber eine brauchbare Orientierung für die Klimaverträglichkeit des Verkehrsmittels.

Wer mit dem Auto in den Urlaub fährt, kann die CO2-Wirkung anhand des Fahrzeugverbrauchs ziemlich exakt bestimmen, so Müller-Görnert. Bei der Verbrennung von einem Liter Benzin werden laut VCD 2,34 Kilo CO2 freigesetzt, bei einem Liter Diesel sind es 2,65 Kilo. Im Schnitt komme der Pkw auf 140 Gramm CO2 pro Personenkilometer – eine Einheit für die Verkehrsleitung eines Beförderungsmittels. Mit einem Fernzug sind es dem Experten zufolge nur 30 bis 40 Gramm.

Im Vergleich dazu sind Flugreisen mit durchschnittlich 201 Gramm pro Personenkilometer besonders schädlich. Bei einer Flug-Pauschalreise ans Mittelmeer entfallen mehr als drei Viertel des CO2-Ausstoßes des gesamten Urlaubs auf den Flug, erläutert Dietrich Brockhagen von Atmosfair. Die Klimaschutzorganisation ist eine der Anlaufstellen für Flugreisende, die den CO2-Ausstoß ihrer Flugreise mit einer Zahlung an Klimaschutzprojekte kompensieren wollen.

«Das CO2 hängt eins zu eins am Treibstoffverbrauch», erläutert Brockhagen. Das sei die Grundlage der Berechnung. «Wenn die falsch ist, dann ist der Rest auch falsch.»

Den Treibstoffverbrauch kann Atmosfair berechnen. «Indem wir alle Flugzeuge der Welt in der Datenbank haben und wissen, wie sie eingesetzt werden», sagt Brockhagen. «Wir wissen zum Beispiel, mit welchem Flugzeugtyp Lufthansa von Frankfurt nach Paris fliegt.»

Beeinflusst wird der Kerosinverbrauch pro Kopf nicht nur vom Flugzeugtyp, sondern auch von der Auslastung und der Bestuhlung. Atmosfair kennt den Jahresdurchschnitt der Auslastung und legt diesen entsprechend zugrunde. Auch das Flugprofil fließt in die Berechnung mit ein. «Das gleiche Flugzeug kann pro Kopf und Kilometer auf der Kurzstrecke doppelt so viel Kerosin wie auf der Mittelstrecke verbrauchen», erklärt der Physiker. Der Verbrauch ist also überproportional hoch, je kürzer die geflogene Distanz ist. «Das ist nicht wie beim Busfahren.»

Atmosfair multipliziert den CO2-Ausstoß mit dem Faktor drei – wegen all der anderen Schadstoffe, die das Klima beeinflussen. Wenn von der Klimawirkung von Flügen die Rede ist, schließt das bei Atmosfair die Erwärmungswirkung von CO2 und den anderen Schadstoffen ein, umgerechnet in CO2. Stickoxide etwa: «In der Höhe bauen sie Ozon auf, auch wegen der starken Sonneneinstrahlung. Sie werden sozusagen in der falschen Etage der Atmosphäre ausgestoßen und sind daher ein sehr starkes Treibhausgas», sagt Brockhagen.

Auch die Wolken, die man als Kondensstreifen am Himmel sieht, sind ein Problem: «Sie funktionieren wie eine Art Treibhausdach. Durch die Wassertröpfchen kommt die Strahlung der Sonne hindurch, aber die Abkühlungsstrahlung der Erde wird aufgefangen», so der Experte. Daher der Treibhausgas-Effekt auf die Atmosphäre der Erde.

Und dann gibt es noch andere Effekte, die berücksichtigt werden. Der Urlauber muss sich damit nicht im Detail beschäftigen. Er kann auf der Webseite von Atmosfair, aber auch bei anderen Klimarechnern im Netz den CO2-Fußabdruck mit ein paar Klicks errechnen lassen.

Theoretisches Beispiel: Bei einem Economy-Flug von Frankfurt nach New York und zurück in einer Boeing 747-400 entfällt auf den Passagier ein CO2-Ausstoß (inklusive anderer Schadstoffe) von 2,722 Tonnen. Lässt man den Flugzeugtyp offen, sind es sogar 3,068 Tonnen.

Hinzu kommen dann noch die Emissionen, die der Hotelaufenthalt oder zum Beispiel ein Mietwagen vor Ort produzieren. «Sicherlich schlägt das Thema Mobilität meist am stärksten zu Buche, aber die Unterkunft und Verpflegung sind auch schwer zu kalkulieren, da viele Faktoren eine Rolle spielen», erklärt Brözel. Die Erhebung sei schwierig. Hier kommt die Berechnung eines absoluten Gesamtwerts an seine Grenzen.

Letztlich haben die Transportmittel-Emissionen aber bereits eine hohe Aussagekraft darüber, wie klimaverträglich die Reise ist. Das Beispiel New York zeigt dies sehr gut: Der Städtetrip zum Big Apple sprengt bereits des klimaverträgliche Jahresbudget an CO2.

Was nun? «Die Schlüsse muss jeder für sich ziehen», sagt Brockhagen.

Philipp Laage, dpa