Wirtschaftlich hat Lufthansa die Germanwings-Tragödie verkraftet

Frankfurt/Main, 16. März 2016 Nach der vom Copiloten ausgelösten Germanwings-Katastrophe standen die Opfer und ihre Angehörigen im Mittelpunkt. Der wirtschaftliche Schaden für die Konzernmutter Lufthansa hält sich trotz drohender US-Klagen wohl in Grenzen. Der 24. März 2015 war der schwärzeste Tag in der Geschichte der Lufthansa. Der wohl depressive Copilot Andreas Lubitz hat mit dem […]
Frankfurt/Main, 16. März 2016
Nach der vom Copiloten ausgelösten Germanwings-Katastrophe standen die Opfer und ihre Angehörigen im Mittelpunkt.
Der wirtschaftliche Schaden für die Konzernmutter Lufthansa hält sich trotz drohender US-Klagen wohl in Grenzen.
Der 24. März 2015 war der schwärzeste Tag in der Geschichte der Lufthansa. Der wohl depressive Copilot Andreas Lubitz hat mit dem von ihm herbeigeführten Absturz sich selbst und 149 Menschen getötet. Neben dem menschlichen Leid hat das beispiellose Unglück auch wirtschaftliche Folgen.
Was hat der Absturz die Lufthansa gekostet?
Eine Gesamtrechnung ist bislang nicht aufgemacht worden. Zunächst einmal ist das Unternehmen gegen das Risiko eines Flugzeugabsturzes versichert. Das zuständige Konsortium hatte sehr schnell nach dem Absturz die Summe von 300 Millionen Dollar (etwa 278 Millionen Euro) zurückgestellt, was etwas über die Erwartungen, aber nichts über die tatsächlichen Kosten aussagt. Vom Geld der Versicherer müssen die Hinterbliebenen entschädigt werden sowie die Kosten für die Bergung und das nach 24 Betriebsjahren allerdings längst abgeschriebene Flugzeug beglichen werden. Lufthansa hat zudem zwei Stiftungen mit einem Gesamtumfang von 13,8 Millionen Euro eingerichtet. Damit sollen Ausbildung und Projekte der Hinterbliebenen gefördert werden.
Was ist den Angehörigen bislang als Entschädigung gezahlt worden?
Germanwings hat in jedem Todesfall 50 000 Euro „Soforthilfe“ gezahlt und den Angehörigen ein pauschales Schmerzensgeld angeboten von 25 000 Euro pro Fall und 10 000 pro nahem Angehörigen. Das ist von einigen Familien als unzureichend zurückgewiesen worden. Anwälte haben eine Sammelklage gegen die Lufthansa-Flugschule in den USA angekündigt, wo sie sich weit höhere Opferentschädigungen erhoffen. Laut Medienberichten erwarten sie nach individuellen Berechnungen bis zu 5 Millionen Dollar Entschädigung pro Opfer. Einem Firmensprecher zufolge sind bislang 8 Millionen Euro Soforthilfe und 3,2 Millionen Euro Schmerzensgeld nach deutschem Recht ausgezahlt worden.
Welche wirtschaftlichen Negativ-Folgen sind bislang erkennbar?
Eigentlich keine: Erstmals seit vielen Jahren erzielt der Konzern mit seinen auf Germanwings ausgelagerten Direktverkehren in Europa wieder einen Gewinn, der im zweistelligen Millionenbereich liegen soll. Der Lufthansa-Konzern hat im vergangenen Jahr trotz des Absturzes und zahlreicher Streiks seine Rekorde in Sachen Umsatz, Passagiere und Auslastung allesamt verbessert. Für 2015 hat der Vorstand einen operativen Gewinn (bereinigtes EBIT) zwischen 1,75 und 1,95 Milliarden Euro angekündigt. Genaue Zahlen gibt es morgen (17. März) bei der Bilanzvorlage.
Warum ist der Name Germanwings aus der Öffentlichkeit fast verschwunden?
Schon vor der Tragödie mit der Maschine von Flug 4U9525 hatte der Lufthansa-Konzern geplant, die zuletzt erfolgreiche Billigtochter Germanwings in die zweite Reihe zurückzunehmen. Die Kölner Gesellschaft besteht zwar fort, doch der Name ist seit Jahresbeginn aus Werbung, Internet und Vertrieb verschwunden. Das alles läuft nun unter dem Label der bislang kleineren Schwester Eurowings, unter deren Markendach nun auch die Germanwings-Jets unterwegs sind.
Was wird aus der Gesellschaft Germanwings?
Das Hauptproblem sind aus Sicht des Lufthansa-Vorstands die teuren Piloten. Sie verdienen fast genauso viel wie ihre Kollegen bei der Lufthansa-Mutter und haben sich auch kräftig an den bislang 13 Streiks in der immer noch nicht gelösten Tarifrunde beteiligt. Vorstandschef Carsten Spohr hat angekündigt, dass zu den alten Konditionen kein einziger Pilot mehr eingestellt werde. Für die Germanwings-Piloten heißt das, dass sie zur Lufthansa-Mutter wechseln müssen, sobald dort Jobs frei werden. Die dann crew-freien Germanwings-Flugzeuge sollen nach und nach auf andere Gesellschaften abgegeben werden, die nicht an den teuren Konzerntarifvertrag gebunden sind. Die Germanwings wird also „abgeschmolzen“ – ein langsamer Tod auf Raten, sofern es nicht doch noch zu einer tariflichen Einigung kommt, die den Einsatz billigerer Piloten ermöglichen würde.
Wie entwickelt sich Eurowings?
Derzeit kämpft Eurowings mit Problemen im Fernverkehr, den sie im November 2015 aufgenommen hat. Innerhalb der kleinen Flotte können unerwartete Ereignisse kaum ausgeglichen werden, so dass das anspruchsvolle Wachstumsprogramm zunächst gestreckt wurde. Bis Jahresende soll die Langstreckenflotte von derzeit zwei auf sechs Airbus A330 gewachsen sein und vor allem touristische Ziele anfliegen. Für die Kurz- und Mittelstrecke erhält Eurowings bis März nächsten Jahres 23 fabrikneue Airbus A320 mit 180 Plätzen, die ältere CRJ-Flugzeuge mit nur 90 Sitzen ersetzen. Innerhalb des Lufthansa-Konzerns wächst die Billigtochter damit am schnellsten. Ein neues Top-Management und der Verwaltungsübergang von der Germanwings sollen noch 2016 kommen.
Welche Rolle kann Eurowings im europäischen Markt spielen?
Möglichst bald soll Eurowings zur Nummer drei der europäischen Billigflieger nach Ryanair und Easyjet aufsteigen. Im Heimatmarkt Deutschland/Schweiz/Österreich/Belgien will man die Nummer eins sein. Zusätzliche Flieger siedelt die Lufthansa bei Gesellschaften außerhalb des deutschen Tarifrechts an und erreicht zumindest für sie ein konkurrenzfähiges Kostenniveau. Unter der Eurowings-Marke könnten auch angeschlagene Airlines mit Lufthansa kooperieren, ohne dass sie gleich übernommen werden müssten.
Christian Ebner, dpa