Ärger zum Dienstjubiläum – Berlins Flughafenchef eckt an
09.03.2016 Seit einem Jahr ist Karsten Mühlenfeld Chef am neuen Hauptstadtflughafen, der sechs Jahre verspätet an den Start gehen soll – mindestens. Der Ingenieur meint: «In Berlin ist man immer so hypernervös.» Berlin (dpa) – Das Gras sprießt wieder. Auf dem Platz vor dem Geister-Terminal des neuen Hauptstadtflughafens lockt der Frühling das Grün aus den Fugen. Es gedeiht […]
09.03.2016
Seit einem Jahr ist Karsten Mühlenfeld Chef am neuen Hauptstadtflughafen, der sechs Jahre verspätet an den Start gehen soll – mindestens. Der Ingenieur meint: «In Berlin ist man immer so hypernervös.»
Berlin (dpa) – Das Gras sprießt wieder. Auf dem Platz vor dem Geister-Terminal des neuen Hauptstadtflughafens lockt der Frühling das Grün aus den Fugen. Es gedeiht gefahrlos, denn Passagiere und Rollkoffer kommen erst in eineinhalb Jahren. Frühestens.
Wann genau der berüchtigtste Flughafen Deutschlands in Betrieb geht, hängt maßgeblich von Karsten Mühlenfeld ab. Der 52-Jährige ist seit einem Jahr Airport-Chef – und die Bilanz fällt durchwachsen aus. Denn der Zeitplan steht wieder unter Druck.
Große Fehler hat Mühlenfeld selbst sich zwar nicht zuschulden kommen lassen, aber er hat sich unter den Verantwortlichen auch nicht nur Freunde gemacht. Der bisher größte Konflikt kommt zum ersten Dienstjubiläum (Stichtag 16. März). Im Ringen um den Ort des künftigen Regierungsflughafens hat Mühlenfeld mit einem forsch formulierten Brief den Bund düpiert, den Miteigner des Flughafens. Folge: «Überraschung», «Verwunderung», erst beim Bund, dann auf beiden Seiten, nun eine Sondersitzung des Aufsichtsrats an diesem Freitag. Zu Mühlenfelds Einjährigem will der Bund sich nicht äußern – aus Zeitgründen, wie es offiziell heißt.
Sondersitzungen – nach dem Abgang des stets streitlustigen Vorgängers Hartmut Mehdorn schien das eigentlich Vergangenheit zu sein. Doch auch der Ingenieur Mühlenfeld ist kein Diplomat. Wo Mehdorn gezielt die Provokation suchte, verstört Mühlenfeld eher unfreiwillig.
Bei öffentlichen Auftritten wirkt der 52-Jährige unbekümmert, ja leichtfüßig. «In Berlin ist man immer so hypernervös», gibt er sich locker. Doch von nonchalant zu nassforsch ist der Weg für Beobachter dabei nicht weit – der Mann ist eben selbst Berliner.
Was hat der Neue erreicht? «Karsten Mühlenfeld hat gemeinsam mit Technikchef Marx seit seinem Amtsantritt sehr viel aufgeräumt und die klare Richtung für den Schlussspurt vorgegeben», lässt der Aufsichtsratschef ausrichten, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Konkrete Beispiele nennt er nicht.
Mühlenfeld selbst sieht in einer Landebahn-Sanierung den größten Erfolg des abgelaufenen Jahres, weil diese im Zeit- und Kostenplan blieb – unter Regie einer Fremdfirma. Dass Nachträge zum Bauantrag das Bauamt Monate verspätet erreichen, schreibt der Flughafen der externen Prüfung der entsprechenden Lieferwagen-Ladung von Akten zu.
«Mühlenfeld hat sich darum verdient gemacht, den Status quo des Projekts zu erhalten», sagt Martin Delius – und er meint das durchaus anerkennend. Nichts kaputt gemacht – das ist nach all den Management-Fehlern bei dem Bau eben auch schon was.
Delius, der dem Berliner Flughafen-Untersuchungsausschuss vorsitzt, beklagt aber, dass die versprochene Transparenz fehlt. Noch immer erhielten Ausschüsse nicht automatisch alle benötigten Unterlagen, etwa zur Finanzplanung. «Wir brauchen mehr echten Einblick.»
Dass Mühlenfeld am insolventen Gebäudetechnik-Ausrüster Imtech festhielt, sieht Delius als Fehler. Und dass der neue Chef keine Vorsorge für den Fall treffe, dass der größte Flughafen-Kunde in die Knie gehen könnte: die angeschlagene Air Berlin.
Auch Aufsichtsratschef Müller ist in diesem ersten Jahr nicht durchweg zufrieden mit Mühlenfeld. Der Manager hat mit recht freimütigen Aussagen über Probleme im neuen Terminal Schlagzeilen provoziert, die von Einsturzgefahr und dem Austausch von Hunderten Wänden handelten – was sich später in Wohlgefallen auflöste.
«Ich bekomme schon genug Prügel», seufzt Mühlenfeld kurz darauf. Müller tauscht Mühlenfelds Kommunikationschef aus. Und indem der Aufsichtsratschef die Baufirmen zum Rapport ins Rathaus bestellt, macht er seinen Geschäftsführer zum Statisten. Ein Mehdorn wäre da wahrscheinlich im Dreieck gesprungen. Mühlenfeld sagt an anderer Stelle: «Ich bin nicht so der Typ Patriarch.»
Zum Einjährigen schreibt Müller Mühlenfeld ins Stammbuch: «Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat sorgt er dafür, dass wir weiter in ruhigem Fahrwasser die Themen abarbeiten, die nötig sind, um dann verlässlich mit dem Flughafen an den Start gehen zu können.» Der Bürgermeister will in diesem Herbst wieder gewählt werden. Schlechte Nachrichten vom Flughafen kann er nicht gebrauchen.
Eröffnung 2017 – das wären dann sechs Jahre Verspätung. Mühlenfeld hält sich an seine Zusage, keine leeren Versprechungen zu machen. Trotz des aufziehenden Wahlkampfs hält er den Eröffnungstermin in der Schwebe. Und er versucht es mit einem Appell an alle Beteiligten: «Es geht hier in gewissem Maße auch um die Reputation Deutschlands.»
Neue Probleme beim Brandschutz am Hauptstadtflughafen BER gefährden nach Informationen des «Tagesspiegels» die geplante Eröffnung Ende 2017. Das zuständige Bauordnungsamt habe für den Umbau der Entrauchungsanlage Nachbesserungen gefordert, hieß es. Das gehe aus einem Schreiben von Technikchef Jörg Marks an die Mitarbeiter hervor. Flughafensprecher Daniel Abbou bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass es das Schreiben gebe und dass beim Brandschutz nachgebessert werden müsse. Die Auswirkungen auf den Zeitplan seien ungewiss.
Burkhard Fraune, dpa