Neue Flugzeugmuster aus der Ukraine Beide haben Stützpunkte am Flughafen Leipzig-Halle, beide waren dort bis Ende 2016 Partner im Joint Venture Ruslan SALIS GmbH, doch infolge der Annexion der Krim durch Russland und des Kriegs in der Ostukraine gingen sie getrennter Wege: Die russische Frachtlinie Volga-Dnepr und die ukrainische Antonov Airlines. Volga-Dnepr hat sich mit […]

Neue Flugzeugmuster aus der Ukraine

Beide haben Stützpunkte am Flughafen Leipzig-Halle, beide waren dort bis Ende 2016 Partner im Joint Venture Ruslan SALIS GmbH, doch infolge der Annexion der Krim durch Russland und des Kriegs in der Ostukraine gingen sie getrennter Wege: Die russische Frachtlinie Volga-Dnepr und die ukrainische Antonov Airlines. Volga-Dnepr hat sich mit seinen zwölf riesigen Antonov-Frachtern An-124 aus politischen Gründen inzwischen komplett aus den lukrativen Versorgungsflügen für verschiedenen NATO-Staaten im Rahmen der Strategic Airlift International Solution (SALIS) zurückgezogen. Seit Beginn dieses Jahres bedient Antonov Airlines mit seiner Flotte aus sieben baugleichen Flugzeugen das Feld allein. Mit der Antonov Logistics SALIS GmbH steht der Airline in Leipzig eine Handling-Agentur nach deutschem Recht zur Seite. „Wir garantieren unseren Partnern zwei Flugzeuge, die permanent in Leipzig-Halle stationiert sind. Bei Bedarf können bis zu drei weitere Flugzeuge innerhalb weniger Tage bereitgestellt werden“, sagt Geschäftsführer Oleksandr Grytsenko. Die NSPA, Agentur der NATO als unmittelbarer SALIS-Vertragspartner, stand leider für Rückfragen nicht zur Verfügung.

Antonov Airlines hat als Tochterunternehmen für den Flugzeughersteller Antonov State Enterprise aus Kiew eine besondere Bedeutung. Gegründet vor 30 Jahren in der sowjetischen Umbruchphase, rettete die Fluggesellschaft mit ihren einzigartigen Schwerlastfrachtern mit bis zu 150 Tonnen Zuladung mehr als einmal das Überleben. „2018 konnten wir mit unseren Flugzeugen 6500 Flugstunden verkaufen“, betont Airline-Direktor Mykhailo Kharchenko nicht ohne Stolz. Aktuell tragen die 1200 Mitarbeiter von Antonov Airlines nicht weniger als 80 Prozent zum Umsatz des staatlichen Unternehmens mit insgesamt knapp 10 000 Arbeitnehmern bei.

„Jeweils zehn Prozent entfallen noch auf die Leistungen unseres Konstruktionsbüros und unserer Produktionsstätten“, ergänzt Antonov-Präsident Oleksandr Donets. Er hat die Leitung dieses Flaggschiffs der ukrainischen Wirtschaft nach politischen Turbulenzen und Umstrukturierungen Mitte 2018 übernommen – als bereits dritter Topmanager innerhalb von drei Jahren. „In dieser Position ist Luftfahrt-Sachverstand gefragt, und der hat zuletzt gefehlt“, erläutert er die Vergangenheit. „Aber ich bin ein Antonov-Gewächs.“ Seine Hauptaufgabe neben der Wiederherstellung von Vertrauen bei den Mitarbeitern sieht er in der längst überfälligen Serienfertigung von Flugzeugen der Typen An-158 (Regionalflugzeug mit 98 Sitzen, Erstflug 2010) und An-178 (Heckklappen-Frachter für bis zu 18 Tonnen, Erstflug 2015). Hier liegt das Problem derzeit bei der Zertifizierung von überarbeiteten Versionen, die ohne russische Komponenten auskommen und auch westliche Avionik bekommen sollen. Die Boeing-Tochter Aviall ist hierbei seit einiger Zeit unterstützend tätig.

Parallel läuft ein heikler Rechtsstreit um die Zulässigkeit von Maßnahmen zur Lebensdauerverlängerung der zivilen russischen An-124 Flotte. „Das staatliche Unternehmen Antonov als Hersteller und Inhaber der Typenzulassung sieht systematische und grobe Verletzungen eingeführter Verfahren zur Erhaltung der Lufttüchtigkeit durch Volga-Dnepr“, heißt es in einem Memorandum, das verschiedenen Luftfahrtbehörden vorgelegt wurde. Der russische Konkurrent bestreitet dies vehement und betont, im Einklang mit internationalem Recht zu verfahren.
Unabhängig vom Ausgang dieser Differenzen weisen die wirtschaftlichen Indikatoren dieses Flaggschiffs der ukrainischen Industrie in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres sehr positive Tendenzen auf: Die Umsätze stiegen um 45 Prozent auf umgerechnet rund 172 Mio. Euro, der Gewinn fiel mit etwa 30 Mio. Euro fast 30 Mal höher aus, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Robert Kluge