München, 17.07.2018 Vorwiegend Touristen reisen in das Land, doch der Geschäftsverkehr holt auf. Elf nationale Airlines machen sich in Myanmar gegenseitig das Leben und Überleben schwer. Die internationalen Carrier zählen zu den Gewinnern des Booms. Geheimnisvolles, faszinierendes Myanmar, Exotik pur. Manche der Älteren unter den Reisenden, die sich noch an das alte Singapur, an Saigon […]

München, 17.07.2018

Vorwiegend Touristen reisen in das Land, doch der Geschäftsverkehr holt auf. Elf nationale Airlines machen sich in Myanmar gegenseitig das Leben und Überleben schwer. Die internationalen Carrier zählen zu den Gewinnern des Booms.

Geheimnisvolles, faszinierendes Myanmar, Exotik pur. Manche der Älteren unter den Reisenden, die sich noch an das alte Singapur, an Saigon oder Kuala Lumpur erinnern können, fühlen sich vermutlich wie auf einer Zeitreise in die Vergangenheit. Beispiel Mandalay im geografischen Zentrum von Myanmar.

Mit Ausnahme einiger „Vorzeigestraßen“ in der Innenstadt vermittelt der Rest der Verkehrswege dieser mit 1,6 Millionen Einwohnern nach Yangon (Rangun) zweitgrößten Stadt des Landes den typischen südostasiatischen Charme, der den Metropolen der unmittelbaren Nachbarländer längst abhanden gekommen ist. Leichtmotorräder und Fuhrwerke dominieren das Bild auf den schmalen und nur teilweise asphaltierten Straßen am Ufer des Irrawaddy. Merkmale einer rückständigen Infrastruktur des Landes, die auch dem internationalen Luftverkehr natürliche Grenzen setzt.

Begegnung mit Peter Wiesner, der gerade mit einer ATR 72-600 der Bangkok Airways von Chiang Mai kommend auf dem Mandalay International Airport gelandet ist. Wiesner hat ein ausgeprägtes Faible für das Land mit seinen zahlreichen Sehenswürdigkeiten und das angenehme Wesen seiner überwiegend buddhistisch orientierten Bevölkerung.

Der erfahrene Luftfahrtmanager fliegt aber auch aus beruflichem Interesse immer wieder mal nach Myanmar. Als ehemaliger Vice President Marketing und Network Management von Bangkok Airways vermutete er bereits vor einigen Jahren, dass mit der Abkehr von der Militärdiktatur und der bevorstehenden Demokratisierung des Landes die geschäftliche und touristische Entwicklung explodieren und den internationalen Luftverkehr beflügeln würde.

Seine Airline, für die er noch heute als kenntnisreicher Berater des Aufsichtsrats tätig ist, fliegt bereits seit 2004 von Bangkok nach Yangon, in die damalige Hauptstadt Myanmars. Der Boom für die internationalen Airlines aber setzte erst mit der politischen und wirtschaftlichen Öffnung des Landes ein, als zunächst die EU und später auch die USA die Sanktionen aufhoben, nachdem die Regierung zwei Jahre zuvor per Verfassung ein marktwirtschaftliches System festgelegt hatte.

Bangkok Airways und die inzwischen 28 weiteren international operierenden Luftverkehrsgesellschaften, die Myanmar aus den benachbarten Ländern anfliegen – vor acht Jahren waren es gerade einmal neun – profitierten von dem enorm zunehmenden touristischen Interesse. Obwohl der Kuchen gewachsen ist, sind aufgrund der gestiegenen Zahl der Airlines, „die Kuchenstücke kleiner“ geworden, sagt Peter Wiesner. Andererseits sind die Flüge zu Destinationen wie Mandalay (die Bangkok Airways seit 2014 durchführt) während der Saison häufig ausgebucht.

Grenzen des Wachstums

Etwa 90 Prozent der Fluggäste, die nach Mandalay reisen, sind Touristen. Die meisten kommen aus Thailand, Japan und China, aus Frankreich, England, Deutschland und der Schweiz. Auf das ganze Land bezogen liegt das Verhältnis Touristen/Geschäftsleute bei 60 zu 40 Prozent. Mehr als 70 Prozent der ausländischen Touristen reisen aus asiatischen Ländern an. Die Zahl der Urlaubsreisenden aus Deutschland lag im vergangenen Jahr bei 35000. Gemessen am Tourismus im benachbarten Thailand ist da viel Luft nach oben.

Die meisten Geschäftsleute steuern die neue Hauptstadt Myanmars, Naypyidaw, an. Begünstigt wird der wirtschaftliche Aufschwung, weil Unternehmen aus Südkorea, Japan, Europa, China und den USA inzwischen in ihren jeweiligen Startlöchern mit den Füßen scharren: Öl- und Gasfirmen, die Konsumindustrie, Geldinstitute und Anbieter von Kreditkarten, Hotelkonzerne, aus Deutschland Firmen wie beispielsweise Siemens.

Zu den „natürlichen Grenzen“ zählt die zu geringe Hotelkapazität, vor allem in der Drei- bis Vier-Sterne-Kategorie. Bezahlbare Unterkünfte fehlen sowohl an den Traumstränden der Andamanensee und rund um die bevorzugten touristischen Destinationen wie Mandalay, Inle Lake (Heho), Yangon und Bagan, das mit seinen mehr als 2000 erhaltenen Sakralgebäuden für viele Reisende ein „Muss“ ist.

Fluggesellschaften wie Bangkok Airways würden zusätzlich gern nach Bagan fliegen, wenn es denn möglich wäre. Weil es dort bis heute aber weder Immigration noch Treibstoff gibt, kann der Platz international nicht bedient werden und bleibt deshalb den elf nationalen Airlines vorbehalten. Individualtourismus gilt als problematisch wegen der nach wie vor mangelhaften Infrastruktur des Landes in Bezug auf Straßen und Unterkünfte. Üblich sind von Tourguides begleitete Gruppenreisen für sieben Tage. Myanmar ist ein faszinierendes touristisches Ziel, das großartige Eindrücke ermöglicht, aber längst kein „billiges“ Reiseland mehr.

International spielen die elf Inlandsgesellschaften bisher eine untergeordnete Rolle, die ausländischen Carrier dominieren das Luftfahrtgeschäft mit 87,5 Prozent (2016). Die Airlines aus dem Inland liefern sich einen harten Konkurrenzkampf. Erkennbar sind Überkapazitäten, die es auf längere Sicht einigen von ihnen unmöglich machen, profitabel zu operieren und zu überleben, obwohl die Passagierzahlen von 2015 auf 2016 gerade wieder um 15 Prozent auf 2,62 Millionen Fluggäste gestiegen sind. Im selben Zeitraum hat der internationale Luftverkehr um 17 Prozent auf 4,03 Millionen Passagiere zugelegt. Seit 2009 bis heute hat er sich vervierfacht. Bei Inlandsflügen sollten Touristen damit rechnen, dass zuweilen Flüge ausfallen, verspätet starten oder, was auch ärgerlich sein kann, früher als angegeben abheben.

Es ist nicht alles Gold …

Nach wie vor ist Myanmar zwar nach Vietnam der am schnellsten wachsende Markt in Südostasien; die Entwicklung könnte aber ins Stolpern geraten, wenn es nicht gelingt, die Infrastruktur zügig und drastisch zu verbessern. Telekommunikation, Energieversorgung und Verkehrsanbindungen sind nach Darstellung des deutschen Auswärtigen Amts unterentwickelt und werden als Investitionshindernis gedeutet.

Vor dem Rückflug nach Bangkok dann, des guten Überblicks und der allgemeinen Faszination wegen, Fahrt und Aufstieg hinauf zum Mandalay Hill. Hier ist tatsächlich alles Gold, was glänzt. Der allgegenwärtige gelbe Glanz der Pagoden könnte den Reisenden indes auf eine falsche Fährte locken: Trotz der Pracht ist Myanmar nach wie vor eines der ärmsten Länder der Erde. Mandalay aber scheint zunehmend vom Tourismus zu profitieren. Das Verkehrsaufkommen am dortigen Airport hat sich in den vergangenen sieben Jahren verzehnfacht. 2016 wurden 1,12 Millionen Passagiere registriert, 200.000 mehr als 2015.

Start mit einer A320 von Bangkok Airways auf der mit 4268 Metern ewig langen Runway zurück in die thailändische Hauptstadt. In den ersten drei Reihen hinter dem Cockpit haben jene Platz genommen, die im Land der Pagoden das Straßenbild dominieren: buddhistische Mönche in ihren rotbraunen und gelben Kutten. Sollten einige von ihnen zum ersten Mal ins Nachbarland reisen, werden sich vermutlich philosophische Betrachtungen anschließen. Ist der mondäne Überfluss, den Bangkok vermittelt, erstrebenswert für das daran gemessen rückständige Myanmar?

Text: Gunter Hartung, Foto: Dietmar Plath