München Vor etwa zwei Monaten berichteten wir über den damals anstehenden Release des neuesten Sprosses der Microsoft Flight Simulator-Reihe namens „Microsoft Flight“. Schon lange vor dem Erscheinungsdatum gab es unter Simulationsfans mitunter hitzige Spekulationen inwiefern dieses Programm überhaupt noch ein Simulator sein würde. Vor wenigen Wochen erschien das Spiel – und es wurde beim Testen […]

München

Vor etwa zwei Monaten berichteten wir über den damals anstehenden Release des neuesten Sprosses der Microsoft Flight Simulator-Reihe namens „Microsoft Flight“. Schon lange vor dem Erscheinungsdatum gab es unter Simulationsfans mitunter hitzige Spekulationen inwiefern dieses Programm überhaupt noch ein Simulator sein würde. Vor wenigen Wochen erschien das Spiel – und es wurde beim Testen schnell klar: Microsoft hat das Wort „Simulator“ nicht einfach so aus dem Namen gestrichen.

Schon beim Start des Spieles fällt einem das freundliche und sehr aufgeräumte Menü auf. Seitenweise Detaileinstellungs-Listen, wie es sie früher gab, fehlen schlicht. Wo man bei FSX unter anderem detailierteste Umweltbedingungen einstellen konnte (auch mit Zugriff auf echte Wetterdaten), beschränken sich diese Möglichkeiten bei Flight auf das was man in diesem Bild sieht:

SimHQ

Die Umwelteinstellungen (Quelle: Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth)

Sarkastisch könnte man sagen, dass es gut sei, dass mit den Einstellungs-Knopf-Wüsten aufgeräumt wurde. Vielleicht sind hier jedoch zu viele Optionen weggefallen. Dieser Zwiespalt betrifft alle Aspekte des Spiels. Es ist sicherlich keine Simulation – aber es ist irgendwie auch kein Spiel. Diese lässt sich an einigen weiteren Beispielen zeigen:

Flugphysik: Es ist mangels realer Erfahrungen zugegebenermaßen nicht leicht, hier ein Urteil abzugeben. Auffällig ist jedoch dass alle angebotenen Flugmodelle extrem gutmütig sind. Es ist nahezu unmöglich, die Flugzeuge in Fluglagen zu bringen aus denen man nicht mehr heil herauskommt. Man muss sie eigentlich schon absichtlich in den Boden rammen, wenn man unbedingt abstürzen möchte. Reines Arcadefliegen ist es aber auch nicht: Beispielsweise erzeugt der Propeller ein „spürbares“ Drehmoment das von der Motorleistung abhängt. Turbulenzen gibt es ebenfalls. Kurz gesagt: Das Flugmodell fühlt sich schon grundsätzlich nach Fliegen an – aber stets hält ein Schutzengel das Flugzeug in den Händen. Ein Vergleich mit dem Flugmodell von DCS:A10 oder BlackShark beispielsweise ist kaum möglich, so weit sind die Programme voneinander entfernt.

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Landeanflug (Quelle: Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth)

Fluginstrumente: Die Modelle sind grundsätzlich komplett mit allem ausgestattet was ihre realen Vorbilder auch bieten. Instrumentenflug ist durchaus möglich und gut modelliert. Jedoch: Bei FSX konnten Sie realistische Flugpläne unter Zuhilfename der echten Flugkarten etc. erstellen. Wenn Sie diese dann auch befolgten hat alles reibungslos funktioniert. Wenn Sie vorhaben, einen realitätsnahen Verkehrsflug nachzuahmen dann sollten Sie hier aufhören weiterzulesen. Flight bietet momentan auch mit Erweiterungen als Fluggebiet nur Hawaii an. Über korrekte Flugparameter macht man sich hier keine Gedanken, man fliegt einfach. Die Funkgeräte lassen sich zwar verstellen, aber es gibt keinen Flugfunk, keinen ATC.

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Die Funkgeräte haben Strom, aber niemand funkt… (Quelle: Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth)

Simulation der Umwelt: Nicht nur der eben angesprochene Flugfunk fehlt. In der ganzen Welt bewegt sich außer Ihrem Flugzeug gar nichts. Sie sind das einzige Lebewesen. Auf den Straßen fahren keine Autos, auf den Flugplätzen und in der Luft gibt es keine Flugzeuge, die Umgebung ist „tot“ und wirkt damit extrem statisch. Immerhin: Die Belastung für den Computer sinkt und so können selbst etwas schwächere Rechner die an sich sehr schöne Landschaft noch flüssig darstellen. Etwas Leben bringen Sie mit dem Multiplayermodus in die Umgebung, aber das ändert nichts daran dass man den Eindruck bekommt, durch ein Bilderalbum zu fliegen. Ein absolut unverständliches Detail: Headtracking-Software (z.B. TrackIR) wird nicht unterstützt.

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Ein Beispiel für die sehr gelungene Grafik (Quelle: Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth)

Missions-System: Dieses Prinzip ist inzwischen in sehr vielen Computerspielen verbreitet. Es werden verschiedene Ziele gesetzt für deren Erreichung der Spieler ein „Achievement“ bekommt, vergleichbar mit Fleißkärtchen die früher in der Schule üblich waren. Eines der ersten Achievements ist es, mit dem Flugboot (der Icon A5) in der Nähe einer Yacht zu wassern. Je nach dem wie fehlerfrei man das macht, bekommt man Punkte gutgeschrieben und dazu ein entsprechendes Bildchen in der Liste der erfüllten Aufgaben. Das soll den Sammlertrieb wecken und das gelingt in vielen anderen Spielen auch ganz gut. Hier in MS Flight wirkt das auf den ersten Blick sehr innovativ, denn so etwas kennt man von Flugsimulationen eher nicht beziehungsweise nur sehr halbherzig. Üblicherweise war das Fliegen selbst die Motivation. Hier sollen eindeutig auch „normale“ Spieler angesprochen werden und eben nicht nur Simulationsfans. Das Problem dürfte sein, dass die Langzeitmotivation absolut fehlt. Denn schon nach kurzer Zeit wiederholen sich die anfangs sehr kurzweilig gestalteten Missionen. Das heißt, die nicht-Simulations-Freaks werden das Spiel vermutlich bald wieder beiseite legen, weil nach einem bestimmten Zeitpunkt nichts mehr „passiert“. Simulatorfans können mit dem arg eingeschränkten Simulationsaspekt wohl sehr wenig anfangen und empfinden die Missionen höchstwahrscheinlich als viel zu einfach.

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Das Achievement-System (Quelle: Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth)

Erweiterungen: Das halbgare Prinzip setzt sich leider auch hier fort: Das Grundgerüst von Flight ist kostenlos. Man erhält zwei eher einfache Flugzeuge und eine Insel auf der man herumfliegen kann. Den Rest kann man sich nach Gusto dazukaufen. Was an sich gut klingt hat einen großen Haken: Die Addons sind zwar für sich genommen nicht besonders teuer (10-20 Euro) aber man erhält fast nichts dafür. Wenn man alles momentan Verfügbare kauft, so erhält man eine Handvoll weitere ebenso einfach gestaltete Flugzeuge (meist Ein- oder Zweisitzer; keine Verkehrsmaschinen) und die Landkarte wird auf ganz Hawaii ausgedehnt. Das ist aber immer noch nicht besonders viel – früher konnte man über die ganze Welt fliegen. Die sah zwar nicht so schön aus, aber der Großteil aller Flughäfen war korrekt modelliert. Bei Flight gibt man recht schnell um die 50 Euro aus aber erhält dafür viel weniger als früher. Spieler werden das kaum bezahlen wollen da man für 50 Euro an anderer Stelle ganz andere Dinge geboten bekommt – und Simulationsfans würden vielleicht auch tiefer in die Tasche greifen, wenn sie denn nur eine echte Simulation bekämen.

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Der Marketplace mit eigener Währung (Quelle: Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth)

Fazit: Microsoft hat versucht, dem möglicherweise etwas angestaubten Flugsimulationsgenre frischen Atem einzuflößen und eine viel breitere Zielgruppe anzusprechen. Was auf den ersten Blick sehr vielversprechend aussieht und auch eine Zeitlang wirklich Spaß macht entpuppt sich als auf dem halben Weg stehengeblieben. Es gibt ein an sich funktionsfähiges Flugmodell mit Avionik und so ziemlich allem was dazugehört, aber es erfüllt großteils keine Funktion und das Spiel bietet für Simulationsfreunde zu wenig. Gelegenheitsspielern gefällt das Missionssystem, der absolut gelungen einfache Einstieg, die sehr schöne Szenerie – aber ihnen fehlt wohl letzten Endes die Langzeitmotivation und ein vernünftiger Preis. Aus der Sicht des Autors ist das sehr schade. MS Flight wäre an sich sehr gelungen und könnte sogar beide Gruppen gut bedienen wenn man es richtig umsetzen würde.

Quellen (auch Bilder): Microsoft/SimHQ/Chris Frishmuth

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