Reykjavik, 23. Oktober 2018 Dampfende Quellen, Schneevergnügen und Tiere: Abwechslungsreicher als in Island kann ein Familienwinterurlaub kaum sein. Und außerdem gibt es ja noch bunte Wolken. Die Temperatur ist wieder um ein paar Grad gesunken. Acht Grad unter null zeigt das Thermometer an. Unsere Schritte haben tiefe Spuren im Schnee hinterlassen, der Atem hinterlässt kleine […]

Reykjavik, 23. Oktober 2018

Dampfende Quellen, Schneevergnügen und Tiere: Abwechslungsreicher als in Island kann ein Familienwinterurlaub kaum sein. Und außerdem gibt es ja noch bunte Wolken.

Die Temperatur ist wieder um ein paar Grad gesunken. Acht Grad unter null zeigt das Thermometer an. Unsere Schritte haben tiefe Spuren im Schnee hinterlassen, der Atem hinterlässt kleine Nebelschwaden in der Luft. Von all dem lässt sich das Kind nicht beirren. Mit nichts als einer Kappe und einer Badehose bekleidet nimmt die Fünfjährige Anlauf und platscht ins Wasser. «Siehst du, Mama», ruft ihre neunjährige Schwester, «jetzt machen wir sogar Badeurlaub.» In Island. Mitten im Winter.

Wie bei vielen Familien hatten wir ein paar Monate zuvor gemeinsam überlegt, was wir in unseren Winterferien machen könnten. «Skifahren, Wintersport», hatte sich mein Mann gewünscht. «Nee», erwiderte ich. «Können wir nicht mal einen Winterurlaub machen, ohne tagein, tagaus im gleichen Ort von morgens bis abends auf Skiern zu stehen?»

Unsere Kleine unterbrach uns. «Tiere!», grölte sie. Das tut sie eigentlich immer, egal ob es um Winter- oder Sommerurlaub geht. «Au ja, ein Bauernhof oder Reitstall», pflichtete die Große ihr bei. «Und Vulkane.» Ein großes Thema, seit ein Klassenkamerad ihr vom rauchenden Ätna auf Sizilien berichtet hatte.

Vielleicht waren es die Vulkane, die uns auf die Idee brachten, nach Island zu fahren. Auf jeden Fall die Islandpferde. Und die Skigebiete, von denen sich – wie mein Mann im Internet herausfand – gut ein halbes Dutzend im Norden des Landes erstreckt. Zwar ist selbst das größte Skigebiet, Hlídarfjall bei Akureyri, mit 14,9 Kilometern Pisten recht überschaubar, dafür können geübte Wintersportler an vielen Stellen vom Gipfel der Berge bis zum Ozean abfahren.

Dort liegen wir auch im knapp 40 Grad warmen Wasser der «Mývatn Nature Baths», der kleinen Schwester der berühmten Blauen Lagune, nur am anderen Ende des Landes gelegen und blau-grünlich schimmernd.

Die isländische Natur schmückt sich im Winter nur mit wenigen Farben, doch die leuchten in der klaren Luft umso intensiver.

Die Landschaft rund um den Mývatn-See ist besonders abwechslungsreich. Bizarre Lavasteinformationen mit Schneehäubchen säumen wie Türmchen das Gewässer. Rauschende Wasserfälle stürzen sich in die Tiefe, umrahmt von glitzernden Eiszapfen. Und in Höhlen und Felsspalten brodelt kochendes Wasser. «Alles vulkanischen Ursprungs», sagt Halldór Ingvason, der nach diesen drei Worten die Aufmerksamkeit meiner Tochter hat.

Während sie wie gebannt an seinen Lippen hängt, äugt ihre kleine Schwester neugierig zu den Fahrzeugen rüber, die Halldór gemeinsam mit seinen beiden Kollegen am Straßenrand geparkt hat: Schwarze Snowmobile. Sie sind jeweils drei Meter lang und 300 Kilogramm schwer. Damit will Halldór, ein bäriger Typ mit rotem Bart und freundlichen Augen, sich mit uns auf den See bewegen. «Die coolste Art im Winter von A nach B zu kommen», finden der Outdoor-Guide – und unsere Fünfjährige.

Juchzend sitzt sie hinter mir auf dem beheizten Sitz, gut geschützt mit Rückenlehne, Helm und dicken Skisachen. Vorsichtig gebe ich Gas – und bremse sofort wieder, als das Gefährt nach vorne schießt. Zum Unmut meiner Tochter. «Schneller», feuert sie mich bei jedem Hubbel an, bei dem ich das Tempo drossele. Wir holpern einen kleinen Abhang hinunter, dann wird es glatt. Wir befinden uns auf dem Eis, das – wie Halldór mir bei einem kurzen Stopp versichert – mit 70 Zentimeter Dicke problemlos die Schneemobile trägt. Ich finde auf der glatten Eisfläche Gefallen am Fahren. Bei 40 Stundenkilometer komme ich mir schon wie eine Rennfahrerin vor.

Halldór lacht. Er war Teil des Sicherheitsteams, als hier auf dem See die Dreharbeiten zum Film «Fast & Furious 8» stattfanden. «Die haben mit ihren Lamborghinis richtig Gas gegeben», sagt er.

Wir erblicken statt Rennautos Schafe, die auf einer kleinen Insel durch den Schnee stapfen. Zwei Eisfischer ziehen im endlosen Weiß Lachsforellen aus ihren Netzen. Polarfuchsspuren ziehen sich wie eine Linie über die unberührte Schneedecke, und am Horizont ragt der Hverfjall empor, ein Kraterberg entstanden aus Wasserdampfexplosionen, wie Halldór unserer Tochter erklärt.

Doch ganz zufrieden ist sie nicht. Zu friedlich ziert der Hverfjall die Landschaft. «Vulkane, die nicht rauchen, zählen nicht», sagt sie. Zum Glück ist es nicht weit bis Námafjall, einem aktiven Vulkan, der einer unwirklichen Mondlandschaft gleicht. Es zischt, es dampft, es faucht. Die Luft stinkt nach faulen Eiern. Heiße Schlammpfützen brodeln vor sich hin, weißer Dampf tritt aus Felsspalten aus. Das Kind klatscht vor Begeisterung in die Hände.

Zum Glück ist auch dem Wunsch der kleinen Schwester nach Tieren leicht nachzukommen. Überall in der Landschaft stoßen wir auf Schafe, riesige Wollkugeln, die sich bereitwillig streicheln lassen. Auch Islandpferde stehen im Winter draußen, mit dichtem, staubigem Fell. Bei einer Reitstunde lernen die Kinder zu tölten. Bei dieser für Isländer typischen Gangart sitzt man locker schaukelnd auf dem schwingenden Rücken der Tiere, statt im Trab durchgeschüttelt zu werden.

Und schließlich begegnen wir auf einer Walbeobachtungs- und Hochseeangeltour den grauen Riesen, die sich vor der Küste tummeln. Von Hauganes aus, einem Fischerort rund 30 Kilometer nördlich von Islands zweitgrößter Stadt, Akureyri, stechen wir in See. Während die Große im Fjord Eyjafjördur nach Buckelwalen und Delfinen Ausschau hält, wirft die Kleine zusammen mit ihrem Vater eine Angel ins Wasser – und fängt prompt einen armlangen Kabeljau, den wir später zum Abendessen verspeisen.

Outdoor-Guide Beda Mörgeli führt uns am nächsten Tag zunächst nach Skardsdalur, dem nördlichsten Skigebiet des Landes. Die Kinder sausen die Anfängerpiste hinab, mein Mann erkundigt sich nach Cross-Country-Touren. Später schnallen wir uns Schneeschuhe an und folgen Beda weiter den Berg hinauf. Zwei Meter ist die Schneedecke hier dick, wir laufen zwischen den Wipfeln von Kiefern, Lärchen und vereinzelten Birken. Plötzlich lichtet sich der Blick, und wir schauen über den Fjord in die endlose Weite.

Auch bei schlechtem Wetter hat Island im Winter einiges zu bieten: Wir entscheiden uns für eine Reise in die Vergangenheit, und fahren nach Glaumbær, einer Art Museumsdorf, das das Leben in früheren Zeiten dokumentiert. Rund um die alten Bauernhäuser, die mit Torfrasen bedeckt sind, ist die Erde bräunlich-grün statt weiß. Im Inneren erklärt die Museumsführerin unseren Töchtern, womit die Kinder in Island vor 100 Jahren gespielt haben: Kuhkiefer, Schafhörner und Schlittschuhe aus Knochen, die mit Seilen an den Füßen befestigt wurden.

«Die Kinder damals hatten es nicht so gut wie wir», sagt meine Tochter am Abend. Wieder liegen wir im Wasser, in einem kreisrunden Hotpool, der sich auf der Terrasse unserer Ferienunterkunft befindet. «Ja, du hast Recht. Wir machen sogar Badeurlaub im Winter», sage ich und zupfe die Wollmütze zurecht, die ich mir als Schutz vor der Kälte aufgesetzt habe. «Und Winter-Tier-Vulkan-Urlaub», erwidert sie.

Ihre kleine Schwester unterbricht uns aufgeregt. «Bunte Wolken!», ruft sie und zeigt nach oben. «Polarlichter», erklärt mein Mann. Kurz überlege ich aufzuspringen, um die Kamera zu holen, aber dann lehne ich mich doch zurück und genieße den Blick auf die blau-grünen Lichter am Himmel.

Info-Kasten: Island

Infos: www.northiceland.is , www.inspiredbyiceland.com

Anreise: Der Flug von Deutschland nach Island dauert rund drei Stunden. Mit dem Mietwagen fährt man rund fünf bis sechs Stunden in den Norden des Landes. Inlandsflüge von Reykjavik nach Akureyri starten vom stadtnahen Inlandsflughafen, nicht vom internationalen Airport in Keflavik.

Reisezeit: In den nordisländischen Skigebieten liegt meist von November bis April oder Mai Schnee. Eine gute Reisezeit sind März und April, wenn die Tage länger hell sind.

Skifahren: Der 5×5-Skipass gilt fünf Tage lang für alle fünf Skigebiete des Nordens (Erwachsene 140 Euro, Kinder 45 Euro). Tourengeher sind auf der Tröllaskagi-Halbinsel gut aufgehoben. Spektakulär, aber nicht gerade preiswert sind Helikopter-Ski-Touren, die Wintersportler auf die Gipfel bringen.

Schneemobiltour am Mývatn: buchbar über Amazing North, ab rund 170 Euro (www.amazingnorth.is).

Schneeschuhwandern: buchbar über Hotel «Siglo» in Siglufjördur, (www.siglohotel.is), Verleih rund 38 Euro, geführte Tour ab rund 94 Euro.

Reiten: Reiterhof mit Hotel und Reithalle, Gauksmýri (www.gauksmyri.is).

Walbeobachtung und Hochseeangeln: Whale Watching in Hauganes, Erwachsene zahlen rund 75 Euro, 7- bis 15-Jährige die Hälfte, Kinder unter 6 sind frei, im Winter nur nach Anmeldung (www.whales.is)

Schlecht-Wetter-Alternativen:

Im Museumsdorf Glaumbær mit seinen sehenswerten Torfrasenhäusern erfährt man vom ländlichen Leben auf Island im 19. Jahrhundert (Gemeinde Skagafjördur, www.glaumbaer.is).

Alexandra Frank, dpa