31.10.2017 Ein besonderer Gin, spezielle Milchkannen und ein außergewöhnlich mildes Klima: Die Kanalinsel Guernsey ist ein besonderer Ort, der weder recht zu Großbritannien noch zu Frankreich gehört. St. Peter Port (dpa/tmn) – Luke Wheadon hat eine feine Nase und einen feinen Gaumen. Doch mit dem Modeschnaps Gin konnte er sich nie so richtig anfreunden. «Mir haben […]

31.10.2017

Ein besonderer Gin, spezielle Milchkannen und ein außergewöhnlich mildes Klima: Die Kanalinsel Guernsey ist ein besonderer Ort, der weder recht zu Großbritannien noch zu Frankreich gehört.

St. Peter Port (dpa/tmn) – Luke Wheadon hat eine feine Nase und einen feinen Gaumen. Doch mit dem Modeschnaps Gin konnte er sich nie so richtig anfreunden. «Mir haben die Destillate nie geschmeckt, die auf dem Markt sind. Ich habe nie Gin Tonic getrunken», sagt er. Doch dann kam dem gelernten Koch, der ein Hotel auf der kleinen Insel Guernsey im Ärmelkanal besitzt, eine Idee.

«Wir haben schon immer Meerfenchel gesammelt, er wächst hier überall an den rauen Felsen an der Küste, direkt über der Wassergrenze», sagt er. Gurken und rosa Grapefruit passen gut zum Geschmack des Gewächses, das sie hier Rock Samphire nennen. Wheadon mischte noch 13 verschiedene Kräuter und Gewürze bei. «Und dann habe ich mit einem kleinen Kupferkessel angefangen, meinen eigenen Gin zu machen.»

Wheadon passt zu einer Insel, die in vielen Belangen speziell ist. Guernsey liegt näher an Frankreich als an Großbritannien, doch es fühlt sich keinem der Länder so richtig zugehörig. Die Insel untersteht der britischen Krone und gibt ein eigenes Pfund Sterling heraus. Der harte Granit der Insel ist so herausragend, dass die Stufen der Londoner St Paul’s Cathedral daraus gefertigt wurden. Und die Insel hat ein eigenes Kleidungsstück: den «Guernsey». Der Wollpullover ist vor allem bei Seefahrern beliebt. Der ganz eigene Charme des Eilands lockt viele Touristen an.

Luke Wheadon hat mit seinem Gin offenbar einen Nerv getroffen. Er kommt kaum nach, sein Destillat zu produzieren. Die Zutaten sind weitgehend heimisch. Seinen Samphire pflückt er direkt am Strand, Gurken gibt es auf der kleinen grünen Kanalinsel zur Genüge. «Nur die Grapefruit muss ich importieren», sagt Wheadon.

Für seinen Gin braucht Wheadon die Schalen seiner Zutaten. Grundlage des Getränks ist ein klarer Kartoffelschnaps. «Er wird mit dem Meeresfenchel, der Grapefruit-Schale und der Gurkenschale erhitzt und langsam destilliert», erklärt der Fachmann. Neun Stunden dauert dieser Prozess. Die 40 Flaschen pro Tag werden in einer Bar im Boutique-Hotel «Bella Luce» produziert, einem dieser schmucken Steinhäuser, die es auf der kleinen Insel zuhauf gibt.

Ein weiterer Exot auf Guernsey ist Trevor Rogers-Davis. Er stellt die typischen Milchkannen her, mit denen die Bauern früher auf die Felder gegangen sind. «Heute sind sie aus Kupfer, früher waren sie aus Blech», sagt Rogers-Davis, der im historischen Anwesen von Sausmarez Manor das alte Handwerk betreibt. «Inzwischen bin ich der einzige auf der Welt, der diese Kannen noch herstellen kann.»

Peter de Sausmarez ist der Seigneur des alten Hauses, das als das am besten erhaltene der Insel gilt – und er hat so manche Geschichte über das Gebäude zu erzählen. Zum Beispiel über die Geister, die dort angeblich spuken. Doch mehr als das Innere fasziniert ihn das Äußere: Er handelt mit Skulpturen, von denen Dutzende in den ausladenden Gärten stehen. Damit verdient er sein Geld.

Sehenswert sind auch die Pflanzen der Schlossgärten, die im milden Klima Guernseys wuchern. «Allein 40 Sorten Bambus wachsen hier, verschiedene Bananen, Farne, Ingwer», sagt der Schlossherr. Viele der Büsche und Bäume würden selbst im Süden Englands nicht überleben. Doch auf Guernsey ist das Klima perfekt: «Frost kennen wir hier eigentlich nicht, und im Sommer wird es nicht zu warm.»

Dass auf Guernsey optimale Bedingungen für die Pflanzen herrschen, lässt sich auch andernorts sehen. In St. Peter Port, dem Hauptort der Insel, blühen die Blumen fast das ganze Jahr über farbenfroh in den Beeten und auf den Fensterbänken. Ein echter Blickfang.

An der Vegetation der Insel erfreute sich auch Victor Hugo. Der große französische Schriftsteller, der mit «Der Glöckner von Notre Dame» Furore machte, lebte von 1856 und 1870 in seinem Hauteville House. Es kann noch heute besichtigt werden. Der Besucher lässt zwei düstere Stockwerke hinter sich, in denen Hugo zahlreiche skurrile Ideen umgesetzt hat. Viel dunkles Holz wurde verbaut, viele Vitrinen stehen voller Bücher, Flure und Treppenaufgänge tragen wild gemusterte Teppiche. Die Räume gehören heute der Stadt Paris.

Je höher man sich arbeitet in diesem Haus hoch über den Dächern von St. Peter Port, desto luftiger wird die Architektur. Oben auf dem Dach hat Hugo gearbeitet. Und hier hatte er aus den zahlreichen Fenstern einen herrlichen Blick auf seinen ausladenden Garten, die Stadt und das Meer. Er schaute in Richtung seiner Heimat Frankreich, aus der er vertrieben worden war, als er sich gegen den Staatsstreich auflehnte, mit dem sich Napoleon III. 1851 zum Präsident auf Lebenszeit machte.

Im Hauteville House entstand auch der Roman «Die Arbeiter des Meeres», der vom harten Leben der Fischer auf Guernsey erzählt. Schon Victor Hugo spürte, dass dieses Eiland eigentlich ein Solitär ist, der Einflüsse zweier Länder zu etwas Eigenem vermischt. «Ein Stück Frankreich, das ins Meer gefallen ist und von England aufgesammelt wurde», stellte der Schriftsteller fest.

Verena Wolff, dpa

 

Info-Kasten: Guernsey

Anreise: Mit dem Flugzeug reist man am besten über Großbritannien an, die landeseigene Fluggesellschaft Aurigny etwa bedient drei Londoner Flughäfen (City, Gatwick und Stansted). Wer lieber mit der Fähre kommt, kann ebenfalls von England oder Frankreich starten.

Klima: Guernsey hat ein mildes Klima, Frost und Schnee sind äußerst selten. Durch den Golfstrom sind die Temperaturen angenehm.

Geld: Währung ist das Guernsey-Pfund. Sein Wert ist derselbe wie der des britischen Pfund Sterling. Während man in Guernsey auch mit englischen oder schottischen Pfund bezahlen kann, werden die auf der Insel geprägten Münzen und Scheine aber nur hier angenommen. In größeren Geschäften kann man oft mit Euro bezahlen.

Informationen: www.visitguernsey.com