Jackson, 14. August 2018 Den Wecker auf kurz nach 5.00 Uhr stellen: Das macht im Urlaub niemand gerne, ohne dafür gute Gründe zu haben. Für die Besucher des Grand-Teton-Nationalparks in den Rocky Mountains gibt es von denen aber sogar zwei. Der eine sind die Tiere – der andere ist das Licht. Die Sonne ist gerade […]

Jackson, 14. August 2018

Den Wecker auf kurz nach 5.00 Uhr stellen: Das macht im Urlaub niemand gerne, ohne dafür gute Gründe zu haben. Für die Besucher des Grand-Teton-Nationalparks in den Rocky Mountains gibt es von denen aber sogar zwei. Der eine sind die Tiere – der andere ist das Licht.

Die Sonne ist gerade erst aufgegangen, der Sommermorgen fühlt sich noch kalt an. Also rasch eine Fleecejacke über das T-Shirt und den Pullover ziehen. Um kurz vor 6.00 Uhr sammelt Amanda White vor einem Hoteleingang in Jackson ihre Gäste ein. Das Thermometer im Auto zeigt als Außentemperatur 45 Grad Fahrenheit an, umgerechnet etwa 7 Grad Celsius. «Los geht’s, die Tiere warten», sagt Amanda, nimmt einen Schluck Kaffee und setzt ihren Geländewagen in Richtung Grand-Teton-Nationalpark in Bewegung.

Die Tiere: In Grand Teton, einer im Westen des US-Bundesstaates Wyoming gelegenen Bergkette mit spektakulärem Panorama, sind das unter anderem Elche, Wapiti-Hirsche, Bisons und Grizzlybären. Amanda arbeitet für einen von mehreren Touranbieter in Jackson. Die geben zwar keine Garantie, all diese Tiere während ihrer Ausflüge zeigen zu können. Aber morgens sind die Chancen im Sommer am besten, bevor die Hitze viele Tiere träge werden lässt und sie zu Füßen dieses Teils der Rocky Mountains in den Baumschatten verschwinden.

Amanda lenkt den SUV aus Jackson heraus nach Norden, und schon bald wird klar, dass es noch einen zweiten Grund gibt, warum sich der frühe Aufbruch lohnt. Die Sonne steht im Osten noch einigermaßen tief am wolkenlosen, stahlblauen Himmel – und strahlt dadurch die fast genau in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bergkette von der Seite an. Kontrastreich heben sich die zackig geschnittenen Gipfel einer neben dem anderen von ihrem Hintergrund ab – ein Traum für jeden, der mit der Kamera seine Reiseerinnerungen festhalten möchte. Die am Morgen noch sehr klare Luft wird im Laufe des Tages viel dunstiger werden, nachmittags wandert die Sonne außerdem hinter die Grand Tetons. Die Bedingungen für Hobbyfotografen werden dann also nicht besser.

Nach gut 20 Minuten Fahrt ist die Nationalparkgrenze erreicht. Auf der Moose-Wilson Road staut sich ein wenig der Verkehr, auch andere Touranbieter und viele Urlauber mit eigenen Autos sind unterwegs. Immer wieder stoppt Amanda und reicht den Gästen Ferngläser. Eine Gruppe Hirsche springt über die Fahrbahn, und an einem Teich haben andere Frühaufsteher Kamerastative aufgebaut. «Bitte auf Distanz zu den Tieren bleiben», mahnt ein Schild der Nationalparkverwaltung. Aber das ist zumindest in diesem Fall nicht schwer – denn der große Reiher, der da am Ufer auf Beute wartet, flöge sicher schnell weg, wenn sich einer der Touristen zu sehr nähern würde.

Wenig später hält Amanda erneut. Links der Straße grast in etwa 50 Metern Entfernung eine Elchkuh unter den Bäumen, zwei Jungtiere sind in der Nähe. Hier steigen die Touristenführerin und ihre Gäste lieber nicht aus, denn der Angriff einer Elchmutter, die ihren Nachwuchs als bedroht empfindet, kann rasch sehr gefährlich werden. «Wir haben Glück. Elche sind im Sommer manchmal schwer zu finden», sagt Amanda.

Es geht nun auf 10.00 Uhr zu, das Thermometer hat 16 Grad Celsius erreicht. Die Fleecejacke ist längst ausgezogen, nun wird es auch unter dem Pullover zu warm. Zeit für eine Kaffeepause an einem der vielen Aussichtspunkte entlang der Teton Park Road, die neben dem Highway 191 die zweite Hauptachse durch den Nationalpark ist. Noch immer steht das Licht schön auf den Bergen, insbesondere auf der Cathedral Group, zu der die Gipfel Grand Teton (4197 Meter hoch), Mount Owen (3940 Meter) und Teewinot Mountain (3756 Meter) gehören.

Fast senkrecht scheinen die Berge aus dem breiten Hochtal Jackson Hole emporzuspringen, in dem auch das immerhin 1900 Meter hoch gelegene Städtchen Jackson liegt. Sanfte Hügel, die in der Landschaft für wellige Übergänge sorgen, gibt es hier nicht.

Verschiebungen der Erdplatten haben die Berge vor etwa zehn Millionen Jahren in die Höhe gedrückt, in den Eiszeiten schliffen riesige Gletscher sie glatt – nur wenige Spitzen dürften damals aus dem Eis geragt haben. Im 19. Jahrhundert sahen sich dann Fallensteller dazu angeregt, die Berge mit dem französischen Wort für Brüste («tétons») zu benennen. Urlauber stellt das vor die kleine Herausforderung, die Namen richtig auszusprechen, ohne dabei ins Vulgäre abzudriften.

Überbleibsel der Gletscher sind auch die den Bergen vorgelagerten Seen. Am kleinen Jenny Lake konzentriert sich tagsüber der Ansturm der Touristen, dort beginnen mehrere schöne Wanderwege. Viel größer ist der Jackson Lake, an dessen Ostufer die Straße zum nördlichen Nachbarn, dem Yellowstone-Nationalpark, verläuft. Beide Parks bilden mit angrenzenden Gebieten ein gemeinsames Ökosystem, in dem unter anderem 600 bis 700 Grizzlys leben.

Außerdem verbindet beide Parks, dass die Besucherzahlen zuletzt stark zugelegt haben. Ganz so hoch wie in Yellowstone, wo 2017 mehr als 4,1 Millionen Gäste gezählt wurden, sind die Zahlen in Grand Teton zwar nicht. Doch auch hier war 2017 ein Rekordjahr: Gut 3,3 Millionen Besucher bedeuteten nach Angaben der US-Nationalparkbehörde bereits das dritte Jahr in Folge, in dem mehr als drei Millionen Menschen nach Grand Teton kamen.

Inzwischen steht die Sonne hoch, das Licht ist nicht mehr so gut zum Fotografieren. Zeit für eine späte Mittagspause nahe des 2355 Meter hohen Signal Mountain, einem Ort mit prächtiger Aussicht auf die Berge, den Jackson Lake und den Snake River, der sich durch den Park schlängelt. Hier kommt plötzlich ein Elch ins Blickfeld, der eine Wiese überquert. «Eher ungewöhnlich für die Tageszeit», sagt Amanda.

Auch Schwarzbären könne man am Signal Mountain oft gut beobachten. Nur heute eher nicht mehr, es ist schon zu spät am Tag – und bei gut 25 Grad Celsius wünschen sich Amandas Begleiter gerade, sie hätten sich nicht nur am Oberkörper für den Zwiebellook entschieden, sondern auch kurze Hosen zum Wechseln auf den Ausflug mitgenommen.

Auf dem Highway 191 geht es zurück nach Jackson, einer Stadt, die ihren Wildwest-Charakter zelebriert. Eine rote Postkutsche zieht für Urlauber ihre Kreise um den Town Square. Dessen vier Zugänge bilden Berge von Hirschgeweihen, die zu Torbögen ineinander verkeilt wurden. In der «Million Dollar Cowboy Bar» gegenüber gibt es am Tresen keine Hocker, sondern eine Reihe von Sätteln – mehr Klischee geht kaum.

Auf eines sollten Urlauber aber gefasst sein: Weil auch viele Prominente die Stimmung in Jackson lieben und im Winter zum Skilaufen in die Stadt kommen, ist das Preisniveau in den Restaurants, Eisdielen und Geschäften nicht gerade niedrig.

Kurz vor Jackson dreht Amanda White die Klimaanlage nochmal höher, draußen ist mit 30 Grad nun Hochsommer. Die Elche, die Hirsche, der Reiher – für Amanda war das die Ausbeute eines ganz typischen Tages in Grand Teton. «Ich mache diese Touren dreimal pro Woche», erzählt sie, «aber ich komme auch gerne privat in den Park, beobachte Tiere und mache Fotos. Für mich ist dies ein besonderer Ort, denn man kann die Natur noch immer so erleben, wie sie mal war, bevor die Menschen hier angekommen sind.»

Morgen hat Amanda frei. Vielleicht wird sie aber auch dann nach Grand Teton aufbrechen – schon früh am Morgen, wenn es kalt ist, aber das Licht perfekt. Und wenn die Tiere warten.

Info-Kasten: Grand-Teton-Nationalpark

Anreise: Der Flughafen Jackson (www.jacksonholeairport.com) ist gut in die Streckennetze der großen US-Fluggesellschaften eingebunden. Reisende aus Europa müssen in den USA umsteigen und erreichen ihn mit United (zum Beispiel über Chicago, Denver oder San Francisco), Delta (über Salt Lake City oder Atlanta) und American Airlines (über Dallas oder Chicago). Eine Autofahrt von Denver nach Jackson (810 Kilometer) dauert gut acht Stunden, von Salt Lake City (460 Kilometer) etwa fünf Stunden.

Visum: Deutsche USA-Urlauber brauchen kein Visum, müssen sich unter https://esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis (Esta) besorgen. Sie kostet 14 US-Dollar und gilt zwei Jahre lang.

Klima und Reisezeit: Typisches Kontinentalklima. Der Winter ist kalt und schneereich, der Sommer warm und eher trocken. Im Juli und August erreichen die Tageshöchstwerte oft 27 bis 30 Grad, nachts um 10 Grad. Mit Mittagswerten um 22 Grad bieten sich auch Juni und September als Reisemonate an, weil dann weniger andere Touristen unterwegs sind.

Geld: Für einen Euro gibt es etwa 1,16 US-Dollar (Stand: August 2018). Das Bezahlen mit Kreditkarten ist sehr weit verbreitet.

Informationen: The Great American West, Bavariaring 38, 80336 München (Tel.: 089/689 06 38 41, https://greatamericanwest.de).

Christian Röwekamp, dpa