13.12.2014 Der britische Dreistrahler hatte Potenzial für eine große Karriere. Doch die Auslegung streng nach den Anforderungen einer einzelnen Airline und fehlende Unterstützung für eine erfolgversprechende Weiterentwicklung führten dazu, dass nur wenig mehr als 100 Exemplare produziert wurden. Die Geschichte hat gezeigt, dass es sich in der Regel nicht auszahlt, wenn ein Flugzeug allein auf […]

13.12.2014

Der britische Dreistrahler hatte Potenzial für eine große Karriere. Doch die Auslegung streng nach den Anforderungen einer einzelnen Airline und fehlende Unterstützung für eine erfolgversprechende Weiterentwicklung führten dazu, dass nur wenig mehr als 100 Exemplare produziert wurden.

Die Geschichte hat gezeigt, dass es sich in der Regel nicht auszahlt, wenn ein Flugzeug allein auf die Anforderungen eines einzigen oder einiger weniger Kunden hin konzipiert wird. Die auf das Streckennetz von Lufthansa und Swissair zugeschnittene A310 ist ein typisches Beispiel, ebenso die 767-400ER, bei deren Entwicklung Delta Air Lines und Continental die treibenden Kräfte waren.

Als besonders „produktiv“ in dieser Hinsicht erwies sich über viele Jahre die britische Luftfahrtindustrie. Das allerdings nicht ganz freiwillig: Die beiden staatlichen Fluggesellschaften BEA (British European Airways) und BOAC (British Overseas Airways Corporation) wurden regelmäßig von der Regierung bevorzugt, was die Zuteilung von Streckenrechten anbetraf. Andererseits wurde ihnen aber auch sehr deutlich „empfohlen“, heimische Produkte zu kaufen. Kein Wunder, dass die Airlines angesichts dieser Rahmenbedingungen starken Einfluss auf die Auslegung der Produkte hatten. Mit dem Ergebnis, dass sich viele in Großbritannien entwickelte und hergestellte Flugzeuge außerhalb ihres Heimatlands nur äußerst schlecht verkauften. Natürlich gibt es wie immer die Ausnahmen von der Regel: Vickers Viscount und BAC 1-11, von denen 447 beziehungsweise immerhin noch 244 Exemplare gebaut und etliche auch ins Ausland geliefert wurden, gehören zweifellos dazu. Typischer sind allerdings die Schicksale von Bristol Britannia (84 Flugzeuge), Vickers Vanguard (44) und VC10 (54) sowie Hawker Siddeley Trident (117), deren Verkaufszahlen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben.

 

Kleineres Flugzeug gewünscht

Dabei hätte gerade das letztgenannte Flugzeug eine Menge Potenzial gehabt, denn von der Boeing 727, deren Kapazität und Leistungsparameter denen des ursprünglichen Trident-Entwurfs sehr nahe kamen, wurden immerhin 1832 Exemplare produziert.

Mitte der 50er Jahre hatte BEA Interesse an einem Kurz- und Mittelstreckenjet bekundet, der „mehr als zwei Triebwerke“ aufweisen, rund 70 Passagiere befördern und als Konkurrenz zur französischen Caravelle – für die sich BEA nicht interessieren „durfte“ – die Viscount-Turboprops ablösen sollte. Neben diversen vierstrahligen Offerten von Avro, Bristol, de Havilland und Vickers wurde auch eine dreimotorige Lösung vorgeschlagen: die DH121 von de Havilland. Tatsächlich war sie das erste Verkehrsflugzeug mit drei Düsentriebwerken – ein Konzept, das nach den Vorstellungen der Entwicklungsingenieure den idealen Kompromiss zwischen wirtschaftlichem Reiseflug und der Flugsicherheit (im Fall eines Triebwerkausfalls beim Start) darstellte. Als Antrieb waren Rolls-Royce-Turbofantriebwerke des Typs RB.141 „Medway“ geplant, die jeweils rund 61 kN Schub liefern würden.

Trident

Die Trident wurde auf die Anforderungen von BEA zugeschnitten. Die britische Fluggesellschaft übernahm ab Ende 1963 insgesamt 23 Exemplare der ersten Serienversion Trident 1C. Bild: Wikimedia Commons

 

Zwar sah der de-Havilland-Entwurf 111 Sitzplätze bei einer Zwei-Klassen-Bestuhlung sowie ein Gewicht von rund 63 Tonnen und eine Reichweite von gut 3300 Kilometern vor, wohingegen BEA 45 Tonnen und 1600 Kilometer als Eckwerte genannt hatte; dennoch erklärte die Fluggesellschaft im Februar 1958, dass die DH121 ihren Anforderungen am nächsten käme. 24 Flugzeuge wollte man fest bestellen sowie Optionen auf ein weiteres Dutzend Exemplare zeichnen. Es dauerte dann noch bis zum August desselben Jahres, ehe auch die britische Regierung ihre Zustimmung zu dem Geschäft gab.

Zumindest theoretisch stand dem Jet nun der Weg in eine glänzende Zukunft offen. Der Bedarf an einem derartigen Flugzeug schien unstrittig, was sich nicht zuletzt da-ran zeigte, dass Boeing an einem vergleichbaren Entwurf arbeitete, aus dem letztlich die äußerst erfolgreiche 727 hervorgehen sollte. Auch US-Fluggesellschaften bekundeten ihr Interesse an der DH121, und möglicherweise hätten sie sich sogar für den britischen Jet entschieden, wenn er denn tatsächlich so gebaut worden wäre, wie es de Havilland ursprünglich vorgesehen hatte. Doch das Schicksal in Gestalt von BEA wollte es anders. Ein kurzfristiger Einbruch der Nachfrage führte dazu, dass den Airline-Verantwortlichen der Entwurf auf einmal zu groß erschien. De Havilland war gezwungen, das Flugzeug noch einmal zu überarbeiten. Die Kapazität wurde auf maximal 97 Sitze reduziert (bei einer Zwei-Klassen-Auslegung waren es 75 bis 80), das Abfluggewicht sank auf 48 Tonnen, und für den Antrieb sollte nun das nagelneue RB.163-Triebwerk von Rolls-Royce sorgen, das später unter dem Namen Spey bekannt wurde und in der Version Spey 505 bei der DH121 rund 44 kN Schub liefern sollte.

Apropos Namen: Der neue Jet, von dem BEA im August 1959 die versprochenen 24 Exemplare (plus zwölf Optionen) auch offiziell bestellte, erhielt im Herbst 1960 die passende Bezeichnung Trident, auf Deutsch „Dreizack“. Die um 35 Grad gepfeilten Tragflächen verliehen der Trident eine sehr hohe Reisegeschwindigkeit von Mach 0,88. Damit spielte der britische Jet quasi in einer eigenen Klasse – wenn er denn erst einmal in der Luft war. Der auf schnellen Reiseflug ausgelegte Flügel produzierte nämlich bei niedrigen Geschwindigkeiten vergleichsweise wenig Auftrieb, was in Kombination mit dem ungünstigen Schub-Gewichts-Verhältnis dazu führte, dass die Trident beim Start förmlich am Boden klebte. Der Spitzname „Ground Gripper“ kam daher nicht von ungefähr, und dumme Bemerkungen der Art, dass nur die Erdkrümmung überhaupt das Abheben ermögliche, gab es schon lange vor der A340 …

Eine Herausforderung stellte für die Piloten auch die hohe Anfluggeschwindigkeit dar. Bei der ersten Trident-Version 1C war es deswegen gestattet, die Schubumkehr noch in der Luft zu nutzen.

Absolut auf der Höhe der Zeit, wenn nicht sogar derselben voraus, präsentierte sich der Dreistrahler hinsichtlich der Cockpit-Ausstattung. Angesichts des häufigen Nebels in London und an anderen britischen Flughäfen war die Fähigkeit zur automatischen Landung unter Kategorie-3B-Bedingungen ein echtes Plus, mit dem die Trident ab Ende der 60er Jahre wuchern konnte. Der Jet verfügte sogar schon über ein Moving-Map-System. Eine elektronische Darstellung des überflogenen Geländes, wie heute üblich, gab es seinerzeit natürlich noch nicht. Stattdessen wurde die Position des Flugzeugs, die auch nicht per Satellitennavigation ermittelt wurde, sondern – weit weniger genau – mit Hilfe eines Dopplerradars, auf einer papiernen Karte dargestellt.

Cockpit Trident

Das Cockpit einer Trident 2E mit dem damals ungewöhnlichen „Moving Map“-Kartensystem in der Mitte des Armaturenbretts. Bild: Wikimedia Commons

 

Die Kontakte zu potenziellen Kunden in den USA, namentlich zu American Airlines, für die eine Trident 1A mit größerer Reichweite und stärkeren Triebwerken konzipiert, aber nie gebaut wurde, führten dazu, dass die Entwicklungsingenieure den Trident-Entwurf noch einmal modifizierten. Die erste Serienversion erhielt nun die Bezeichnung Trident 1C und einen größeren Tank im Flügelmittelstück, wodurch die Reichweite auf rund 2300 Kilometer und das Abfluggewicht auf 52 Tonnen stiegen.

 

Zwei Jahre bis zur Zulassung

Ende der 50er Jahre drängte die britische Regierung auf eine Konsolidierung der noch arg zersplitterten heimischen Luftfahrtindustrie. De Havilland wollte sich deshalb mit Hunting Aircraft und Fairey Aviation zusammentun, um unter dem Firmennamen Airco die DH121 zu produzieren. Allerdings konnte sich die Regierung mit diesem Zusammenschluss nicht ganz anfreunden, und so wurde de Havilland, ebenso wie Blackburn, schließlich von Hawker Siddeley übernommen; aus der DH121 wurde folgerichtig die HS121.

Deren erster Prototyp mit dem Kennzeichen G-ARPA absolvierte am 9. Januar 1962 von Hatfield aus seinen Jungfernflug. Es sollten dann allerdings noch gut zwei Jahre vergehen, ehe im Februar 1964 die Zulassung ausgesprochen wurde und British European Airways das neue Muster ab März desselben Jahres einsetzen konnte.

24 Exemplare der ersten Serienversion Trident 1C wurden produziert, von denen eines bei einem Testflug verloren ging, während die übrigen allesamt bei BEA in Dienst gestellt wurden. Darüber hinaus fertigte Hawker Siddeley 15 Trident 1E, sozusagen die „Export“-Version, die allerdings etwas größere Tragflächen, etwas schubstärkere Spey-511-Triebwerke und ein auf 58 Tonnen gesteigertes maximales Abfluggewicht erhielt und am 2. November 1964 erstmals flog. Bei dichter Bestuhlung mit sechs Sitzen pro Reihe fanden nun bis zu 140 Passagiere in der – unverändert gebliebenen – Kabine Platz. Channel Airways stattete ihre Trident 1E im Vorderrumpf sogar mit sieben Sitzen nebeneinander aus – besonders komfortabel kann es in diesem Teil der Kabine nicht zugegangen sein.

Mittlerweile war BEA zu dem Schluss gekommen, dass dem Dreistrahler etwas mehr Reichweite gut tun würde, und Hawker Siddeleys Antwort auf diesen Wunsch war die Trident 2E. Während der Rumpf praktisch unverändert blieb, erhielt die neue Version abermals – allerdings nur geringfügig – vergrößerte Tragflächen und ein modifiziertes Klappensystem sowie Spey-512-Triebwerke, dank deren höheren Schubs die Flugleistungen trotz des abermals auf nun rund 65 Tonnen gewachsenen Abfluggewichts weitgehend gleich blieben. Neben 15 Exemplaren dieses Typs für BEA, die das Muster ab April 1968 einsetzte, und zwei für Cyprus Airways baute Hawker Siddeley 33 Flugzeuge für die chinesische CAAC.

 

Dreistrahler mit vier Triebwerken

Mitte der 60er Jahre stellte BEA fest, dass man nun doch ein größeres Flugzeug benötigte. Hawker Siddeley präsentierte die beiden zweistrahligen Modelle HS132 und HS134, wobei die Motoren bei der erstgenannten Version am Heck bleiben sollten, während sie bei der HS134 unter die Tragflächen wanderten. Mit dieser Auslegung und ihren rund 185 Sitzplätzen ähnelte die HS134 der Boeing 757 oder dem Airbus A321 – zwei äußerst erfolgreichen Flugzeugen. Doch wieder wurde eine Chance vertan, denn die Regierung war nicht bereit, die Entwicklung finanziell zu unterstützen. Gleichzeitig untersagte man BEA, Boeing 737 und/oder 727 zu kaufen, so dass die Lösung letztlich in einer weiteren Trident-Variante bestand. Dieses Mal nahm man sich auch den Rumpf vor, der um rund fünf Meter verlängert wurde, so dass die Trident 3B bis zu 180 Reisende zu befördern vermochte. Die Triebwerke blieben allerdings dieselben, und weil das Spey nicht mehr viel Entwicklungspotenzial bot, griff man bei Hawker Siddeley zu einer ungewöhnlichen Lösung, um das erforderliche Mehr an Schub für den nun bis zu 70 Tonnen wiegenden Jet bereit zu stellen. Im Heck wurde nämlich ein kleines RB162-Turbojet-Triebwerk installiert, das nur bei Bedarf genutzt wurde und die Startleistungen verbesserte. Am 11. Dezember 1969 hob das erste Exemplar zum Jungfernflug ab, im Februar 1971 stellte BEA das neue Muster in Dienst. 26 Trident 3B wurden  gefertigt, hinzu kamen Mitte der 70er noch zwei „Super 3B“ mit höherer Treibstoffkapazität für CAAC. Die Chinesen waren es auch, die den britischen Dreistrahler am längsten einsetzen. Noch bis weit in die 90er Jahre hinein sollen Tridents in der Volksrepublik geflogen sein. Anderswo war die HS121 zu diesem Zeitpunkt längst ausgemustert. British Airways (die Gesellschaft war 1974 aus der Fusion von BEA und der Langstrecken-Airline BOAC hervorgegangen) führte am 31. Dezember 1985 den letzten Flug mit einer Trident durch. Verglichen mit 737-200 oder 757 war die Trident einfach zu laut und vor allem zu durstig und damit unwirtschaftlich geworden.

Achim Figgen