27.09.2016 Wer eine Pauschalreise nicht antreten kann, zahlt oft hohe Storno-Gebühren. Umso besser, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis einspringt. Einige Veranstalter stellen dafür aber horrende Zusatz-Kosten in Rechnung. Zu Recht, sagt jetzt der BGH. Karlsruhe (dpa) – Zu krank, um in den Urlaub zu fliegen – das allein ist schon ein ziemliches Unglück. Wer dann […]

27.09.2016

Wer eine Pauschalreise nicht antreten kann, zahlt oft hohe Storno-Gebühren. Umso besser, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis einspringt. Einige Veranstalter stellen dafür aber horrende Zusatz-Kosten in Rechnung. Zu Recht, sagt jetzt der BGH.

Karlsruhe (dpa) – Zu krank, um in den Urlaub zu fliegen – das allein ist schon ein ziemliches Unglück. Wer dann noch auf hohen Kosten für die verpasste Reise sitzenbleibt, ist doppelt gestraft. Immerhin haben Verbraucher das Recht, ihre Plätze kurzfristig einem anderen zu überlassen. Aber auch das kann extrem teuer werden, wie zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dienstag zeigen.

Worum ging es in Karlsruhe?

Im Gesetz steht, dass jeder bis zum Beginn der Reise verlangen kann, «dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt». Beispielsweise könnte also ein Paar die gebuchte Reise den Schwiegereltern oder Freunden überlassen. Der Veranstalter darf das nur verweigern, wenn der Ersatz-Reisende «den besonderen Reiseerfordernissen nicht genügt». Das geht nur im Ausnahmefall, erläutert Reiserechtsexperte Felix Methmann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) – wenn jemand zu alt oder krank ist für eine Tropenreise oder notwendige Impfungen fehlen.

Warum kann so etwas sinnvoll sein?

Wer kurzfristig eine Pauschalreise nicht antreten kann, zahlt zwar nicht den vollen Preis, aber meist hohe Storno-Gebühren. Die gestaffelten Prozentsätze sind nach Auskunft des vzbv nicht gesetzlich geregelt. Durch die Rechtsprechung im Einzelfall habe sich aber herauskristallisiert, welche Gebühren angemessen sind. Demnach zahlen abspringende Kunden bis zu 30 Tage vor Reisebeginn in der Regel 20 Prozent des Reisepreises, ab sechs Tage vorher sind es schon 55 und bei Nichtantritt 75 Prozent. Auch bei Übertragung der Reise auf einen Dritten müssen die Kunden allerdings die «entstehenden Mehrkosten» übernehmen. Und genau daran entzündete sich der Streit.

Weshalb haben die Reisenden geklagt?

Sie wollten in beiden Fällen wegen Krankheit zwei Tage vor der Reise ihre Plätze gern an Bekannte oder Angehörige abgeben. Das wäre ihnen aber teuer zu stehen gekommen. Bei Flügen nach Dubai wollte der Veranstalter entweder pro Person 1850 Euro mehr für Sitze in der Business Class oder je 725 Euro für die Umbuchung auf eine andere Verbindung. Die zweite Reise nach Thailand sollte mit neuen Flugtickets pro Person knapp 1650 Euro zusätzlich kosten. Also stornierten die Betroffenen lieber – wofür wiederum 90 und 85 Prozent des Reisepreises fällig wurden. So nicht, dachten sich die Kunden. Sie wollten ohne Storno-Gebühren aus dem Reisevertrag heraus.

Wie kommen überhaupt so hohe Summen zustande?

Das hat damit zu tun, dass die Fluggesellschaften auf Linienflügen Namensänderungen nach der Buchung häufig ausschließen. So wollen die Airlines vermeiden, dass die Tickets unter der Hand weiterverkauft werden. Packt ein Reiseanbieter solche Flüge in seine Pauschalpakete, kann er also gar nicht umbuchen. Er muss stornieren und kurz vor Abflug neue Tickets kaufen – was in aller Regel sehr teuer ist. «Das kann nicht sein», kritisiert Methmann. Aus seiner Sicht hat der Reisende nur die Kosten für die Änderung des Namens zu tragen, eine Sache, die allerhöchstens eine Viertelstunde dauere. «Das kann nicht besonders teuer sein. Ich würde sagen: zwischen 25 und 50 Euro.»

Wie hat jetzt der BGH entschieden?

Die Karlsruher Richter sehen die Haftung beim Kunden – und zwar für alle Mehrkosten, neuer Flugschein inklusive. Der Vorsitzende Richter Peter Meier-Beck räumte in der Verhandlung zwar ein, dass die «Wucht der Beträge» das in diesen beiden Extremfällen in der Tat absurd erscheinen lasse. Der Gesetzgeber habe aber nirgendwo gesagt, dass das Recht auf Eintritt in den Reisevertrag in jedem Fall wirtschaftlich attraktiv sein müsse. Der Senat hielt es deshalb nicht für gerechtfertigt, die Kosten für die neuen Flugtickets dem Reiseveranstalter aufzubrummen. (Az.: X ZR 107/15, X ZR 141/15)

Was bedeutet das für Pauschaltouristen?

Ihnen bleibt, wenn sie Pech haben, nur die Stornierung – unter Umständen kommen sie damit immer noch günstiger weg. Nach Ansicht der BGH-Richter wäre ein anderes Urteil für die Verbraucher aber nicht unbedingt von Vorteil gewesen. Meier-Beck wies darauf hin, dass nicht umbuchbare Flüge oft die billigeren seien. Eine Verpflichtung der Veranstalter, flexibel zu buchen, hätte nach dieser Logik Pauschalreisen also insgesamt teurer gemacht.

Anja Semmelroch, dpa