Zeitverschiebung, Nachtflüge und Krebsrisiko: Wer den «Prestige-Job» Pilot ausführt, verdient zwar gut, hat auch einiges wegzustecken. Ein Lufthansa-Kapitän erklärt, warum er den Streik für gerechtfertigt hält. Frankfurt/Main (dpa) – Moskau, Paris, London. Drei Städte in drei Tagen. An wenig Schlaf hat sich der Pilot in seinem Job gewöhnt. Genauso wie an die Nachtarbeit und den […]

Zeitverschiebung, Nachtflüge und Krebsrisiko: Wer den «Prestige-Job» Pilot ausführt, verdient zwar gut, hat auch einiges wegzustecken. Ein Lufthansa-Kapitän erklärt, warum er den Streik für gerechtfertigt hält.

Frankfurt/Main (dpa) – Moskau, Paris, London. Drei Städte in drei Tagen. An wenig Schlaf hat sich der Pilot in seinem Job gewöhnt. Genauso wie an die Nachtarbeit und den ständigen Wechsel der Zeitzonen. Seine beiden Kinder würde er trotzdem gerne öfter sehen. Er ist Kapitän bei der Lufthansa. Seinen Namen will der 40-Jährige zwar nicht in der Zeitung lesen, aber einige Dinge geraderücken. Er fliegt Kurzstrecke – viele Herausforderungen treffen ihn jedoch ebenso wie seine Langstrecken-Kollegen. Sie alle wollen deshalb selbst entscheiden, wann ihre persönliche Altersgrenze zum Fliegen erreicht ist.

Schlaflose Nächte sind nicht die einzige Belastung, die auf Piloten zukommt. Regelmäßige Gesundheitschecks gehören deshalb zum Alltag des Piloten. Sobald die Sehtauglichkeit abnimmt oder die Knie nach einem Flug «weich werden», bedeutet es oft das Berufsende. Wann die Grenze erreicht ist, könne man jedoch nur individuell entscheiden. «Der Arzt misst nicht nach, wie man sich vor oder nach einem Langstreckenflug fühlt», erklärt der Pilot. Der Mediziner wisse auch nicht, wann die Konzentration nachlässt oder der Tunnelblick kommt.

Die Lufthansa will das Klagen des Piloten nicht ganz gelten lassen. Stress, hohe Arbeitsbelastung und wenig Schlaf seien «die normalen Gegebenheiten dieser Tätigkeit» und würden durch gesetzliche und tarifvertragliche Regeln ausgeglichen. Bewerber würden frühzeitig informiert, ihre Eignung werde gründlich getestet.

Die Airline hält es deshalb für gerechtfertigt, das frühestmögliche individuelle Eintrittsalter in den Vorruhestand von 55 auf 60 Jahre zu erhöhen. Im Schnitt sollen die Piloten zudem erst mit 61 statt bislang mit 58 Jahren in den vom Unternehmen gepolsterten Vorruhestand gehen dürfen. Zu beiden Themen hat Lufthansa langfristige Übergangsregelungen und Einzelfallbestimmungen vorgestellt. Bereits heute ist das durchschnittliche Eintrittsalter der Piloten mit 58,9 Jahren höher als vom Tarifvertrag verlangt. Trotzdem hat sich an der Frage der härteste Streik in der Lufthansa-Geschichte entzündet.

Grundsätzlich, betont der Kapitän, sei ein Streik für ihn keine einfache Entscheidung. Hunderte Passagiere stehen zu lassen, kratze am Berufsethos eines jeden Kollegen, bestätigt er. Dennoch zeigt es den Ernst der Lage. «Wenn Piloten streiken, dann wissen sie, was sie tun», sagt das Mitglied der streikenden Gewerkschaft Vereinigung Cockpit. Für die meisten sei das aber «eine ganz, ganz große Überwindung».

Dabei gehe es nicht in erster Linie ums Einkommen der Piloten: 1998 habe er als Zweiter Offizier mit 4800 D-Mark brutto angefangen, heute verdient der 40 Jahre alte Flugkapitän nach eigenen Angaben 11 500 Euro brutto im Monat.

Den Streik hält er aus anderen Gründen für richtig: Mit zunehmendem Alter sei die Lernfähigkeit eingeschränkt, sagt der Pilot. «Erfahrene Kapitäne müssen auf ihr aufgebautes Wissen zurückgreifen. Schnelles Lernen bereitet im höheren Alter einfach Schwierigkeiten.» Wenn gespeicherte Informationen verloren gehen, könne dies im Zweifelsfall einen Sicherheitsverlust bedeuten. «Denn wir werden nicht für den Schönwetterflug bezahlt, sondern für die tausend mentalen Modelle, die wir uns machen müssen, um in Ernstfall Menschenleben zu retten.»

«Unsichtbare Arbeit» sei das, die der Fluggast nicht mitbekomme. «Für den Passagier gelte ich als kompetent, wenn die Uniform sitzt und die Landung weich ist. Doch unser Job bedeutet wesentlich mehr, denn wir müssen Fälle vordenken.» Eine Notwasserung wird von jedem Piloten «immer und immer wieder» durchgespielt. Das seien die eigentlichen Herausforderungen – denn ein Flugzeug nur von A nach B zu steuern bei wolkenlosem Himmel und strahlendem Sonnenschein, das ist weniger nervenaufreibend, sagt der Kapitän.

Die Lufthansa hält es für abwegig, dass Piloten die länger fliegen, eher ein Sicherheitsrisiko darstellen als jüngere. Durch gründliche Untersuchungen werde bereits vor Beginn der Schulung sichergestellt, dass die «Voraussetzungen für eine dauerhafte Tätigkeit im Cockpit gegeben sind». Sollte ein Pilot fluguntauglich werden, greife eine entsprechende Versicherung.

Über sein persönliches Rentenalter hat sich der 40-Jährige auch schon Gedanken gemacht. «Aus jetziger Sicht stelle ich mir vor, bis 60 zu fliegen.» Ob der Plan aufgeht, wird sich jedoch zeigen: «Selbst mit 40 gibt es schon Tage, an denen es einem in den Knien steckt, was man getan hat.» Vielleicht ein Grund für ihn, auch schon mit Mitte 50 den Schein abzugeben. Schade fände er das trotzdem, denn das Fliegen macht dem Kapitän «irrsinnig Spaß».