10.11.2015 Die Lufthansa muss mit ihren Beschäftigten Lösungen für die offenen Tariffragen finden. Weil das bislang nicht gelungen ist, steckt die Airline im Dauerstreik fest. Kann eine Schlichtung gelingen? Frankfurt/Main (dpa) – Akbar Al Baker hat für den Konkurrenten Lufthansa derzeit nur Häme übrig. Wie auch bei Air France/KLM sei das Kranich-Produkt so schlecht, dass er […]

10.11.2015

Die Lufthansa muss mit ihren Beschäftigten Lösungen für die offenen Tariffragen finden. Weil das bislang nicht gelungen ist, steckt die Airline im Dauerstreik fest. Kann eine Schlichtung gelingen?

Frankfurt/Main (dpa) – Akbar Al Baker hat für den Konkurrenten Lufthansa derzeit nur Häme übrig. Wie auch bei Air France/KLM sei das Kranich-Produkt so schlecht, dass er als Investor nicht einsteigen würde, ließ der streitbare Chef der arabischen Qatar Airways gerade auf der Dubai Airshow wissen. Mit ihren hochmodernen Flotten nutzen die arabischen Airlines Qatar, Emirates und Etihad bewusst die Schwächen der europäischen Airlines, die bei der Lufthansa gerade in den längsten Streik der Konzerngeschichte gemündet sind. Eine Einigung auf eine von Unternehmen und Gewerkschaft Ufo in Aussicht gestellte Schlichtung kam bis zum Dienstagabend nicht zustande.

Al Baker und seine Kollegen haben gut reden – denn Nachtflugverbote, hohe Landegebühren und Sozialabgaben oder gar spezielle Ticket-Steuern kennen sie aus ihren Heimatländern nicht. Die Luftfahrtindustrie gilt den Golf-Staaten als wichtiges wirtschaftliches Standbein neben den Bodenschätzen. Al Baker hat sich einmal darüber erregt, dass bei Lufthansa die Arbeitnehmer sogar im Aufsichtsrat sitzen. Bei Qatar haben Gewerkschaften rein gar nichts zu sagen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr muss hingegen dringend die überalterte Flotte sanieren und gleichzeitig mit drei untereinander konkurrierenden Gewerkschaften klar kommen. Wichtigstes Problem bei den Personalkosten sind die milliardenschweren Rentenlasten, die in Zeiten dauerhafter Niedrigzinsen aus dem laufendem Geschäft bezahlt werden müssten und schon vorher die Bilanz verhageln.

Das Unternehmen will daher dringend das Zinsrisiko an die Arbeitnehmer loswerden und nur noch festgeschriebene Beiträge an die rund 60 000 nach deutschem Tarifrecht beschäftigten Mitarbeiter zahlen. Doch auch knapp zwei Jahre nach Kündigung der entsprechenden Verträge ist mit keiner der Gewerkschaften eine Einigung in Sicht.

Ganz im Gegenteil: Mit der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo streiken gerade diejenigen besonders engagiert, die noch am ehesten zu einem Systemwechsel bereit sind. Ihr Chef Nicoley Baublies will die Übergangs- und Betriebsrenten aber unbefristet auch für Neueinsteiger festschreiben – auch um billigere Konkurrenz im eigenen Hause zu verhindern: «Wenn wir das befristen, haben wir bald überhaupt keine Versorgung mehr.»

Spohr will sich jedoch weder von den Piloten oder Bodenbeschäftigten noch von den Flugbegleitern ein Rentensystem aufdrängen lassen, das die Kostenstruktur der Lufthansa auf Jahrzehnte hinaus nach oben treibt. «Das wäre dann der sichere Tod», heißt es aus seinem Umfeld.

Für seinen harten Kurs erhält der Airline-Chef Rückendeckung von Kapitalanlegern und Analysten. Die Streiks belasteten die Fluggesellschaft deutlich weniger als mögliche zukünftige Pensionslasten, meint beispielsweise Uwe Eilers von Geneon Vermögensmanagement.

Spohr hat den Konzern in den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit auf einen neuen Kurs gesteuert. Der British-Airways-Weg, sich nahezu komplett auf Fernflüge aus der eigenen Metropole zu beschränken, steht der Lufthansa-Gruppe mit ihrem komplexen Multi-Drehkreuz Frankfurt-München-Wien-Zürich-Brüssel nicht offen.

Also schrumpft die alte, teure Lufthansa langsam – während Wachstum nur noch dort stattfindet, wo die Kosten niedrig sind. Aktuell ist das die Europa-Plattform Eurowings mit einem Kostenabschlag von 40 Prozent gegenüber der Lufthansa Classic. Sie hat Mittelstrecken genauso wie Übersee-Verbindungen im Angebot.

Christian Ebner, dpa