Er ist das politische Gesicht im Drama um den Absturz von Flug MH17: Der niederländische Außenminister Frans Timmermans ist Diplomat mit Verstand und Gefühl. Eine Rede machte ihn weltbekannt. Den Haag (dpa) – Er zieht ein verknülltes Taschentuch aus der Tasche, wischt sich kurz über die Augen und beginnt zu reden. Sechs Minuten und 42 Sekunden […]

Er ist das politische Gesicht im Drama um den Absturz von Flug MH17: Der niederländische Außenminister Frans Timmermans ist Diplomat mit Verstand und Gefühl. Eine Rede machte ihn weltbekannt.

Den Haag (dpa) – Er zieht ein verknülltes Taschentuch aus der Tasche, wischt sich kurz über die Augen und beginnt zu reden. Sechs Minuten und 42 Sekunden dauert die Rede des niederländischen Außenministers Frans Timmermans am 21. Juli vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Über eine Million Mal wird die Rede auf Youtube angeschaut werden.

«Stellen Sie sich vor, Sie erfahren, dass Ihr Mann getötet wurde und dann, zwei oder drei Tage später sehen Sie Bilder, wie irgendein Verbrecher den Ehering von seiner Hand stiehlt», sagte Timmermans. «Bis an mein Lebensende werde ich nicht verstehen, warum es so lange gedauert hat, bis den Rettern erlaubt wurde, ihre schwierige Arbeit zu machen und dass die Leichen von Menschen für ein politisches Spiel missbraucht wurden.»

Diese Worte machten den Sozialdemokraten aus dem südniederländischen Maastricht nicht nur weltweit bekannt. Er wurde zum moralischen und politischen Gesicht des Dramas um Flug MH17, der am 17. Juli vermutlich von einer Rakete über der Ostukraine abgeschossen worden war. Der 53-Jährige war in diesem Moment die Stimme der vielen Tausenden Angehörigen der 298 Opfer aus elf Ländern, die Stimme seines zutiefst geschockten Volkes.

Seit er am 17. Juli jäh den schon lange geplanten Fahrradurlaub mit seinem zehnjährigen Sohn abbrechen musste, ist Timmermans rastloser Krisenmanager. Er reist von Kiew nach Den Haag, von Charkow in der Ostukraine nach New York. Er muss für die Heimkehr der Opfer sorgen und den sicheren Zugang der Experten an der Absturzstelle, auch wenn diese Aufgabe zur Zeit stockt. Und das alles in dem höchst brisanten Konflikt, der eine neue Eiseskälte zwischen Moskau und dem Westen gebracht hat.

Timmermans «spielt Schach auf fünf Brettern gleichzeitig», kommentiert die linksliberale Tageszeitung «De Volkskrant». Und das kann er wie kein anderer, davon sind die Niederländer überzeugt. Noch nie war ein Politiker im Land so populär, belegen Umfragen.

Timmermans kann viele Gesprächspartner in deren eigener Sprache ansprechen. Russisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch spricht er fast ohne Akzent. Der Minister kennt Russland und die russische Mentalität gut, jahrelang wohnte er in Moskau. Sein über die Jahre aufgebautes internationales Netzwerk beweist nun seinen unschätzbaren Wert.

Nach dem Studium der französischen Sprache und des Europäischen Rechts war der Enkel von limburgischen Minenarbeitern jahrelang Diplomat. Von 2007 bis 2010 war er Europa-Minister der Niederlande. Als er vor zwei Jahren zum Außenminister ernannt wurde, war das auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die Niederlande wieder mit offenem und positivem Blick auf Europa schauen wollten.

Der Vater von vier Kindern hält nichts davon, Persönliches hinter seinem Amt zu verbergen. Er schätzt den direkten Kontakt, aber auch deutliche Worte. Sein liebstes Kommunikationsmittel ist Facebook. Dort schwärmt er von Edith Piaf ebenso wie von der Tour de France.

Er scheut sich auch nicht zu zeigen, wie sehr ihn die Katastrophe von Flug MH17 persönlich bewegt. Als die erste Maschine Särge mit Opfern in die Niederlande brachte, stand er auf dem Rollfeld und schloss eine weinende Frau tröstend in die Arme.

Seine Emotionen galten lange als Achillesferse für den Diplomaten. Am 21. Juli zeigten sie sich als Stärke. Kurz vor der Sitzung des Weltsicherheitsrates hatte er selbst in den Computer getippt, was ihm Herz und Verstand diktierten.