21.11.2017 Die Höchstpreise für Inlandsflüge könnten bald wieder fallen, sagen Experten. Die Pleite von Air Berlin sollte bald nach der EU-Kartellentscheidung vom Markt verkraftet sein. Frankfurt/Main (dpa) – Selten waren Inlandsflüge so teuer wie in dieser Vorweihnachtszeit ohne Air Berlin. Dem Einsatz von großen Lufthansa-Jumbos zum Trotz sind die Plätze zu attraktiven Tageszeiten so knapp, dass […]

21.11.2017

Die Höchstpreise für Inlandsflüge könnten bald wieder fallen, sagen Experten. Die Pleite von Air Berlin sollte bald nach der EU-Kartellentscheidung vom Markt verkraftet sein.

Frankfurt/Main (dpa) – Selten waren Inlandsflüge so teuer wie in dieser Vorweihnachtszeit ohne Air Berlin. Dem Einsatz von großen Lufthansa-Jumbos zum Trotz sind die Plätze zu attraktiven Tageszeiten so knapp, dass sie nur noch zu Höchstpreisen buchbar sind, wie vor allem Geschäftsreisende laut beklagen. Nach dem Aus für weite Teile der Air Berlin freut sich auch die Deutsche Bahn über volle Fernzüge, verkauft mehr als zehn Prozent mehr Tickets.

Bereits im nächsten Sommer dürfte es mit dem knappen Angebot in der Luft allerdings schon wieder vorbei sein, erwartet Gerd Pontius von der Airline-Beratungsgesellschaft Prologis, der den aktuellen Preisanstieg allein auf die im Markt fehlende Kapazität der zurückführt. «Wir werden im kommenden Sommer mehr Flugzeuge im Markt haben als in diesem Sommer», sagt der Experte am Dienstag auf der Frankfurter Mobilitätsmesse «Hypermotion».

Einstweilen schlagen aber die weitgehend automatisierten Buchungssysteme der verbliebenen Anbieter gnadenlos zu. Die günstigen Buchungsklassen sind wegen der hohen Nachfrage sehr viel schneller ausverkauft als noch vor wenigen Wochen. «Nach unseren Erkenntnissen hat die Lufthansa ihre Preisstruktur nicht verändert», erklärte der Prologis-Berater. Allerdings erkenne das Buchungssystem sehr viel früher, dass der Flieger voraussichtlich ausgebucht sein wird und verkauft entsprechend schneller die teureren Tickets. Die Durchschnittserlöse seien so auf einzelnen Strecken um bis zu 30 Prozent gestiegen.

Derzeit hängt es vor allem an der EU-Kommission, die über den Verkauf großer Teile der insolventen Air Berlin an die Billigflieger Eurowings und Easyjet entscheiden muss. Am 7. Dezember fällt dem Vernehmen nach eine erste Entscheidung. Und nicht nur Ulrich Schulte-Strathaus von der Aviation Strategy & Concepts erwartet eine kartellrechtliche Zustimmung unter Auflagen, über deren Umsetzung noch einmal zehn Werktage beraten werden könnte.

Einstweilen stehen von einst 140 Air-Berlin-Jets rund 80 am Boden, deren Kapazität nicht unmittelbar ausgeglichen werden kann. Vorbehaltlich der EU-Entscheidung hat die britische Easyjet am Dienstag ihren Plan bekräftigt, ab Januar vor allem aus Berlin nach und nach immer mehr Kurz- und Mittelstrecken anbieten zu wollen. Die Dienste von 1000 Crew-Mitgliedern der Air Berlin hat man sich dafür gesichert. An den Flughäfen der Hauptstadt würden die Briten mit einem Anteil von 36 Prozent voraussichtlich Marktführer, sagt der Prologis-Experte Jörg Schwingeler. Ab 2019 soll sich das Geschäft nach Anlaufverlusten für die Londoner auszahlen.

Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings wartet auf das Signal aus Brüssel. Sie übernimmt mit der LGW und Niki zwei Gesellschaften aus dem Reich der Air Berlin und sucht für zusätzliche Maschinen gerade Crews. Rund 300 Flugbegleiter und die ersten Piloten aus den Reihen der Air Berlin habe man bereits eingestellt, sagt Geschäftsführer Oliver Wagner. Er traut sich zu, bis Juli sämtliche rund 80 Maschinen aus dem Air-Berlin-Nachlass in die Eurowings integriert zu haben.

Allerdings muss sich die Lufthansa-Tochter bei einigen Strecken darauf einstellen, auf Druck der EU noch attraktive Start- und Landerechte an Konkurrenten abzugeben. Vor allem innerdeutsch beherrscht der Lufthansa-Konzern den Markt, nach Europa und Übersee liegen die Marktanteile hingegen noch deutlich unter der 50-Prozent-Marke. Schwingeler hat vier innerdeutsche Strecken identifiziert, auf denen der Kranich ein neues Monopol erreichen könnte: München-Köln, München-Hamburg, Düsseldorf-Hamburg sowie Nürnberg-Berlin. Äußerst dominant tritt der «nationale Champion» zudem an Flughäfen wie Düsseldorf, München, Wien oder Zürich auf.

Die derzeit noch vorhandene Angebotslücke sowohl im Linienbetrieb als auch bei touristischen Flügen versuchen auch zahlreiche kleinere Gesellschaften zu füllen. So erhöhen die polnische LOT und die israelische El Al ihre Frequenzen nach Berlin, Airlines wie Germania, Aegean, Wizz, Condor oder Lonely Planet bauen ebenfalls ihr Angebot aus. Insbesondere nach Spanien gab es für den kommenden Sommer bereits wieder ein deutliches Überangebot, wie René Herzog von der DER Touristik berichtet.

Das Aus von Air Berlin ist der Startschuss für die Neuverteilung des deutschen und in der Folge auch des europäischen Luftverkehrsmarktes. An der werden nach Einschätzung der Experten auch die großen Billigflieger teilnehmen, so dass mittelfristig wieder mit sinkenden Ticketpreisen zu rechnen ist. Und bei gut 160 Airlines auf dem Kontinent ist die nächste Pleite nach der Alitalia auch nicht allzu fern. «Spätestens wenn der Kerosinpreis hochgeht, wird sich die Spreu vom Weizen trennen», ist sich Experte Schulte-Strathaus sicher.

Christian Ebner, dpa