Von Gefährten zu Gegnern: Polens Ex-Präsident Walesa gilt als scharfer Kritiker des umstrittenen PiS-Chefs Kaczynski. Mit Anschuldigungen zum Absturz der Smolensk-Katastrophe ging er einem Gerichtsurteil zufolge aber zu weit. Danzig (dpa) – Einst kämpften sie Seite an Seite gegen den Kommunismus in Polen, nun streiten sie erbittert vor Gericht: Ex-Präsident Lech Walesa muss sich beim […]

Von Gefährten zu Gegnern: Polens Ex-Präsident Walesa gilt als scharfer Kritiker des umstrittenen PiS-Chefs Kaczynski. Mit Anschuldigungen zum Absturz der Smolensk-Katastrophe ging er einem Gerichtsurteil zufolge aber zu weit.

Danzig (dpa) – Einst kämpften sie Seite an Seite gegen den Kommunismus in Polen, nun streiten sie erbittert vor Gericht: Ex-Präsident Lech Walesa muss sich beim Chef der heutigen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, für schwere Anschuldigungen im Zusammenhang mit der Smolensk-Flugzeugkatastrophe entschuldigen. Bei dem Absturz des Regierungsfliegers waren 2010 alle Passagiere umgekommen, darunter Kaczynskis Zwillingsbruder, der damalige Staatspräsident Lech Kaczynski.

Ein Gericht in Danzig entschied am Donnerstag, Walesa habe mit Facebook-Posts, in denen er Jaroslaw Kaczynski eine Mitschuld an dem Absturz 2010 im russischen Smolensk gegeben hatte, die Grenze der Redefreiheit überschritten und den Ruf und die Würde Kaczynskis verletzt. Walesa (75), von 1990 bis 1995 polnischer Präsident, und Kaczynski (69) waren bei der Urteilsverkündung nicht anwesend und wurden von ihren Anwälten vertreten. Kaczynskis Partei Recht und Gerechtigkeit PiS begrüßte das noch nicht rechtskräftige Urteil. Unterdessen kündigte Walesas Sprecher Miroslaw Szczerba an, der ehemalige Präsident werde sich nicht entschuldigen und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in Berufung gehen.

Kaczynski hatte Walesa unter anderem wegen Äußerungen in sozialen Medien verklagt, in denen dieser ihn für das Flugzeugunglück mit 96 Toten mitverantwortlich gemacht hatte. Kritiker wie Walesa meinen, Kaczynski habe in einem Telefonat mit seinem Bruder darauf bestanden, dass das Flugzeug trotz schwieriger Wetterbedingungen landen solle. Beweise gibt es bisher nicht.

Das Gericht argumentierte, so schwere Beschuldigungen würden jedoch solide Beweise erfordern. «Die Redefreiheit ist ein Fundament der Demokratie, aber sie hat keinen absoluten Charakter», sagte die verhandelnde Richterin und ordnete eine schriftliche Entschuldigung als Brief an Kaczynski, als Post auf Walesas Facebook-Profil sowie als Mitteilung in verschiedenen polnischen Medien an. Darin sollte der Friedensnobelpreisträger unter anderem schreiben: «Mit den Worten habe ich den guten Namen und die persönliche Würde von Herrn Jaroslaw Kaczynski verletzt.»

Die Justiz betonte aber auch, der Fall habe sie vor eine «besonders schwierige Aufgabe gestellt». Walesa und Kaczynski seien in Polen einflussreich und bekannt, das Thema ihres Streits – der Absturz in Smolensk – spalte die Gemüter. Zur hitzigen Debatte trage nicht zuletzt Kaczynski selbst bei, dessen Partei den Fall acht Jahre nach der Katastrophe neu untersuchen lässt. Das Thema Smolensk werde von Kaczynski und seinen Anhängern politisiert, mahnte die Richterin an.

Die PiS lässt den Absturz seit ihrem Regierungsantritt 2015 neu untersuchen und facht Theorien an, es habe sich um einen Anschlag gehandelt. Den damaligen Untersuchungsbericht, der Nebel und Pilotenfehler für das Unglück verantwortlich machte, zweifelt die Kaczynski-Partei dagegen an.

Dennoch wogen Walesas Äußerungen wohl zu schwer. Sie schadeten Kaczynski als Politiker und Mensch, sagte die Richterin. Die von Kaczynski geforderte Geldstrafe von etwa 7000 Euro, die Walesa für gemeinnützige Zwecke spenden sollte, lehnte das Gericht aber ab.

Persönlich waren sich Kaczynski und Walesa zuletzt in dem rund neun Monate dauerndem Prozess am letzten Verhandlungstag im November begegnet. Damals wies Kaczynski Vorwürfe zurück, er habe eine Landung befohlen. «Ich habe meinem Bruder nie irgendetwas befohlen». In dem damaligen Telefonat sei es um die kranke Mutter gegangen. Walesa und Kaczynski schlugen eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung aus. Stattdessen feindeten sie sich an. «Wozu habe ich Sie bloß zum Minister ernannt?», klagte Walesa. Kaczynski erwiderte: «Und wozu ich Sie zum Präsidenten?»

In den 80er Jahren gehörten Walesa und Kaczynski beide der antikommunistischen Bewegung an. Die Kaczynski-Zwillinge setzten sich sogar dafür ein, dass der Arbeiterführer und Friedensnobelpreisträger Walesa 1990 erster demokratisch gewählter Staatspräsident Polens wurde. Doch dann kam es zum Bruch, die Brüder beschuldigten Walesa, ein kommunistischer Spitzel mit dem Decknamen «Bolek» gewesen zu sein. Walesa wehrte sich gegen die Vorwürfe und sagte, die als Beweis dafür vorgelegten Dokumente seien gefälscht.