Dass die Deutschen gerne reisen, ist kein Geheimnis. Weniger bekannt ist aber, wohin. Im Trend liegen nämlich nicht die Exotenziele – sondern der Urlaub im eigenen Land. Berlin (dpa/tmn) – Deutschland liegt als Reiseziel im Trend: Seit Jahren steht hinter den Gästezahlen konstant ein Plus. Im vergangenen Jahr zählte das Statistische Bundesamt 424 Millionen Übernachtungen […]

Dass die Deutschen gerne reisen, ist kein Geheimnis. Weniger bekannt ist aber, wohin. Im Trend liegen nämlich nicht die Exotenziele – sondern der Urlaub im eigenen Land.

Berlin (dpa/tmn) – Deutschland liegt als Reiseziel im Trend: Seit Jahren steht hinter den Gästezahlen konstant ein Plus. Im vergangenen Jahr zählte das Statistische Bundesamt 424 Millionen Übernachtungen – drei Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Und das Volumen ist eigentlich noch höher, erklärt Claudia Gilles vom Deutschen Tourismusverband (DTV) anlässlich der Reisemesse ITB in Berlin (noch bis 8. März). Denn in die Übernachtungsstatistik fließen keine Reisen zu Verwandten oder Urlaube im Ferienhaus ein: Nur Häuser ab zehn Betten werden ausgewertet.

Das Besondere: Für die hohe Zahl an Übernachtungen in Deutschland sorgen vor allem – die Deutschen selbst. So gehen von den 424 Millionen Übernachtungen 82 Prozent auf das Konto inländischer Gäste, erzählt Gilles. Damit sei Deutschland in Europa eines der Länder mit dem höchsten Anteil an inländischen Gästen.

«Zwei Drittel aller Deutschen macht im eigenen Land Urlaub», fasst es Martin Katz zusammen. Er ist Vorsitzender im Ausschuss Deutschlandtourismus und deutschsprachige Länder beim Deutschen Reiseverband (DRV). Die GfK Marktforschung zählt bei den Inlandsurlauben im vergangenen Jahr sogar ein Plus von 9,9 Prozent. Katz hat dafür eine einfache Erklärung: «Mehr und mehr wird auch Deutschlandurlaub als wertig erachtet.» Heute könne man sich – anders als in früheren Jahren – mit dem Urlaub in der Heimat sehen lassen. «Das Image der Deutschlandreise hat sich ganz eindeutig verbessert.» Teilweise gelte man nun sogar als trendy.

In die Hände spielt dem Deutschlandtourismus auch, dass es bei Auslandsreisen eine gewisse Sättigung gibt, erzählt Katz. Es sei einfach nicht mehr so exotisch, eine Auslandsreise zu machen. Dank Budget-Airlines können nun auch weniger gut betuchte Menschen für den Urlaub in den Ferienflieger steigen.

Außerdem macht der Deutsche mittlerweile mehr Urlaub als je zuvor – und stückelt ihn mehr. Statt einmal für drei Wochen geht es dreimal für eine Woche los, beschreibt Katz. Diese Aufteilung des Zeitbudgets stärkt den Tourismus in Deutschland ebenfalls. Hinzu kommt auch die demografische Entwicklung: «Je älter man wird, desto eher beschränkt man den Aktionsradius», erklärt Gilles.

In der Rangliste der Destinationen gibt es je nach Statistik teils unterschiedliche Ergebnisse. Werden nur die Übernachtungen gezählt, liegt Bayern stets an der Spitze. 2014 gab es hier 85 Millionen Übernachtungen von in- und ausländischen Gästen, erzählt Gilles. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen liegen mit jeweils knapp 50 Millionen Übernachtungen auf den Plätzen zwei und drei.

Ein bisschen anders sieht das Ranking aber aus, schaut man sich die Urlaube an, also Reisen ab fünf Tagen: Hier gewann im vergangenen Jahr Mecklenburg-Vorpommern gegen Bayern, berichtet die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Dann folgen Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Generell liegen die Küstenregionen gegenüber Land- und Bergzielen im Vorteil, heißt es in der aktuellen Reiseanalyse der FUR, die auf der ITB vorgestellt wurde.

Wo in Deutschland Urlaub gemacht wird, hängt auch davon ab, wie weit Regionen es schaffen, sich mit Themen zu etablieren, erklärt Katz. Insgesamt sei das in den vergangenen Jahren gut gelungen. Mit dem Hervorheben von einem bestimmten Thema gerate auch der große Faktor Wetter, bei dem Deutschland im Vergleich zu anderen Urlaubsdestinationen nicht immer mithalten kann, etwas in den Hintergrund.

Wichtig ist Katz zufolge das gute Preis-Leistungsverhältnis. Wer sich die Städtedestinationen ansieht, kann das schnell nachvollziehen: In London, Paris oder Moskau bezahlt man für Hotel und Nebenkosten weit mehr als etwa in Berlin. Andere Themen, die gut funktionieren, sind der Wellness- und Gesundheitsurlaub und die Aktivreise. Besonders groß ist das Thema Kultur: «Da ist Deutschland sicher auf den Spitzenplätzen unterwegs», sagt Katz. Die Vielfalt, etwa bei Musik oder Architektur, macht den Urlaub daheim beliebt.

Das Thema Kultur scheint sogar eine solche Anziehung zu haben, dass auch negative Schlagzeilen manch beliebten Zielen nichts anhaben kann: Stichwort Dresden. Die Pegida-Demonstrationen haben etwa die Übernachtungszahl Ende vergangenen Jahres nicht sinken lassen, erzählt Gilles. Und auch von vermehrten Stornierungen hätten die lokalen Anbieter nichts berichtet. Die touristische Attraktivität der Stadt sei unbestritten.

Auch bei Touristen aus dem Ausland ist von Zurückhaltung nichts zu spüren. Im Gegenteil: Beim Incomingtourismus zählte Deutschland im vergangenen Jahr 75,6 Millionen Übernachtungen, teilt die Deutsche Zentrale für Tourismus mit (DZT). Das ist ein Plus von rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und laut Prognosen wird der internationale Reiseverkehr in diesem Jahr weiter zunehmen, um drei bis vier Prozent. Im Jahr 2030 halte man sogar 121,5 Millionen Ausländerübernachtungen für realistisch, so die DZT. Den größten Anteil an Übernachtungen aus dem Ausland haben derzeit Gäste aus den Niederlanden, dann folgen die Schweiz, die USA und Großbritannien.

Was die Zukunft angeht, geben sich die Experten in Sachen Deutschlandtourismus – typisch deutsch – bodenständig. «Im Tourismus gibt es kaum Revolutionen», sagt Gilles. Die jüngste größere Veränderung habe es durch die Entwicklung des Fernbusmarkts gegeben. «Aber so richtige Revolutionen, dass plötzlich die Uckermark Bayern verdrängt, das gibt es nicht und wird es nicht geben.»