25.01.2015 Orlando, lange Jahre das Touristen-Mekka der USA, zieht in jüngster Zeit vermehrt Geschäftsreisende an. Das hat auch Konsequenzen für den Flughafen, der zudem verstärkt auf internationale Verbindungen setzt – und nicht zuletzt aus diesem Grund in nicht allzu ferner Zukunft ein neues Terminal erhalten soll. Darf man als grundsätzlich der Objektivität verpflichteter Journalist eigentlich […]

25.01.2015

Orlando, lange Jahre das Touristen-Mekka der USA, zieht in jüngster Zeit vermehrt Geschäftsreisende an. Das hat auch Konsequenzen für den Flughafen, der zudem verstärkt auf internationale Verbindungen setzt – und nicht zuletzt aus diesem Grund in nicht allzu ferner Zukunft ein neues Terminal erhalten soll.

Darf man als grundsätzlich der Objektivität verpflichteter Journalist eigentlich einen Lieblingsflughafen haben? Egal: Der Schreiber dieser Zeilen gibt jedenfalls zu, dass er sich am Orlando International Airport deutlich wohler fühlt als an den meisten anderen derartigen Einrichtungen. Woran das liegt? Nun – wo sonst in der zivilisierten Welt führt der Weg vom Check-in zum Gate durch Alligator-Reviere und wo sonst spielt am Nationalfeiertag ein Sinfonieorchester mitten im Terminal? Dazu kommen die vergleichsweise kurzen Wege, das allgemein sehr helle und freundliche Ambiente und der Umstand, dass hier alles irgendwie entspannter abläuft. Und dass, obwohl der Flughafen von zahllosen Familien mit Kleinkindern frequentiert wird, die Disneyworld, SeaWorld oder eine der zahlreichen anderen Attraktionen in der näheren Umgebung besuchen wollen und in der Regel nicht unbedingt als Vielflieger mit entsprechender Erfahrung gelten dürften.

Doch genau auf diese Klientel ist MCO, so das nur für mit der Geschichte des Flughafens Vertraute verständliche Kürzel, bestens vorbereitet. Nicht nur, weil beispielsweise für Reisende, die zusätzlich zu einer Übernachtung in einem Disney-Resort auch die Beförderung in „Disney‘s Magical Express“ gebucht haben, eigene Bushaltestellen zur Verfügung stehen, sondern auch wegen vieler sinnvoller Details: So sorgen im ganzen Gebäude verlegte Teppiche für ein angenehmes Geräuschniveau. Der in der zentralen Halle plätschernde Brunnen hat ebenso wie die überall zu findenden – echten! – Pflanzen etwas Beruhigendes; und die Wegeführung ist angenehm eindeutig. Soll heißen: Auch der erstmalige Besucher erkennt problemlos, wie der Weg vom Check-in über die Sicherheitskontrolle zum Gate oder bei der Ankunft von der Fluggastbrücke über – gegebenenfalls – Einreise- und Zollkontrolle bis zur Gepäckausgabe führt. Der Orlando International Airport wirkt in diesem Punkt wie der komplette Gegenentwurf zu den „Einkaufszentren mit angeschlossenem Flughafen“, als deren Paradebeispiel London-Heathrow gelten kann. Was aber nicht heißt, dass es in MCO keine Shopping-Möglichkeiten gibt …

Gegenwärtig kommen rund zwei Drittel der Passagiere als Touristen nach Orlando. Der Anteil lag schon einmal höher, doch in jüngster Zeit ist die Zahl derjenigen, die beruflich unterwegs sind, kontinuierlich gewachsen. „Dieser Wandel ist jeden Montagmorgen um sechs Uhr zu sehen, wenn sich an den Sicherheitskontrollen die Geschäftsreisenden stauen“, erläuterte Phillip N. Brown, Executive Director der Greater Orlando Aviation Authority, im Gespräch mit Aero International. Die im Herzen Floridas gelegene Stadt, lange Zeit die Tourismus-Metropole der USA (bis New York den Spitzenplatz bei den Übernachtungen übernahm), hat neben zahlreichen Hotelzimmern auch ein großes Convention Center zu bieten, was Orlando attraktiv für besucherträchtige Messen macht. Zudem sind zahlreiche Unternehmen aus der Computer- und Simulationsindustrie in der Umgebung vertreten, was angesichts der vielen Hightech-Fahrgeräte in den Vergnügungsparks und der Nähe zum Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral nicht verwunderlich ist. Und auch die Medizintechnik hat hier ein starkes Standbein.

Water Salute at Orlando Airport

Norwegian (fliegt mit Boeing 787-8) ist der jüngste Zugang im Langstreckensegment. Bild: Orlando Airport

 

Obgleich Touristen vermutlich in absehbarer Zukunft das Gros der Passagiere stellen werden, ist der steigende Anteil der geschäftlich Reisenden für den Flughafen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Wenn man die Fluggesellschaften zur Aufnahme zusätzlicher internationaler Verbindungen bewegen will, muss auch der vordere Teil des Flugzeugs gut gefüllt sein. Die Rechnung scheint aufzugehen: Zwar waren die grenzüberschreitenden Flüge, deren erster 1984 durch Icelandair erfolgte, im Jahr 2013 nur für gut elf Prozent des Passagieraufkommens in MCO verantwortlich, doch immerhin bedeutete das einen Rekordwert in der gut 30-jährigen Geschichte des Airports. Zudem wächst der internationale Verkehr aktuell schneller als das Inlandsgeschäft – 2013 legte er um 4,24 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, während auf den Routen innerhalb der USA sogar ein Rückgang um etwas mehr als zwei Prozent zu verzeichnen war. Und im generell sehr erfolgreichen Sommer 2014 verzeichneten die Verbindungen nach Europa (unter anderem durch Lufthansa, Virgin Atlantic und Norwegian) sowie nach Lateinamerika (beispielsweise von AeroMexico, Copa oder LAN) überproportionale Steigerungen.

Auf den letztgenannten Markt und speziell dort auf Brasilien setzen die Verantwortlichen große Hoffnungen. Die Zahl der Reisenden aus dem südamerikanischen Land ist in jüngster Zeit stark gestiegen, und Executive Director Brown erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Erst recht, wenn ab 2015 zusätzlich zu Gol und TAM auch Azul Flüge zwischen Brasilien und Orlando anbieten wird. Hoffnung setzt er mittelfristig auch auf die beachtliche indische Gemeinde in Florida und darauf, dass möglicherweise Turkish Airlines und Emirates Verbindungen über ihre jeweiligen Drehkreuze nach Indien anbieten werden.

Zwar ist MCO nicht allein auf der Welt und nicht mal allein in Florida, wo es mit Miami, Fort Lauderdale, Tampa und nicht zuletzt mit Orlando Sanford in unmittelbarer Nachbarschaft gleich mehrere ernst zu nehmende Konkurrenten gibt. Dennoch sieht Phil Brown seinen Flughafen gut aufgestellt. Nicht zuletzt deshalb, weil man im Inland mehr Nonstop-Verbindungen anbieten kann als alle anderen Airports im Bundesstaat, wofür vor allem die drei stärksten Airlines vor Ort, Southwest (rund 26 Prozent Marktanteil), Delta Air Lines (15%) und JetBlue (14%), verantwortlich sind. Und noch einen weiteren elementaren Wettbewerbsvorteil nennt der Executive Director: „Wir haben viel mehr Land zur Verfügung, auf dem wir bauen können.“

In der Tat: Als der Flughafen vor rund vier Jahrzehnten konzipiert wurde, bewiesen die Planer um den jüngst verstorbenen John Wyckoff und den Architekten Justus Hellmuth enorme Weitsicht. Zum einen, weil sie unter dem Stichwort „Orlando Experience“ bei allen Überlegungen zuvorderst die Interessen und das Wohl der Reisenden vor Augen hatten, was sich in den eingangs angeführten Annehmlichkeiten bemerkbar macht. Zum anderen, weil selbst für den bei seiner Inbetriebnahme noch vergleichsweise kleinen Airport zwei Straßenanbindungen von Norden und Süden her vorgesehen und diese Straßen sowie die Rollwege dann auch noch so gelegt wurden, dass sie einer späteren Erweiterung nicht im Wege stehen würden. Vor allem aber erwarb man Grund und Boden in großem Umfang, so dass MCO heute flächenmäßig der drittgrößte Flughafen der Vereinigten Staaten ist.

Orlando Airport Luftaufnahme

Der Orlando International Airport verfügt über vier parallele Start- und Landebahnen. Die beiden westlichen Pisten waren schon in Betrieb, als der Flughafen als McCoy Air Force Base noch vorrangig von der Luftwaffe genutzt wurde. Die beiden Bahnen im Osten des Geländes sind jüngeren Datums und liegen weit genug auseinander, um gleichzeitig genutzt werden zu können. Bild: Orlando Airport

 

Wenn es allein nach der Flughafenleitung ginge, begännen vermutlich schon bald die Bauarbeiten für ein zusätzliches Terminal südlich der existierenden Abfertigungseinrichtungen. Doch etliche Fluggesellschaften vor Ort, neben Southwest und JetBlue auch Delta und United, haben sich dagegen ausgesprochen. Sie vertreten die Ansicht, dass mit einer Modernisierung der bestehenden Anlagen genügend zusätzliche Kapazität geschaffen werden kann. Der im Oktober 2013 beschlossene sogenannte „Capital Improvement Plan“ mit einem Gesamtumfang von 1,1 Milliarden US-Dollar sieht daher zunächst einmal neben diversen Verbesserungen innerhalb der Terminals A und B beziehungsweise der Abflughallen („Airsides“) „nur“ den Bau des „South Airport APM Complex“ vor. Dahinter verbirgt sich im Wesentlichen ein großes Parkhaus, das durch ein automatisiertes Personenbeförderungssystem („Automated People Mover“, APM) mit dem Terminal verbunden werden soll. Weil MCO vor allem ein Start- und Zielflughafen ist, also kaum Umsteiger kennt, ist der Bedarf an Parkplätzen, aber auch an Haltestellen für Linien- und Shuttlebusse im Verhältnis zur Passagierzahl deutlich größer als beispielsweise in Atlanta, Charlotte oder Denver. Und in der Tat machen sich Kapazitätsengpässe gegenwärtig vor allem landseitig bemerkbar. Hier wird die neue Einrichtung, die voraussichtlich ab 2017 zur Verfügung stehen wird, Abhilfe schaffen – zumal mit ihr langfristig ein für US-Verhältnisse geradezu revolutionäres Konzept umgesetzt werden soll. „Intermodalität“ lautet das Schlagwort, also die Verknüpfung unterschiedlichster Verkehrsträger, in diesem Fall Flugzeug, Straßen- und Schienenverkehr. Der South Airport APM Complex könnte als Endstation einer geplanten Intercity-Verbindung („All Aboard Florida“) von Miami über Fort Lauderdale und West Palm Beach dienen. Zudem ist der Anschluss an einen Nahverkehrszug geplant.

Das neue Parkhaus, Modifikationen vor allem in den Check-in-Bereichen und dem Gepäckfördersystem der Terminals A und B sowie die Schaffung von vier neuen Gates für internationale Flüge bei Airside 4 sollen dazu beitragen, die Kapazitäten des Flughafens auf 45 Millionen jährliche Passagiere zu steigern. Deshalb ist die Idee für ein neues Terminal aber noch lange nicht vom Tisch. Sobald die Grenze von 40 Millionen Reisenden erreicht ist und die Zahl der international fliegenden Passagiere beständig über drei Millionen liegt, wird den Planungen zufolge mit dem Bau der neuen Abfertigungseinrichtung begonnen. Nach rund vier Jahren soll das Terminal Süd dann mit zunächst 16 Gates den Betrieb aufnehmen. 

Achim Figgen