Berlin, 24. Oktober 2018 Seit zehn Jahren steht der Flughafen Tempelhof still. In dieser Zeit stiegen die Mieten im Umland überdurchschnittlich. Bald soll auch der Airport Tegel schließen zugunsten des neuen BER. Müssen die Anwohner einen ähnlichen Anstieg befürchten? In zwei Jahren soll der neue Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) endlich öffnen. Dann könnte sich ein […]

Berlin, 24. Oktober 2018

Seit zehn Jahren steht der Flughafen Tempelhof still. In dieser Zeit stiegen die Mieten im Umland überdurchschnittlich. Bald soll auch der Airport Tegel schließen zugunsten des neuen BER. Müssen die Anwohner einen ähnlichen Anstieg befürchten?

In zwei Jahren soll der neue Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg (BER) endlich öffnen. Dann könnte sich ein Szenario wiederholen, das es vor zehn Jahren schon einmal in Berlin gab: Ein Airport schließt, viele Anwohner sind von einem Tag auf den anderen von Fluglärm befreit. Trotzdem ist es für sie nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Denn dann steigen die Mieten.

Damals, am 31. Oktober 2008, hoben das letzte Mal Flugzeuge vom Tempelhofer Feld ab. Wenn nun alles so bleibt wie geplant, wird Tegel zwölf Jahre später – 2020 – schließen. In Tempelhof zieht das ehemalige Fluggelände längst viele Berliner zur Naherholung an – und mit ihnen auch die Investoren.

Seit 2010 ist das Feld für die Öffentlichkeit freigegeben und dient seitdem vielen Berlinern als Spielwiese. Mit einem Volksentscheid sorgten die Bürger 2014 dafür, dass eine Bebauung des Tempelhofer Feldes verboten wurde. Nachdem der Senat temporäre Flüchtlingsunterkünfte am Rand errichtete, entbrannte eine Debatte über die Zukunft des ehemaligen Flughafengeländes. Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) regte eine Bebauung am Rand an.

Für die umliegenden Stadtteile bedeutete die Schließung des Flughafens einen Anstieg der Wohnkosten. Nach Daten von Immobilienscout24 stiegen die Mieten in den benachbarten Stadtteilen Tempelhof und Neukölln seit der Schließung schneller als im Durchschnitt der Stadt.

Michael Fränzel, Analyst Daten & Märkte bei Immobilienscout24, sieht vor allem den Wegfall des Fluglärms, sowie die Nähe zum Tempelhofer Feld als Ursache dafür. Besonders den Schillerkiez in Neukölln hebt er hervor. Die Zone in der früheren Einflugschneise sei heute eine „absolute Top-Lage für Wohnimmobilien“, sagt der Datenanalyst.

Seine Zahlen beziehen sich auf eine Referenzwohnung aus den Siebzigerjahren mit drei Zimmern, 80 Quadratmetern Fläche, einer Einbauküche, einem Keller, einem Balkon sowie einem Aufzug. Kostete eine solche Wohnung in Neukölln Anfang 2007 knapp 1000 Euro, sind es mehr als elf Jahre später über 4000 Euro. Die Zahlen zeigen indes nur einen Ausschnitt der Wohnsituation in den betroffenen Gebieten.

Ähnlich könnte es dem Umland am Flughafen Tegel ergehen, wenn dieser schließt. Für die Zeit danach gibt es schon einen Plan. Aus den Terminals soll ein Technologiezentrum werden. Zudem soll der westliche Teil des Gebietes in einen Park umgewandelt werden. Auf der östlichen Seite plant die Stadt ein Neubaugebiet mit bis zu 5000 Wohnungen.

Milieuschutzgebiete könnten einen starken Anstieg der Mieten im Umfeld des Flughafengeländes vermeiden. Somit würden zum Beispiel Luxusmodernisierungen untersagt werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen will Anwohner davor schützen, aus ihrem Viertel verdrängt zu werden. Dazu bräuchte es allerdings Hinweise auf eine solche Veränderung. Der bloße Anstieg der Mieten reicht laut Senatsverwaltung nicht.

Bisher kamen die Anwohner bei den Mieten vergleichsweise gut weg. Im Stadtteil Tegel steigen sie laut Immobilienscout24 seit rund sechs Jahren langsamer als im Berliner Durchschnitt. Der Stadtteil war vor der Schließung Tempelhofs sogar teurer als Neukölln. Das trifft auch auf Reinickendorf in der Einflugschneise des Flughafen Tegels zu.

Sebastian Bartels, stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, zeigt Verständnis für den Mietanstieg in Tempelhof. Schließlich sei Fluglärm ein negatives Merkmal im Berliner Mietspiegel. Wenn dieser wegfalle, stiegen auch die örtlichen Preise.

Am Flughafen Tegel zeigt sich hingegen eine skurrile Entwicklung: „Es ist zum Teil so, dass zumindest einige dieser Anwohner sich so an den Fluglärm gewöhnt haben, dass sie eher befürchten, dass ihre Wohnung aufgewertet wird. So schlimm ist es in dieser Stadt schon geworden, dass der Lärm in Kauf genommen wird, um die Wohnung nicht zu gut aussehen zu lassen.“

Einen Mietanstieg wie in Tempelhof sieht Bartels allerdings als natürliche Entwicklung. Der Wohnmarktreport 2017 der Bank Berlin Hyp und des Investors CBRE prognostiziert höhere Preise für den gesamten umliegenden Bezirk am Tegel. „Auf mittlere Sicht könnte Reinickendorf zu einem Topstandort des Wohnungsbaus werden“, heißt es dort.

Sven Braun, dpa